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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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fentlichen verwalten durfte; von diesem stammt Hieron
der Syrakusier 1.

4.

Durch diese sehr beglaubigte und in sich wohl
zusammenhängende Coloniegeschichte haben wir den Ur-
sprung eines der Zweige Cerealischer Religion in Sici-
lien gewonnen. Einen andern Zweig brachte wohl die
Familie der Emmeniden mit 2, welche, ursprünglich
aus Theben stammend, mit der Geloischen Colonie
nach Sicilien gekommen war. Denn es wird vermuth-
lich den dieser Familie eigenen Sagen verdankt, wenn
Akragas, so wie das alte Theben, "ein Geschenk des
Zeus an Persephone am Feste der Schleierlüftung"
heißt 3. Allein von keiner von beiden Familien kann
der große und vielgefeierte Dienst der Göttin in Sy-
rakusä und dessen Colonie Enna -- welcher Sicilien in
den Augen der Einwohner und der Römer zum Vater-
lande der Ceres gemacht hat -- abgeleitet werden, da
er in seiner Eigenthümlichkeit wieder von beiden
bezeichneten abweicht 4. Aus seinem Ansehn kann man
schließen, daß er zu den ältesten, gleich bei der Grün-
dung gestifteten, Culten von Syrakus gehört; und da
diese theils von Olympia 5, meist aber von Korinth
stammen, und ihn aus dem ersteren Orte abzuleiten

1 Herod. 7, 153. Schol. Pind. a. O.
2 Bd. 1. S. 337.
3 Bd. 1. S. 217. hernach auf ganz Sicilien ausgedehnt. Böckh
Expl. Pind. O. 2. p. 123. Kores para Sikeliotais Theogamia
kai Anthesphoria, Pollux 1, 37. Die Theogamia sind mit dem Feste
anakalupteria (Schol. rec. Ol. 6, 160.) wohl zusammenhängend;
und dies Fest stammt aus Theben. Auch Kyzikos von Tyrrhenischen
Pelasgern (aus Böotien) gegründet wurde als ein emproikion des
Zeus für Kora betrachtet. Appian. Mithrid. 75. vgl. Steph. B.
Besbikos.
4 Ein Fest Thesmophoria zu Syrakus (Athen. 14,
647 a. Thesmophorion ieron, Plut. Dio 56. Monat Thesmophorios,
s. Castelli) Koureia Plut. a. O. vgl. besonders Diod. 5, 4 ff.
5 Vgl oben S. 136. und 394.
II. 26

fentlichen verwalten durfte; von dieſem ſtammt Hieron
der Syrakuſier 1.

4.

Durch dieſe ſehr beglaubigte und in ſich wohl
zuſammenhaͤngende Coloniegeſchichte haben wir den Ur-
ſprung eines der Zweige Cerealiſcher Religion in Sici-
lien gewonnen. Einen andern Zweig brachte wohl die
Familie der Emmeniden mit 2, welche, urſpruͤnglich
aus Theben ſtammend, mit der Geloiſchen Colonie
nach Sicilien gekommen war. Denn es wird vermuth-
lich den dieſer Familie eigenen Sagen verdankt, wenn
Akragas, ſo wie das alte Theben, “ein Geſchenk des
Zeus an Perſephone am Feſte der Schleierluͤftung”
heißt 3. Allein von keiner von beiden Familien kann
der große und vielgefeierte Dienſt der Goͤttin in Sy-
rakuſaͤ und deſſen Colonie Enna — welcher Sicilien in
den Augen der Einwohner und der Roͤmer zum Vater-
lande der Ceres gemacht hat — abgeleitet werden, da
er in ſeiner Eigenthuͤmlichkeit wieder von beiden
bezeichneten abweicht 4. Aus ſeinem Anſehn kann man
ſchließen, daß er zu den aͤlteſten, gleich bei der Gruͤn-
dung geſtifteten, Culten von Syrakus gehoͤrt; und da
dieſe theils von Olympia 5, meiſt aber von Korinth
ſtammen, und ihn aus dem erſteren Orte abzuleiten

1 Herod. 7, 153. Schol. Pind. a. O.
2 Bd. 1. S. 337.
3 Bd. 1. S. 217. hernach auf ganz Sicilien ausgedehnt. Boͤckh
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καὶ Ἀνϑεςφόϱια, Pollux 1, 37. Die Θεογάμια ſind mit dem Feſte
ἀνακαλυπτήϱια (Schol. rec. Ol. 6, 160.) wohl zuſammenhaͤngend;
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Pelasgern (aus Boͤotien) gegruͤndet wurde als ein ἐμπϱοίκιον des
Zeus fuͤr Kora betrachtet. Appian. Mithrid. 75. vgl. Steph. B.
Βέσβικος.
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5 Vgl oben S. 136. und 394.
II. 26
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[401/0431] fentlichen verwalten durfte; von dieſem ſtammt Hieron der Syrakuſier 1. 4. Durch dieſe ſehr beglaubigte und in ſich wohl zuſammenhaͤngende Coloniegeſchichte haben wir den Ur- ſprung eines der Zweige Cerealiſcher Religion in Sici- lien gewonnen. Einen andern Zweig brachte wohl die Familie der Emmeniden mit 2, welche, urſpruͤnglich aus Theben ſtammend, mit der Geloiſchen Colonie nach Sicilien gekommen war. Denn es wird vermuth- lich den dieſer Familie eigenen Sagen verdankt, wenn Akragas, ſo wie das alte Theben, “ein Geſchenk des Zeus an Perſephone am Feſte der Schleierluͤftung” heißt 3. Allein von keiner von beiden Familien kann der große und vielgefeierte Dienſt der Goͤttin in Sy- rakuſaͤ und deſſen Colonie Enna — welcher Sicilien in den Augen der Einwohner und der Roͤmer zum Vater- lande der Ceres gemacht hat — abgeleitet werden, da er in ſeiner Eigenthuͤmlichkeit wieder von beiden bezeichneten abweicht 4. Aus ſeinem Anſehn kann man ſchließen, daß er zu den aͤlteſten, gleich bei der Gruͤn- dung geſtifteten, Culten von Syrakus gehoͤrt; und da dieſe theils von Olympia 5, meiſt aber von Korinth ſtammen, und ihn aus dem erſteren Orte abzuleiten 1 Herod. 7, 153. Schol. Pind. a. O. 2 Bd. 1. S. 337. 3 Bd. 1. S. 217. hernach auf ganz Sicilien ausgedehnt. Boͤckh Expl. Pind. O. 2. p. 123. Κόϱης παϱὰ Σικελιώταις Θεογάμια καὶ Ἀνϑεςφόϱια, Pollux 1, 37. Die Θεογάμια ſind mit dem Feſte ἀνακαλυπτήϱια (Schol. rec. Ol. 6, 160.) wohl zuſammenhaͤngend; und dies Feſt ſtammt aus Theben. Auch Kyzikos von Tyrrheniſchen Pelasgern (aus Boͤotien) gegruͤndet wurde als ein ἐμπϱοίκιον des Zeus fuͤr Kora betrachtet. Appian. Mithrid. 75. vgl. Steph. B. Βέσβικος. 4 Ein Feſt Θεσμοφόϱια zu Syrakus (Athen. 14, 647 a. Θεσμοφόϱιον ἱεϱὸν, Plut. Dio 56. Monat Thesmophorios, ſ. Caſtelli) Κούϱεια Plut. a. O. vgl. beſonders Diod. 5, 4 ff. 5 Vgl oben S. 136. und 394. II. 26

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/431>, abgerufen am 26.04.2024.