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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Vergleich mit der Volksmenge des ganzen Peloponnes;
und dann eroberten diese Stämme mit dem Lande auch
die Leute, und gründeten auf den Besitz beider eine un-
abhängige Existenz: so daß eigentlich bei allem Wechsel
der Beherrscher die Masse des Volks im Alterthum die-
selbe geblieben ist. Durch diese Usurpationen aber trat
der ackerbauende und viehzuchttreibende Stand in eine
beständige Abhängigkeit und darum in Dunkelheit zurück,
so daß auch von dem, was sein Geschäft war, der
Landescultur, nur selten die Rede ist. Indessen wurde
der Ackerbau stets mit großem Eifer betrieben. Denn
so bevölkert der Peloponnes auch in der Zeit des Pelo-
ponnesischen Krieges war, so brachte er doch mehr Korn
hervor als er bedurfte, und es ging von Lakonien und
Arkadien eine beständige Ausfuhr nach der Küste von
Korinth hinab 1.

8.

Wie groß eigentlich die Anzahl der Dorier war,
welche in den Peloponnes einwanderte, ist etwa so zu
bestimmen. In der blühenden Zeit der Dorischen Macht
gegen die Zeit des Perserkriegs hatte Sparta, welches
Messenien sich angeeignet, 8000 Familien, Argos über
6000, in Sikyon, Korinth, Phlius, Epidauros, Aegi-
na waren die Dorier sparsamer, bei mehr oligarchischen
Verhältnissen; und wenn in den Colonieen bei hinläng-
lichem Raum zur Ausbreitung und durch die Strenge der
Gesetze minder beschränkt, die Zahl der Einwohner sich
schnell vermehrte, so war doch die Zahl der ursprüngli-
chen Coloniegründer, so viel davon Dorier, sehr klein.
Da nun aber auch wieder in den schon geordneten Staa-
ten des Peloponnes die Zahl der Einwohner, besonders
der Dorischen, aus manchen Grüuden nie bedeutend zu-
nahm, so dürfen wir auch schon zur Zeit der Einwan-

1 Thuk. 1, 120. katakomide ton oraion.

Vergleich mit der Volksmenge des ganzen Peloponnes;
und dann eroberten dieſe Staͤmme mit dem Lande auch
die Leute, und gruͤndeten auf den Beſitz beider eine un-
abhaͤngige Exiſtenz: ſo daß eigentlich bei allem Wechſel
der Beherrſcher die Maſſe des Volks im Alterthum die-
ſelbe geblieben iſt. Durch dieſe Uſurpationen aber trat
der ackerbauende und viehzuchttreibende Stand in eine
beſtaͤndige Abhaͤngigkeit und darum in Dunkelheit zuruͤck,
ſo daß auch von dem, was ſein Geſchaͤft war, der
Landescultur, nur ſelten die Rede iſt. Indeſſen wurde
der Ackerbau ſtets mit großem Eifer betrieben. Denn
ſo bevoͤlkert der Peloponnes auch in der Zeit des Pelo-
ponneſiſchen Krieges war, ſo brachte er doch mehr Korn
hervor als er bedurfte, und es ging von Lakonien und
Arkadien eine beſtaͤndige Ausfuhr nach der Kuͤſte von
Korinth hinab 1.

8.

Wie groß eigentlich die Anzahl der Dorier war,
welche in den Peloponnes einwanderte, iſt etwa ſo zu
beſtimmen. In der bluͤhenden Zeit der Doriſchen Macht
gegen die Zeit des Perſerkriegs hatte Sparta, welches
Meſſenien ſich angeeignet, 8000 Familien, Argos uͤber
6000, in Sikyon, Korinth, Phlius, Epidauros, Aegi-
na waren die Dorier ſparſamer, bei mehr oligarchiſchen
Verhaͤltniſſen; und wenn in den Colonieen bei hinlaͤng-
lichem Raum zur Ausbreitung und durch die Strenge der
Geſetze minder beſchraͤnkt, die Zahl der Einwohner ſich
ſchnell vermehrte, ſo war doch die Zahl der urſpruͤngli-
chen Coloniegruͤnder, ſo viel davon Dorier, ſehr klein.
Da nun aber auch wieder in den ſchon geordneten Staa-
ten des Peloponnes die Zahl der Einwohner, beſonders
der Doriſchen, aus manchen Gruͤuden nie bedeutend zu-
nahm, ſo duͤrfen wir auch ſchon zur Zeit der Einwan-

1 Thuk. 1, 120. κατακομιδὴ τῶν ὡϱαίων.
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[75/0105] Vergleich mit der Volksmenge des ganzen Peloponnes; und dann eroberten dieſe Staͤmme mit dem Lande auch die Leute, und gruͤndeten auf den Beſitz beider eine un- abhaͤngige Exiſtenz: ſo daß eigentlich bei allem Wechſel der Beherrſcher die Maſſe des Volks im Alterthum die- ſelbe geblieben iſt. Durch dieſe Uſurpationen aber trat der ackerbauende und viehzuchttreibende Stand in eine beſtaͤndige Abhaͤngigkeit und darum in Dunkelheit zuruͤck, ſo daß auch von dem, was ſein Geſchaͤft war, der Landescultur, nur ſelten die Rede iſt. Indeſſen wurde der Ackerbau ſtets mit großem Eifer betrieben. Denn ſo bevoͤlkert der Peloponnes auch in der Zeit des Pelo- ponneſiſchen Krieges war, ſo brachte er doch mehr Korn hervor als er bedurfte, und es ging von Lakonien und Arkadien eine beſtaͤndige Ausfuhr nach der Kuͤſte von Korinth hinab 1. 8. Wie groß eigentlich die Anzahl der Dorier war, welche in den Peloponnes einwanderte, iſt etwa ſo zu beſtimmen. In der bluͤhenden Zeit der Doriſchen Macht gegen die Zeit des Perſerkriegs hatte Sparta, welches Meſſenien ſich angeeignet, 8000 Familien, Argos uͤber 6000, in Sikyon, Korinth, Phlius, Epidauros, Aegi- na waren die Dorier ſparſamer, bei mehr oligarchiſchen Verhaͤltniſſen; und wenn in den Colonieen bei hinlaͤng- lichem Raum zur Ausbreitung und durch die Strenge der Geſetze minder beſchraͤnkt, die Zahl der Einwohner ſich ſchnell vermehrte, ſo war doch die Zahl der urſpruͤngli- chen Coloniegruͤnder, ſo viel davon Dorier, ſehr klein. Da nun aber auch wieder in den ſchon geordneten Staa- ten des Peloponnes die Zahl der Einwohner, beſonders der Doriſchen, aus manchen Gruͤuden nie bedeutend zu- nahm, ſo duͤrfen wir auch ſchon zur Zeit der Einwan- 1 Thuk. 1, 120. κατακομιδὴ τῶν ὡϱαίων.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/105>, abgerufen am 27.04.2024.