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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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Sie wird nie den Namen Mutter hören, und
als ein unschuldiges Opfer der Sünden ihres
schändlichen Gatten dahin welken, und ihr
klägliches freudenleeres Leben enden. Was hatte
sie verbrochen, daß sie so leiden muste? Aber
wehe dem, der Schöpfer dieser Leiden war -- sie
werden ihn einst anklagen, und wider ihn zeugen!

O Jünglinge und Mädchen meines Zeit-
alters!
seht, das sind die traurigen Szenen
der Wollust, die euch allenthalben aufstossen,
so löscht diese Megäre, Schönheit, Reiz und
Jugend aus, und erzeugt Krankheit, Gram,
ja selbst den Tod in der Blüte der Jahre. Für
euch hab ich diese Szenen entworfen -- sie
stehen euch ja immer vor Augen -- aufgedekt
sind sie, und ihr habt immer die Wahl zwi-
schen Segen und Fluch; o verlaßt den breiten
Pfad des Lasters, und betretet die enge Bahn der
Tugend. Jhr werdet Mühe haben, euch durch
die Dornen zu winden, die eure Fersen verwun-
den, aber eure Mühe wird auch hienieden, und
jenseits mit Wucher belont werden. Jhr werdet
zu kämpfen haben, mit Natur in euch selbst --
mit jenen Leidenschaften, so in eurem Busen
lodern: aber wie rühmlich ist es, den Feind be-

P 2

Sie wird nie den Namen Mutter hoͤren, und
als ein unſchuldiges Opfer der Suͤnden ihres
ſchaͤndlichen Gatten dahin welken, und ihr
klaͤgliches freudenleeres Leben enden. Was hatte
ſie verbrochen, daß ſie ſo leiden muſte? Aber
wehe dem, der Schoͤpfer dieſer Leiden war — ſie
werden ihn einſt anklagen, und wider ihn zeugen!

O Juͤnglinge und Maͤdchen meines Zeit-
alters!
ſeht, das ſind die traurigen Szenen
der Wolluſt, die euch allenthalben aufſtoſſen,
ſo loͤſcht dieſe Megaͤre, Schoͤnheit, Reiz und
Jugend aus, und erzeugt Krankheit, Gram,
ja ſelbſt den Tod in der Bluͤte der Jahre. Fuͤr
euch hab ich dieſe Szenen entworfen — ſie
ſtehen euch ja immer vor Augen — aufgedekt
ſind ſie, und ihr habt immer die Wahl zwi-
ſchen Segen und Fluch; o verlaßt den breiten
Pfad des Laſters, und betretet die enge Bahn der
Tugend. Jhr werdet Muͤhe haben, euch durch
die Dornen zu winden, die eure Ferſen verwun-
den, aber eure Muͤhe wird auch hienieden, und
jenſeits mit Wucher belont werden. Jhr werdet
zu kaͤmpfen haben, mit Natur in euch ſelbſt —
mit jenen Leidenſchaften, ſo in eurem Buſen
lodern: aber wie ruͤhmlich iſt es, den Feind be-

P 2
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[227/0235] Sie wird nie den Namen Mutter hoͤren, und als ein unſchuldiges Opfer der Suͤnden ihres ſchaͤndlichen Gatten dahin welken, und ihr klaͤgliches freudenleeres Leben enden. Was hatte ſie verbrochen, daß ſie ſo leiden muſte? Aber wehe dem, der Schoͤpfer dieſer Leiden war — ſie werden ihn einſt anklagen, und wider ihn zeugen! O Juͤnglinge und Maͤdchen meines Zeit- alters! ſeht, das ſind die traurigen Szenen der Wolluſt, die euch allenthalben aufſtoſſen, ſo loͤſcht dieſe Megaͤre, Schoͤnheit, Reiz und Jugend aus, und erzeugt Krankheit, Gram, ja ſelbſt den Tod in der Bluͤte der Jahre. Fuͤr euch hab ich dieſe Szenen entworfen — ſie ſtehen euch ja immer vor Augen — aufgedekt ſind ſie, und ihr habt immer die Wahl zwi- ſchen Segen und Fluch; o verlaßt den breiten Pfad des Laſters, und betretet die enge Bahn der Tugend. Jhr werdet Muͤhe haben, euch durch die Dornen zu winden, die eure Ferſen verwun- den, aber eure Muͤhe wird auch hienieden, und jenſeits mit Wucher belont werden. Jhr werdet zu kaͤmpfen haben, mit Natur in euch ſelbſt — mit jenen Leidenſchaften, ſo in eurem Buſen lodern: aber wie ruͤhmlich iſt es, den Feind be- P 2

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/235>, abgerufen am 26.04.2024.