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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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jochten Völkern zurückließ, welches den Hauptstoff
der Geschichte ausmacht, seitdem die Menschen
anfingen, ihre Begebenheiten aufzuzeichnen.

Wie die Götter lebten die Menschen damals,
als noch Freiheit und Gleichheit herrschte, in Si-
cherheit, ohne Mühe und Sorgen; und von den
Beschwerlichkeiten des Alters unbedrückt. Die
Erde trug ihnen Früchte, ohne mühsam bebaut zu
werden; unwissend was Krankheit war, starben
sie, wie von sanftem Schlummer übermannt;
und wenn der Schooß der Erde ihren Staub auf-
nahm, so wurden die Seelen der Abgeschiedenen,
in leichte Luft gehüllt, die Schutzgeister der Ueber-
lebenden.

So schildern die Dichter jene goldnen Zeiten,
worauf die Phantasie, von den geräuschvollen
Scenen der geschäftigen Welt ermüdet, so gern
verweilt. -- Nachher aber wurden die Sterbli-
chen die Mühebeladensten unter allen Geschöpfen,
und die Dichter schildern die Arbeit und Beschwer-
den des kummervollen Lebens der Menschen immer
im Gegensatz gegen den sorgenfreien Zustand der
seeligen Götter.

Um die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des
Lebens zu bezeichnen, wurde zum dankbaren An-
denken des Prometheus in Athen ein schönes Fest
gefeiert; ihm war nemlich in einiger Entfernung

jochten Voͤlkern zuruͤckließ, welches den Hauptſtoff
der Geſchichte ausmacht, ſeitdem die Menſchen
anfingen, ihre Begebenheiten aufzuzeichnen.

Wie die Goͤtter lebten die Menſchen damals,
als noch Freiheit und Gleichheit herrſchte, in Si-
cherheit, ohne Muͤhe und Sorgen; und von den
Beſchwerlichkeiten des Alters unbedruͤckt. Die
Erde trug ihnen Fruͤchte, ohne muͤhſam bebaut zu
werden; unwiſſend was Krankheit war, ſtarben
ſie, wie von ſanftem Schlummer uͤbermannt;
und wenn der Schooß der Erde ihren Staub auf-
nahm, ſo wurden die Seelen der Abgeſchiedenen,
in leichte Luft gehuͤllt, die Schutzgeiſter der Ueber-
lebenden.

So ſchildern die Dichter jene goldnen Zeiten,
worauf die Phantaſie, von den geraͤuſchvollen
Scenen der geſchaͤftigen Welt ermuͤdet, ſo gern
verweilt. — Nachher aber wurden die Sterbli-
chen die Muͤhebeladenſten unter allen Geſchoͤpfen,
und die Dichter ſchildern die Arbeit und Beſchwer-
den des kummervollen Lebens der Menſchen immer
im Gegenſatz gegen den ſorgenfreien Zuſtand der
ſeeligen Goͤtter.

Um die Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit des
Lebens zu bezeichnen, wurde zum dankbaren An-
denken des Prometheus in Athen ein ſchoͤnes Feſt
gefeiert; ihm war nemlich in einiger Entfernung

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[42/0064] jochten Voͤlkern zuruͤckließ, welches den Hauptſtoff der Geſchichte ausmacht, ſeitdem die Menſchen anfingen, ihre Begebenheiten aufzuzeichnen. Wie die Goͤtter lebten die Menſchen damals, als noch Freiheit und Gleichheit herrſchte, in Si- cherheit, ohne Muͤhe und Sorgen; und von den Beſchwerlichkeiten des Alters unbedruͤckt. Die Erde trug ihnen Fruͤchte, ohne muͤhſam bebaut zu werden; unwiſſend was Krankheit war, ſtarben ſie, wie von ſanftem Schlummer uͤbermannt; und wenn der Schooß der Erde ihren Staub auf- nahm, ſo wurden die Seelen der Abgeſchiedenen, in leichte Luft gehuͤllt, die Schutzgeiſter der Ueber- lebenden. So ſchildern die Dichter jene goldnen Zeiten, worauf die Phantaſie, von den geraͤuſchvollen Scenen der geſchaͤftigen Welt ermuͤdet, ſo gern verweilt. — Nachher aber wurden die Sterbli- chen die Muͤhebeladenſten unter allen Geſchoͤpfen, und die Dichter ſchildern die Arbeit und Beſchwer- den des kummervollen Lebens der Menſchen immer im Gegenſatz gegen den ſorgenfreien Zuſtand der ſeeligen Goͤtter. Um die Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit des Lebens zu bezeichnen, wurde zum dankbaren An- denken des Prometheus in Athen ein ſchoͤnes Feſt gefeiert; ihm war nemlich in einiger Entfernung

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/64>, abgerufen am 26.04.2024.