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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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XII. Hauptstück.
werden könne, von der aufrechten Lage am wenigsten
weiche etc. Bey den Windmühlen kömmt ebenfalls
die Frage vor, die Figur und schiefe Lage der Flügel
dergestalt zu bestimmen, daß sie sich von dem Winde
am leichtesten umtreiben lassen. So ist auch in
der Baukunst die Frage, aus einem runden Stamme
Holzes einen Balken zu schneiden, der die größte
Last tragen möge. Jn andern Fällen richtet sich
die Sache von selbst nach und nach in Behar-
rungsstand.
So z. E. wenn die Frage ist, die
Figur einer Pflugschaar dergestalt zu bestimmen, daß
sie am leichtesten durchgehe, so kann man eine aus-
gebrauchte zum Muster nehmen, und der neuen eben
die Figur geben. Denn giebt man derselben eine
andere Figur, so reibt sich das herfürragende in dem
Erdreiche bald ab, weil es den meisten Widerstand
findet, und es ist daher so viel, als wenn es nicht
da gewesen wäre, und folglich hätte es gleich anfangs
wegbleiben können.

§. 363.

Jn zusammengesetzten Fällen, wo nämlich mehrere
Maxima zugleich müssen erreicht, oder mehrere Mit-
tel und Absichten zusammengerichtet werden, geht es
nicht immer so leicht an, dieses am schicklichsten zu er-
reichen. Man sieht leicht, daß dabey das Einfachste,
das Kürzeste und das Unmittelbarste zugleich muß
gesucht werden. Wie man aber jedesmal solche Ab-
kürzungen finden könne, dazu gehöret schon einige
Theorie, und wir haben das Allgemeine davon oben
(§. 16.) unter die Vorzüge und Erfordernisse der wis-
senschaftlichen Erkenntniß gerechnet. Wir werden
im Folgenden Anlässe haben, das, was hievon zur
Grundlehre gehöret, umständlicher anzubringen, hier
aber nur so viel anführen, als zur fernern Aufklärung

des

XII. Hauptſtuͤck.
werden koͤnne, von der aufrechten Lage am wenigſten
weiche ꝛc. Bey den Windmuͤhlen koͤmmt ebenfalls
die Frage vor, die Figur und ſchiefe Lage der Fluͤgel
dergeſtalt zu beſtimmen, daß ſie ſich von dem Winde
am leichteſten umtreiben laſſen. So iſt auch in
der Baukunſt die Frage, aus einem runden Stamme
Holzes einen Balken zu ſchneiden, der die groͤßte
Laſt tragen moͤge. Jn andern Faͤllen richtet ſich
die Sache von ſelbſt nach und nach in Behar-
rungsſtand.
So z. E. wenn die Frage iſt, die
Figur einer Pflugſchaar dergeſtalt zu beſtimmen, daß
ſie am leichteſten durchgehe, ſo kann man eine aus-
gebrauchte zum Muſter nehmen, und der neuen eben
die Figur geben. Denn giebt man derſelben eine
andere Figur, ſo reibt ſich das herfuͤrragende in dem
Erdreiche bald ab, weil es den meiſten Widerſtand
findet, und es iſt daher ſo viel, als wenn es nicht
da geweſen waͤre, und folglich haͤtte es gleich anfangs
wegbleiben koͤnnen.

§. 363.

Jn zuſammengeſetzten Faͤllen, wo naͤmlich mehrere
Maxima zugleich muͤſſen erreicht, oder mehrere Mit-
tel und Abſichten zuſammengerichtet werden, geht es
nicht immer ſo leicht an, dieſes am ſchicklichſten zu er-
reichen. Man ſieht leicht, daß dabey das Einfachſte,
das Kuͤrzeſte und das Unmittelbarſte zugleich muß
geſucht werden. Wie man aber jedesmal ſolche Ab-
kuͤrzungen finden koͤnne, dazu gehoͤret ſchon einige
Theorie, und wir haben das Allgemeine davon oben
(§. 16.) unter die Vorzuͤge und Erforderniſſe der wiſ-
ſenſchaftlichen Erkenntniß gerechnet. Wir werden
im Folgenden Anlaͤſſe haben, das, was hievon zur
Grundlehre gehoͤret, umſtaͤndlicher anzubringen, hier
aber nur ſo viel anfuͤhren, als zur fernern Aufklaͤrung

des
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[354/0390] XII. Hauptſtuͤck. werden koͤnne, von der aufrechten Lage am wenigſten weiche ꝛc. Bey den Windmuͤhlen koͤmmt ebenfalls die Frage vor, die Figur und ſchiefe Lage der Fluͤgel dergeſtalt zu beſtimmen, daß ſie ſich von dem Winde am leichteſten umtreiben laſſen. So iſt auch in der Baukunſt die Frage, aus einem runden Stamme Holzes einen Balken zu ſchneiden, der die groͤßte Laſt tragen moͤge. Jn andern Faͤllen richtet ſich die Sache von ſelbſt nach und nach in Behar- rungsſtand. So z. E. wenn die Frage iſt, die Figur einer Pflugſchaar dergeſtalt zu beſtimmen, daß ſie am leichteſten durchgehe, ſo kann man eine aus- gebrauchte zum Muſter nehmen, und der neuen eben die Figur geben. Denn giebt man derſelben eine andere Figur, ſo reibt ſich das herfuͤrragende in dem Erdreiche bald ab, weil es den meiſten Widerſtand findet, und es iſt daher ſo viel, als wenn es nicht da geweſen waͤre, und folglich haͤtte es gleich anfangs wegbleiben koͤnnen. §. 363. Jn zuſammengeſetzten Faͤllen, wo naͤmlich mehrere Maxima zugleich muͤſſen erreicht, oder mehrere Mit- tel und Abſichten zuſammengerichtet werden, geht es nicht immer ſo leicht an, dieſes am ſchicklichſten zu er- reichen. Man ſieht leicht, daß dabey das Einfachſte, das Kuͤrzeſte und das Unmittelbarſte zugleich muß geſucht werden. Wie man aber jedesmal ſolche Ab- kuͤrzungen finden koͤnne, dazu gehoͤret ſchon einige Theorie, und wir haben das Allgemeine davon oben (§. 16.) unter die Vorzuͤge und Erforderniſſe der wiſ- ſenſchaftlichen Erkenntniß gerechnet. Wir werden im Folgenden Anlaͤſſe haben, das, was hievon zur Grundlehre gehoͤret, umſtaͤndlicher anzubringen, hier aber nur ſo viel anfuͤhren, als zur fernern Aufklaͤrung des

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/390>, abgerufen am 26.04.2024.