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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.

5. Den ungehemmten und uneingeschränkten Verkehr mit dem
eigenen Staat
(durch chiffrierte Depeschen, Feldjäger und andere
Boten).

6. Ob das Staatsoberhaupt während des Aufenthaltes im Aus-
land Regierungsgeschäfte vornehmen kann, hängt lediglich von
der Verfassung seines Staates ab; völkerrechtliche Hindernisse stehen
nicht im Wege. Dasselbe gilt von der Ausübung der Gerichts-
barkeit
über sein Gefolge; die in dieser Beziehung vielfach auf-
gestellten Einschränkungen haben nur dann Bedeutung, wenn man
an die hier überhaupt nicht in Frage stehenden Häupter uncivili-
sierter oder halbcivilisierter Staaten denkt.

7. Wenn das Haupt eines Staates in die Dienste eines
fremden Staates
tritt, so ist es in allen Rechtsbeziehungen,
welche diese Stellung mit sich bringt, der Staatsgewalt des dienst-
herrlichen Staates unterworfen. Dass eine solche Zwitterstellung
zu verschiedenen Unzuträglichkeiten führen kann, ist zweifellos;
aber ebenso sicher, dass sie wiederholt vorgekommen ist und noch
immer vorkommen kann. Die von dem Reichskanzler v. Caprivi
im Deutschen Reichstag am 5. Februar 1894 aufgestellte Behauptung,
dass ein deutscher Landesherr nicht zugleich Unterthan einer fremden
Macht sein könne, wird durch die Geschichte widerlegt, die zahl-
reiche Monarchen im österreichischen und preussischen Militärdienst
gesehen hat.

Vgl. R. G. I 154.

§ 13. Das Auswärtige Amt und die völkerrechtlichen
Agenten im allgemeinen.
I.

Der Verkehr des Staates mit den übrigen Staaten wird geleitet
durch das Auswärtige Amt.

Der an dessen Spitze stehende Minister oder Staatssekretär
der auswärtigen Angelegenheiten gilt nach aussen hin auch ohne
besondere Vollmacht als der unmittelbar Beauftragte des Staatsober-
hauptes, mithin als Vertreter der Staatsgewalt. Seine Erklärungen
binden den von ihm vertretenen Staat.


II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.

5. Den ungehemmten und uneingeschränkten Verkehr mit dem
eigenen Staat
(durch chiffrierte Depeschen, Feldjäger und andere
Boten).

6. Ob das Staatsoberhaupt während des Aufenthaltes im Aus-
land Regierungsgeschäfte vornehmen kann, hängt lediglich von
der Verfassung seines Staates ab; völkerrechtliche Hindernisse stehen
nicht im Wege. Dasselbe gilt von der Ausübung der Gerichts-
barkeit
über sein Gefolge; die in dieser Beziehung vielfach auf-
gestellten Einschränkungen haben nur dann Bedeutung, wenn man
an die hier überhaupt nicht in Frage stehenden Häupter uncivili-
sierter oder halbcivilisierter Staaten denkt.

7. Wenn das Haupt eines Staates in die Dienste eines
fremden Staates
tritt, so ist es in allen Rechtsbeziehungen,
welche diese Stellung mit sich bringt, der Staatsgewalt des dienst-
herrlichen Staates unterworfen. Daſs eine solche Zwitterstellung
zu verschiedenen Unzuträglichkeiten führen kann, ist zweifellos;
aber ebenso sicher, daſs sie wiederholt vorgekommen ist und noch
immer vorkommen kann. Die von dem Reichskanzler v. Caprivi
im Deutschen Reichstag am 5. Februar 1894 aufgestellte Behauptung,
daſs ein deutscher Landesherr nicht zugleich Unterthan einer fremden
Macht sein könne, wird durch die Geschichte widerlegt, die zahl-
reiche Monarchen im österreichischen und preuſsischen Militärdienst
gesehen hat.

Vgl. R. G. I 154.

§ 13. Das Auswärtige Amt und die völkerrechtlichen
Agenten im allgemeinen.
I.

Der Verkehr des Staates mit den übrigen Staaten wird geleitet
durch das Auswärtige Amt.

Der an dessen Spitze stehende Minister oder Staatssekretär
der auswärtigen Angelegenheiten gilt nach auſsen hin auch ohne
besondere Vollmacht als der unmittelbar Beauftragte des Staatsober-
hauptes, mithin als Vertreter der Staatsgewalt. Seine Erklärungen
binden den von ihm vertretenen Staat.


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[70/0092] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. 5. Den ungehemmten und uneingeschränkten Verkehr mit dem eigenen Staat (durch chiffrierte Depeschen, Feldjäger und andere Boten). 6. Ob das Staatsoberhaupt während des Aufenthaltes im Aus- land Regierungsgeschäfte vornehmen kann, hängt lediglich von der Verfassung seines Staates ab; völkerrechtliche Hindernisse stehen nicht im Wege. Dasselbe gilt von der Ausübung der Gerichts- barkeit über sein Gefolge; die in dieser Beziehung vielfach auf- gestellten Einschränkungen haben nur dann Bedeutung, wenn man an die hier überhaupt nicht in Frage stehenden Häupter uncivili- sierter oder halbcivilisierter Staaten denkt. 7. Wenn das Haupt eines Staates in die Dienste eines fremden Staates tritt, so ist es in allen Rechtsbeziehungen, welche diese Stellung mit sich bringt, der Staatsgewalt des dienst- herrlichen Staates unterworfen. Daſs eine solche Zwitterstellung zu verschiedenen Unzuträglichkeiten führen kann, ist zweifellos; aber ebenso sicher, daſs sie wiederholt vorgekommen ist und noch immer vorkommen kann. Die von dem Reichskanzler v. Caprivi im Deutschen Reichstag am 5. Februar 1894 aufgestellte Behauptung, daſs ein deutscher Landesherr nicht zugleich Unterthan einer fremden Macht sein könne, wird durch die Geschichte widerlegt, die zahl- reiche Monarchen im österreichischen und preuſsischen Militärdienst gesehen hat. Vgl. R. G. I 154. § 13. Das Auswärtige Amt und die völkerrechtlichen Agenten im allgemeinen. I. Der Verkehr des Staates mit den übrigen Staaten wird geleitet durch das Auswärtige Amt. Der an dessen Spitze stehende Minister oder Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten gilt nach auſsen hin auch ohne besondere Vollmacht als der unmittelbar Beauftragte des Staatsober- hauptes, mithin als Vertreter der Staatsgewalt. Seine Erklärungen binden den von ihm vertretenen Staat.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/92>, abgerufen am 26.04.2024.