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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
§. 88.
Beschränkung der Gültigkeit des moralischen
Beweises
.

Die reine Vernunft, als practisches Vermögen,
d. i. als Vermögen den freyen Gebrauch unserer Caussa-
lität durch Jdeen (reine Vernunftbegriffe) zu bestimmen,
enthält nicht allein im moralischen Gesetze ein regula-
tives Princip unserer Handlungen sondern giebt auch
dadurch zugleich ein subjectiv-constitutives, in dem
Begriffe eines Obiects, welches nur Vernunft denken
kann, an die Hand, das durch unsere Handlungen
in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht wer-
den soll. Die Jdee eines Endzwecks im Gebrauche
der Freyheit nach moralischen Gesetzen hat also sub-
jectiv-practische Realität. Wir sind a priori durch
die Vernunft bestimmt das Weltbeste, welches in der
Verbindung des größten Wohls der vernünftigen Welt-
wesen mit der höchsten Bedingung des Guten an
demselben, d. i. der allgemeinen Glückseeligkeit, mit
der gesetzmäßigsten Sittlichkeit, besteht, nach allen
Kräften zu befördern. Jn diesem Endzwecke ist die
Möglichkeit des einen Theils, nämlich der Glückseligkeit
empirisch bedingt, d. i. von der Beschaffenheit der Na-
tur, (ob sie zu diesem Zwecke übereinstimme oder nicht)
abhängig und in theoretischer Rücksicht problematisch,
indessen daß der andere Theil, nämlich die Sittlichkeit,

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 88.
Beſchraͤnkung der Guͤltigkeit des moraliſchen
Beweiſes
.

Die reine Vernunft, als practiſches Vermoͤgen,
d. i. als Vermoͤgen den freyen Gebrauch unſerer Cauſſa-
litaͤt durch Jdeen (reine Vernunftbegriffe) zu beſtimmen,
enthaͤlt nicht allein im moraliſchen Geſetze ein regula-
tives Princip unſerer Handlungen ſondern giebt auch
dadurch zugleich ein ſubjectiv-conſtitutives, in dem
Begriffe eines Obiects, welches nur Vernunft denken
kann, an die Hand, das durch unſere Handlungen
in der Welt nach jenem Geſetze wirklich gemacht wer-
den ſoll. Die Jdee eines Endzwecks im Gebrauche
der Freyheit nach moraliſchen Geſetzen hat alſo ſub-
jectiv-practiſche Realitaͤt. Wir ſind a priori durch
die Vernunft beſtimmt das Weltbeſte, welches in der
Verbindung des groͤßten Wohls der vernuͤnftigen Welt-
weſen mit der hoͤchſten Bedingung des Guten an
demſelben, d. i. der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit, mit
der geſetzmaͤßigſten Sittlichkeit, beſteht, nach allen
Kraͤften zu befoͤrdern. Jn dieſem Endzwecke iſt die
Moͤglichkeit des einen Theils, naͤmlich der Gluͤckſeligkeit
empiriſch bedingt, d. i. von der Beſchaffenheit der Na-
tur, (ob ſie zu dieſem Zwecke uͤbereinſtimme oder nicht)
abhaͤngig und in theoretiſcher Ruͤckſicht problematiſch,
indeſſen daß der andere Theil, naͤmlich die Sittlichkeit,

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[424/0488] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. §. 88. Beſchraͤnkung der Guͤltigkeit des moraliſchen Beweiſes. Die reine Vernunft, als practiſches Vermoͤgen, d. i. als Vermoͤgen den freyen Gebrauch unſerer Cauſſa- litaͤt durch Jdeen (reine Vernunftbegriffe) zu beſtimmen, enthaͤlt nicht allein im moraliſchen Geſetze ein regula- tives Princip unſerer Handlungen ſondern giebt auch dadurch zugleich ein ſubjectiv-conſtitutives, in dem Begriffe eines Obiects, welches nur Vernunft denken kann, an die Hand, das durch unſere Handlungen in der Welt nach jenem Geſetze wirklich gemacht wer- den ſoll. Die Jdee eines Endzwecks im Gebrauche der Freyheit nach moraliſchen Geſetzen hat alſo ſub- jectiv-practiſche Realitaͤt. Wir ſind a priori durch die Vernunft beſtimmt das Weltbeſte, welches in der Verbindung des groͤßten Wohls der vernuͤnftigen Welt- weſen mit der hoͤchſten Bedingung des Guten an demſelben, d. i. der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit, mit der geſetzmaͤßigſten Sittlichkeit, beſteht, nach allen Kraͤften zu befoͤrdern. Jn dieſem Endzwecke iſt die Moͤglichkeit des einen Theils, naͤmlich der Gluͤckſeligkeit empiriſch bedingt, d. i. von der Beſchaffenheit der Na- tur, (ob ſie zu dieſem Zwecke uͤbereinſtimme oder nicht) abhaͤngig und in theoretiſcher Ruͤckſicht problematiſch, indeſſen daß der andere Theil, naͤmlich die Sittlichkeit,

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/488>, abgerufen am 26.04.2024.