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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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subjectiven dunkeln oder lichten Sehfeld der Sehsinnsub-
stanz.

77.

Die Phantasie plastisch wirkend ist daher, auch ohne
leuchtendes Hervortreten ihrer Bilder, doch schon, in wie
fern sie Formen begrenzt, in der alleinigen Formentafel,
dem dunkeln oder lichten Sehfeld thätig.

Höchst bedeutungsvoll heißt es daher in den Wahlver-
wandschaften Cap. 3. in Ottiliens Tagebuche: "Man mag
sich denken, wie man will, man denkt sich immer sehend.
Es könnte wohl seyn, daß das innere Licht einmal aus
uns herausträte, so daß wir keines andern bedürften."



II. Das plastische Einbilden im dunkeln
oder lichten Sehfeld aus unvollkom-
menen Sinneseindrücken productiv
.
78.

Selbst im durchaus dunkeln Raume, d. h. bei absoluter
Ruhe der Sehsinnsubstanz sehen wir die vorgestellten For-
men mit einer schreckenden Lebendigkeit, ohne daß sie doch
durch irgend eine Erhellung von dem übrigen Dunkel sich
auszeichnen. Wenn sich das Dunkel schon in sich selbst
durch das Einbilden der Phantasie in die Sehsinnsubstanz zu
Formen gestaltet, so darf es uns nicht wundern, wenn auch
am lichten Tag bei einiger Lebhaftigkeit der Phantasie die
unvollkommenste Begrenzung im subjectiven Sehfeld durch

ſubjectiven dunkeln oder lichten Sehfeld der Sehſinnſub-
ſtanz.

77.

Die Phantaſie plaſtiſch wirkend iſt daher, auch ohne
leuchtendes Hervortreten ihrer Bilder, doch ſchon, in wie
fern ſie Formen begrenzt, in der alleinigen Formentafel,
dem dunkeln oder lichten Sehfeld thaͤtig.

Hoͤchſt bedeutungsvoll heißt es daher in den Wahlver-
wandſchaften Cap. 3. in Ottiliens Tagebuche: »Man mag
ſich denken, wie man will, man denkt ſich immer ſehend.
Es koͤnnte wohl ſeyn, daß das innere Licht einmal aus
uns heraustraͤte, ſo daß wir keines andern beduͤrften.«



II. Das plaſtiſche Einbilden im dunkeln
oder lichten Sehfeld aus unvollkom-
menen Sinneseindruͤcken productiv
.
78.

Selbſt im durchaus dunkeln Raume, d. h. bei abſoluter
Ruhe der Sehſinnſubſtanz ſehen wir die vorgeſtellten For-
men mit einer ſchreckenden Lebendigkeit, ohne daß ſie doch
durch irgend eine Erhellung von dem uͤbrigen Dunkel ſich
auszeichnen. Wenn ſich das Dunkel ſchon in ſich ſelbſt
durch das Einbilden der Phantaſie in die Sehſinnſubſtanz zu
Formen geſtaltet, ſo darf es uns nicht wundern, wenn auch
am lichten Tag bei einiger Lebhaftigkeit der Phantaſie die
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[44/0060] ſubjectiven dunkeln oder lichten Sehfeld der Sehſinnſub- ſtanz. 77. Die Phantaſie plaſtiſch wirkend iſt daher, auch ohne leuchtendes Hervortreten ihrer Bilder, doch ſchon, in wie fern ſie Formen begrenzt, in der alleinigen Formentafel, dem dunkeln oder lichten Sehfeld thaͤtig. Hoͤchſt bedeutungsvoll heißt es daher in den Wahlver- wandſchaften Cap. 3. in Ottiliens Tagebuche: »Man mag ſich denken, wie man will, man denkt ſich immer ſehend. Es koͤnnte wohl ſeyn, daß das innere Licht einmal aus uns heraustraͤte, ſo daß wir keines andern beduͤrften.« II. Das plaſtiſche Einbilden im dunkeln oder lichten Sehfeld aus unvollkom- menen Sinneseindruͤcken productiv. 78. Selbſt im durchaus dunkeln Raume, d. h. bei abſoluter Ruhe der Sehſinnſubſtanz ſehen wir die vorgeſtellten For- men mit einer ſchreckenden Lebendigkeit, ohne daß ſie doch durch irgend eine Erhellung von dem uͤbrigen Dunkel ſich auszeichnen. Wenn ſich das Dunkel ſchon in ſich ſelbſt durch das Einbilden der Phantaſie in die Sehſinnſubſtanz zu Formen geſtaltet, ſo darf es uns nicht wundern, wenn auch am lichten Tag bei einiger Lebhaftigkeit der Phantaſie die unvollkommenſte Begrenzung im ſubjectiven Sehfeld durch

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/60>, abgerufen am 26.04.2024.