Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Endlich verstummte dieses Rufen und sie legten
das Gesicht schweigend an das Altartuch. Mit
dem Arme aber umschlang Eines des Andern
Nacken, die Wangen glühten, eine an der andern,
und die Finger spielten sanft in den Locken. Es
war keine Unruhe mehr in den Herzen; sie schlu-
gen still und gleichmäßig.

So knieten die Beiden eine Zeit lang vereinigt
lautlos im Heiligthume. Plötzlich fühlten sie ihre
Häupter leise angerührt und sahen empor. Der
Diaconus stand zwischen ihnen mit leuchtendem
Antlitz und hielt seine Hände segnend auf ihren
Scheiteln. Er war zufällig aus der Sakristei noch
einmal in die Kirche getreten und hatte mit gerühr-
tem Erstaunen die Verlobung gesehen, die hier
abseitig der Hochzeit und im Angesichte Gottes zu
Stande gekommen war. Auch er redete nicht, aber
seine Augen sprachen. Er zog den Jüngling und
das Mädchen an seine Brust und drückte seine
Lieblinge herzlich an sich.

Dann ging er mit dem Paare, es führend, in
die Sakristei, um es von dort zu entlassen. So
gingen die Drei aus der kleinen, stillen, hellen
Dorfkirche.



Endlich verſtummte dieſes Rufen und ſie legten
das Geſicht ſchweigend an das Altartuch. Mit
dem Arme aber umſchlang Eines des Andern
Nacken, die Wangen glühten, eine an der andern,
und die Finger ſpielten ſanft in den Locken. Es
war keine Unruhe mehr in den Herzen; ſie ſchlu-
gen ſtill und gleichmäßig.

So knieten die Beiden eine Zeit lang vereinigt
lautlos im Heiligthume. Plötzlich fühlten ſie ihre
Häupter leiſe angerührt und ſahen empor. Der
Diaconus ſtand zwiſchen ihnen mit leuchtendem
Antlitz und hielt ſeine Hände ſegnend auf ihren
Scheiteln. Er war zufällig aus der Sakriſtei noch
einmal in die Kirche getreten und hatte mit gerühr-
tem Erſtaunen die Verlobung geſehen, die hier
abſeitig der Hochzeit und im Angeſichte Gottes zu
Stande gekommen war. Auch er redete nicht, aber
ſeine Augen ſprachen. Er zog den Jüngling und
das Mädchen an ſeine Bruſt und drückte ſeine
Lieblinge herzlich an ſich.

Dann ging er mit dem Paare, es führend, in
die Sakriſtei, um es von dort zu entlaſſen. So
gingen die Drei aus der kleinen, ſtillen, hellen
Dorfkirche.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0092" n="78"/>
          <p>Endlich ver&#x017F;tummte die&#x017F;es Rufen und &#x017F;ie legten<lb/>
das Ge&#x017F;icht &#x017F;chweigend an das Altartuch. Mit<lb/>
dem Arme aber um&#x017F;chlang Eines des Andern<lb/>
Nacken, die Wangen glühten, eine an der andern,<lb/>
und die Finger &#x017F;pielten &#x017F;anft in den Locken. Es<lb/>
war keine Unruhe mehr in den Herzen; &#x017F;ie &#x017F;chlu-<lb/>
gen &#x017F;till und gleichmäßig.</p><lb/>
          <p>So knieten die Beiden eine Zeit lang vereinigt<lb/>
lautlos im Heiligthume. Plötzlich fühlten &#x017F;ie ihre<lb/>
Häupter lei&#x017F;e angerührt und &#x017F;ahen empor. Der<lb/>
Diaconus &#x017F;tand zwi&#x017F;chen ihnen mit leuchtendem<lb/>
Antlitz und hielt &#x017F;eine Hände &#x017F;egnend auf ihren<lb/>
Scheiteln. Er war zufällig aus der Sakri&#x017F;tei noch<lb/>
einmal in die Kirche getreten und hatte mit gerühr-<lb/>
tem Er&#x017F;taunen die Verlobung ge&#x017F;ehen, die hier<lb/>
ab&#x017F;eitig der Hochzeit und im Ange&#x017F;ichte Gottes zu<lb/>
Stande gekommen war. Auch er redete nicht, aber<lb/>
&#x017F;eine Augen &#x017F;prachen. Er zog den Jüngling und<lb/>
das Mädchen an &#x017F;eine Bru&#x017F;t und drückte &#x017F;eine<lb/>
Lieblinge herzlich an &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Dann ging er mit dem Paare, es führend, in<lb/>
die Sakri&#x017F;tei, um es von dort zu entla&#x017F;&#x017F;en. So<lb/>
gingen die Drei aus der kleinen, &#x017F;tillen, hellen<lb/>
Dorfkirche.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0092] Endlich verſtummte dieſes Rufen und ſie legten das Geſicht ſchweigend an das Altartuch. Mit dem Arme aber umſchlang Eines des Andern Nacken, die Wangen glühten, eine an der andern, und die Finger ſpielten ſanft in den Locken. Es war keine Unruhe mehr in den Herzen; ſie ſchlu- gen ſtill und gleichmäßig. So knieten die Beiden eine Zeit lang vereinigt lautlos im Heiligthume. Plötzlich fühlten ſie ihre Häupter leiſe angerührt und ſahen empor. Der Diaconus ſtand zwiſchen ihnen mit leuchtendem Antlitz und hielt ſeine Hände ſegnend auf ihren Scheiteln. Er war zufällig aus der Sakriſtei noch einmal in die Kirche getreten und hatte mit gerühr- tem Erſtaunen die Verlobung geſehen, die hier abſeitig der Hochzeit und im Angeſichte Gottes zu Stande gekommen war. Auch er redete nicht, aber ſeine Augen ſprachen. Er zog den Jüngling und das Mädchen an ſeine Bruſt und drückte ſeine Lieblinge herzlich an ſich. Dann ging er mit dem Paare, es führend, in die Sakriſtei, um es von dort zu entlaſſen. So gingen die Drei aus der kleinen, ſtillen, hellen Dorfkirche.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/92
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/92>, abgerufen am 27.04.2024.