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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Peloponnesischen Krieges herrschte die Lakonische Par-
thei daselbst. Aber im achten Kriegsjahre befand sich
die aristokratische Parthei aus Megara wieder ver-
bannt in Pegä; und als sie zurückgerufen und einge-
setzt werden sollte, wollten die Vorsteher des Demos
lieber die Athener in der Stadt haben, als die von
ihnen Vertriebenen. Brasidas indeß bewirkte, daß sie
unter dem Versprechen der Amnestie zurückkehrten, das
sie aber wenig hielten. Denn als sie erst wieder zu den
obrigkeitlichen Würden gelangt waren (auf die sie also
besonderen Anspruch haben mußten), führten sie hun-
dert ihrer Hauptfeinde vor das Volk, und zwangen
dies, die Angeklagten mit offenen Stimmen zu richten.
Das Volk, durch diesen Terrorismus geschreckt, ver-
urtheilte sie zum Tode. Zugleich richteten jene eine
enge und strenge Oligarchie ein 1, welche sehr lange
Zeit hindurch Bestand hatte 2. Indeß finden wir doch
Ol. 101, [ - 1 Zeichen fehlt]. wieder die Demokratie als gesetzliche Ver-
fassung, und oligarchische Umtriebe zurückgewiesen 3.
Demosthenes 4 erwähnt ein Gericht der Dreihundert
daselbst, über Staatsverbrechen richtend; auch war da-
mals Adel und Reichthum noch oft in denselben Per-
sonen vereinigt. Von Megarischen Magistraten haben
wir oben einen König genannt 5, und fügen hier den
Hieromnamon hinzu, welches stets der Priester
des Poseidon war 6, ein Amt von der Bedeu-
tung etwa, wie der Amphipolos, Hierapolos, Hiero-
thytes in den Sicilischen Städten. Wie alt das An-
sehn dieser Würde war, geht daraus hervor, daß sie
sich eben so in den Kolonien Megaras, in Byzanz

1 Thuk. 4, 66. 74.
2 Th. a. O. u. 5, 31.
3 Diod. 15, 40.
4 p. parapresb. 435. 436.
5 S. 109, 2.
6 Plut. Sympos. 8, 8, 4. p. 379., wo freilich der Ausdruck un-
bestimmt ist.

Peloponneſiſchen Krieges herrſchte die Lakoniſche Par-
thei daſelbſt. Aber im achten Kriegsjahre befand ſich
die ariſtokratiſche Parthei aus Megara wieder ver-
bannt in Pegaͤ; und als ſie zuruͤckgerufen und einge-
ſetzt werden ſollte, wollten die Vorſteher des Demos
lieber die Athener in der Stadt haben, als die von
ihnen Vertriebenen. Braſidas indeß bewirkte, daß ſie
unter dem Verſprechen der Amneſtie zuruͤckkehrten, das
ſie aber wenig hielten. Denn als ſie erſt wieder zu den
obrigkeitlichen Wuͤrden gelangt waren (auf die ſie alſo
beſonderen Anſpruch haben mußten), fuͤhrten ſie hun-
dert ihrer Hauptfeinde vor das Volk, und zwangen
dies, die Angeklagten mit offenen Stimmen zu richten.
Das Volk, durch dieſen Terrorismus geſchreckt, ver-
urtheilte ſie zum Tode. Zugleich richteten jene eine
enge und ſtrenge Oligarchie ein 1, welche ſehr lange
Zeit hindurch Beſtand hatte 2. Indeß finden wir doch
Ol. 101, [ – 1 Zeichen fehlt]. wieder die Demokratie als geſetzliche Ver-
faſſung, und oligarchiſche Umtriebe zuruͤckgewieſen 3.
Demoſthenes 4 erwaͤhnt ein Gericht der Dreihundert
daſelbſt, uͤber Staatsverbrechen richtend; auch war da-
mals Adel und Reichthum noch oft in denſelben Per-
ſonen vereinigt. Von Megariſchen Magiſtraten haben
wir oben einen Koͤnig genannt 5, und fuͤgen hier den
Hieromnamon hinzu, welches ſtets der Prieſter
des Poſeidon war 6, ein Amt von der Bedeu-
tung etwa, wie der Amphipolos, Hierapolos, Hiero-
thytes in den Siciliſchen Staͤdten. Wie alt das An-
ſehn dieſer Wuͤrde war, geht daraus hervor, daß ſie
ſich eben ſo in den Kolonien Megaras, in Byzanz

1 Thuk. 4, 66. 74.
2 Th. a. O. u. 5, 31.
3 Diod. 15, 40.
4 π. παϱαπϱεσβ. 435. 436.
5 S. 109, 2.
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[168/0174] Peloponneſiſchen Krieges herrſchte die Lakoniſche Par- thei daſelbſt. Aber im achten Kriegsjahre befand ſich die ariſtokratiſche Parthei aus Megara wieder ver- bannt in Pegaͤ; und als ſie zuruͤckgerufen und einge- ſetzt werden ſollte, wollten die Vorſteher des Demos lieber die Athener in der Stadt haben, als die von ihnen Vertriebenen. Braſidas indeß bewirkte, daß ſie unter dem Verſprechen der Amneſtie zuruͤckkehrten, das ſie aber wenig hielten. Denn als ſie erſt wieder zu den obrigkeitlichen Wuͤrden gelangt waren (auf die ſie alſo beſonderen Anſpruch haben mußten), fuͤhrten ſie hun- dert ihrer Hauptfeinde vor das Volk, und zwangen dies, die Angeklagten mit offenen Stimmen zu richten. Das Volk, durch dieſen Terrorismus geſchreckt, ver- urtheilte ſie zum Tode. Zugleich richteten jene eine enge und ſtrenge Oligarchie ein 1, welche ſehr lange Zeit hindurch Beſtand hatte 2. Indeß finden wir doch Ol. 101, _. wieder die Demokratie als geſetzliche Ver- faſſung, und oligarchiſche Umtriebe zuruͤckgewieſen 3. Demoſthenes 4 erwaͤhnt ein Gericht der Dreihundert daſelbſt, uͤber Staatsverbrechen richtend; auch war da- mals Adel und Reichthum noch oft in denſelben Per- ſonen vereinigt. Von Megariſchen Magiſtraten haben wir oben einen Koͤnig genannt 5, und fuͤgen hier den Hieromnamon hinzu, welches ſtets der Prieſter des Poſeidon war 6, ein Amt von der Bedeu- tung etwa, wie der Amphipolos, Hierapolos, Hiero- thytes in den Siciliſchen Staͤdten. Wie alt das An- ſehn dieſer Wuͤrde war, geht daraus hervor, daß ſie ſich eben ſo in den Kolonien Megaras, in Byzanz 1 Thuk. 4, 66. 74. 2 Th. a. O. u. 5, 31. 3 Diod. 15, 40. 4 π. παϱαπϱεσβ. 435. 436. 5 S. 109, 2. 6 Plut. Sympoſ. 8, 8, 4. p. 379., wo freilich der Ausdruck un- beſtimmt iſt.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/174>, abgerufen am 26.04.2024.