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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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des Alkmäon, womit ihr Name Alkmana sehr vortreff-
lich übereinstimmt. -- Auf jeden Fall wird durch die
Beachtung dieser Sagen der Zusammenhang der ge-
wöhnlichen Fabel zerrissen, und auf einen tiefern, groß-
artigern aufmerksam gemacht, den wir freilich nicht
mehr in seiner Integrität herstellen können.

Wenn nun darnach Herakles als Vermittler zwi-
schen dem Heiligthume zu Delphi und dem Thebäischen
Ismenion erscheint: so folgt, daß auch die Lokalisirung
seiner Sage mit der Stiftung dieser Heiligthümer von
Delphi aus zusammenhängt, also diese zum Theile we-
nigstens von da gekommen ist.

10.

Die Thebäischen Heraklessagen sind nicht alle
gleich bedeutungsvoll; sie haben zum Theil, wie die
angegebenen, religiöse Beziehung, zum Theil politi-
sche 1, zum Theil bezeichnen sie auch nur die Kör-
perkraft des Heros der Athletik. Sie bilden einen
eigenen Zusammenhang, und wurden wohl auch ein-
mal in besondern Liedern dargestellt. Die Erzie-
hung des Helden wird mythischen Personen anver-
traut, die meist in Böotien lokal sind 2. Sein
merkwürdigster Lehrmeister ist der traurige Sänger Li-
nos, den er -- wie ich glaube, auch hierin Vollstrecker
des Willens von Apollon, nach der gewöhnlichen Er-
zählung von ihm geschlagen -- erschlägt, und sich durch
das Gesetz des Rhadamanth rechtfertigt 3. -- Die

1 S. Bd. 1. S. 84. 208. vgl. zu Her. Ippodetes die
Sage Plut. Parall. p. 416 H. -- Ich bemerke beiläufig, daß sich
auch Böotische Familien, wie es scheint, die Aukormaioi u. Sati-
laioi, von Her. herleiteten. Plut. de sera num. 13. p. 248.
2 Die lukulenteste Stelle ist in dem zwf. Gedichte Theokr. 24,
100., wo aber manche Alexandrin. Erfindung bemerkt wird.
3 Außer
Aa. s. Alkidamas Rhetor auf Palamedes S. 75, 33 R., wo für
Tennos LINOS zu schr.

des Alkmaͤon, womit ihr Name Alkmana ſehr vortreff-
lich uͤbereinſtimmt. — Auf jeden Fall wird durch die
Beachtung dieſer Sagen der Zuſammenhang der ge-
woͤhnlichen Fabel zerriſſen, und auf einen tiefern, groß-
artigern aufmerkſam gemacht, den wir freilich nicht
mehr in ſeiner Integritaͤt herſtellen koͤnnen.

Wenn nun darnach Herakles als Vermittler zwi-
ſchen dem Heiligthume zu Delphi und dem Thebaͤiſchen
Ismenion erſcheint: ſo folgt, daß auch die Lokaliſirung
ſeiner Sage mit der Stiftung dieſer Heiligthuͤmer von
Delphi aus zuſammenhaͤngt, alſo dieſe zum Theile we-
nigſtens von da gekommen iſt.

10.

Die Thebaͤiſchen Heraklesſagen ſind nicht alle
gleich bedeutungsvoll; ſie haben zum Theil, wie die
angegebenen, religioͤſe Beziehung, zum Theil politi-
ſche 1, zum Theil bezeichnen ſie auch nur die Koͤr-
perkraft des Heros der Athletik. Sie bilden einen
eigenen Zuſammenhang, und wurden wohl auch ein-
mal in beſondern Liedern dargeſtellt. Die Erzie-
hung des Helden wird mythiſchen Perſonen anver-
traut, die meiſt in Boͤotien lokal ſind 2. Sein
merkwuͤrdigſter Lehrmeiſter iſt der traurige Saͤnger Li-
nos, den er — wie ich glaube, auch hierin Vollſtrecker
des Willens von Apollon, nach der gewoͤhnlichen Er-
zaͤhlung von ihm geſchlagen — erſchlaͤgt, und ſich durch
das Geſetz des Rhadamanth rechtfertigt 3. — Die

1 S. Bd. 1. S. 84. 208. vgl. zu Her. Ἰπποδέτης die
Sage Plut. Parall. p. 416 H. — Ich bemerke beilaͤufig, daß ſich
auch Boͤotiſche Familien, wie es ſcheint, die Αυκοϱμαῖοι u. Σατι-
λαῖοι, von Her. herleiteten. Plut. de sera num. 13. p. 248.
2 Die lukulenteſte Stelle iſt in dem zwf. Gedichte Theokr. 24,
100., wo aber manche Alexandrin. Erfindung bemerkt wird.
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Τέννος ΛΙΝΟΣ zu ſchr.
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[434/0464] des Alkmaͤon, womit ihr Name Alkmana ſehr vortreff- lich uͤbereinſtimmt. — Auf jeden Fall wird durch die Beachtung dieſer Sagen der Zuſammenhang der ge- woͤhnlichen Fabel zerriſſen, und auf einen tiefern, groß- artigern aufmerkſam gemacht, den wir freilich nicht mehr in ſeiner Integritaͤt herſtellen koͤnnen. Wenn nun darnach Herakles als Vermittler zwi- ſchen dem Heiligthume zu Delphi und dem Thebaͤiſchen Ismenion erſcheint: ſo folgt, daß auch die Lokaliſirung ſeiner Sage mit der Stiftung dieſer Heiligthuͤmer von Delphi aus zuſammenhaͤngt, alſo dieſe zum Theile we- nigſtens von da gekommen iſt. 10. Die Thebaͤiſchen Heraklesſagen ſind nicht alle gleich bedeutungsvoll; ſie haben zum Theil, wie die angegebenen, religioͤſe Beziehung, zum Theil politi- ſche 1, zum Theil bezeichnen ſie auch nur die Koͤr- perkraft des Heros der Athletik. Sie bilden einen eigenen Zuſammenhang, und wurden wohl auch ein- mal in beſondern Liedern dargeſtellt. Die Erzie- hung des Helden wird mythiſchen Perſonen anver- traut, die meiſt in Boͤotien lokal ſind 2. Sein merkwuͤrdigſter Lehrmeiſter iſt der traurige Saͤnger Li- nos, den er — wie ich glaube, auch hierin Vollſtrecker des Willens von Apollon, nach der gewoͤhnlichen Er- zaͤhlung von ihm geſchlagen — erſchlaͤgt, und ſich durch das Geſetz des Rhadamanth rechtfertigt 3. — Die 1 S. Bd. 1. S. 84. 208. vgl. zu Her. Ἰπποδέτης die Sage Plut. Parall. p. 416 H. — Ich bemerke beilaͤufig, daß ſich auch Boͤotiſche Familien, wie es ſcheint, die Αυκοϱμαῖοι u. Σατι- λαῖοι, von Her. herleiteten. Plut. de sera num. 13. p. 248. 2 Die lukulenteſte Stelle iſt in dem zwf. Gedichte Theokr. 24, 100., wo aber manche Alexandrin. Erfindung bemerkt wird. 3 Außer Aa. ſ. Alkidamas Rhetor auf Palamedes S. 75, 33 R., wo fuͤr Τέννος ΛΙΝΟΣ zu ſchr.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/464>, abgerufen am 26.04.2024.