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Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 7. November 1914.

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Allgemeine Zeitung 7. November 1914.
[Spaltenumbruch] eine Mitteilung gegen die Interessen der Landesverteidigung ver-
stößt, in den meisten fraglichen Fällen mit ebenso guten Gründen
zu bejahen wie zu verneinen ist, und weil Fehler, die begangen
werden, meist Verstöße gegen Ergebnisse der modernsten und sub-
tilsten militärwissenschaftlichen Forschungen sind, die naturgemäß
für den Laien schwer zu erfassen sind. Da der innere Betrieb des
Zeitungsgewerbes trotz der öffentlichen Aufgabe, welche die
Presse zu erfüllen hat, der Außenwelt fast ganz unbekannt ist, so
werden die Schwierigkeiten, mit denen in diesen Kriegszeiten
die Zeitung zu kämpfen hat, wie uns scheint, sowohl von den
militärischen Behörden wie vom Publikum nicht vollauf ge-
würdigt. Freilich wird ja allgemein anerkannt, daß Redakteure
und Journalisten aller Parteischattierungen den besten Willen
und Eifer haben, die vaterländischen Interessen zu fördern.

So möge auch der Leser aller dieser Schwierigkeiten eingedenk
sein, wenn er die Verzögerung einer Nachricht bemerkt oder wenn
er findet, daß die Zeitung auf diesem oder jenem Gebiet, sonst so
gesprächig, über dies oder jenes plötzlich schweigt. Ebenso möge
der Leser im Auge behalten, daß Nachrichten aus feindlichen Län-
dern nur durch die neutralen Länder, oft auf sonderbaren Um-
wegen, oft knapp in der Fassung zu uns gelangen. Er möge be-
denken, wie schwierig jetzt die Beschaffung der Nachrichten aus dem
Auslande ist, und die Anstrengungen würdigen, die gemacht werden,
ihn über die auswärtigen Vorgänge zu unterrichten Schwierig-
keiten in der Zeitungsherstellung, Entbehrungen auf diesem oder
jenem Gebiete der Berichterstattung, die dem Leser auferlegt sind,
sie gehören zu den notwendigen Opfern des Krieges.
Theater und Mulik
Münchener Theater.

Glucks Maienkönigin. -- Oper und Operette. -- Krieg im Frieden.
-- Nordische Heerfahrt. -- Bernhard v. Jacobi +. -- "Deutsche
Abende". -- Wehe dem, der lügt
.

Unsere Oper hat nun doch Cornelius' Barbier von
Bagdad ein paarmal herausgebracht, obwohl es uns nicht
gewundert hätte, wenn irgend ein Elementarereignis hin-
dernd dazwischen getreten wäre, denn das ist merkwürdiger-
weise dieser Oper immer passiert. Ein garnicht übler Ein-
fall aber war es, neulich dem Barbier Glucks "Maienkönigin"
vorhergehen zu lassen. Diese kleine Oper hat beinahe ein
dem Barbier ähnliches Schicksal bei uns gehabt: so oft sie
aufgeführt wird, gefällt sie ungemein, verschwindet aber
ebenso rasch wieder vom Schauplatz. Ihr großer Erfolg im
Münchener Künstlertheater im Jahre 1908 war nicht im-
stande, die Oper dauernd bei uns einzubürgern; seit 1910 ist
sie nicht mehr gegeben worden. Auch die "Maienkönigin"
wird nicht nach dem Original aufgeführt, aber die Wiener
Einrichtung der Herren Kalbeck und Hofkapellmeister Fuchs,
die ein paar Nummern aus anderen Gluck'schen Opern mit-
übernahm, hat mehr Entschuldigung für sich als die orchestra-
len Eingriffe Mottls und Levis in die Partitur des Babiers
Les Amours champetres, wie die Oper ursprünglich heißt,
hatten diesmal ein paar glückliche Neubesetzungen aufzu-
weisen. Nur die beiden Hirtinnen v. Fladung und Kuhn-
Brunner standen noch an der früheren Stelle. Ihr Partner
Philint ist diesmal an Frl. Krüger übergegangen, die mit
ihrer hohen Gestalt nicht nur vorzüglich dafür paßt, sondern
auch gesanglich, wie zu erwarten war, die Rolle so interessant
als eben möglich ausstattete. Es gibt bekanntlich warme und
kalte Stimmen. Die letzteren, die mit wenigen Ausnahmen
den Koloratursopranen eigen zu sein pflegen, müssen eben,
wenn es ihre Trägerin versteht, im Bedarfsfalle gefärbt
werden: das Gefühl muß im geeigneten Augenblick die Farbe
verleihen. Von Natur warme Stimmen haben es natürlich
leichter: sie gehen ohne viel Anstrengung von seiten der Sän-
gerin unmittelbar zum Herzen. Eine solche warme Stimme
hat eben Frl. Krüger. Herr Kuhn erreichte als Marquis
von Monsoupier, obwohl er ganz gut war, nicht ganz seinen
Vorgänger Walter. Herr Bauberger ist prächtig in der
Pächterrolle. Hoffentlich wird sich die "Maienkönigin", mit
dem Barbier zusammengespannt, recht lange auf dem Reper-
[Spaltenumbruch] toire halten. Wenn ich mich nicht täusche, dirigiert Herr Wal-
ter beide Opern gern und mit Hingebung.

Wir suchen noch immer einen Bariton. Gäste kamen
und Gäste gingen, und noch immer ist der nicht erschienen,
den wir brauchen können. Nun zeigte ein Herr Schützen-
dorf vom Straßburger Stadttheater als Graf Luna im Trou-
badour ganz passable Fähigkeiten, ein Eindruck, der in der
zweiten Rolle, dem Herrn Fluth in den "Lustigen Weibern
von Windsor", nicht gerade verstärkt wurde; aber freilich ist
diese Rolle wenig geeignet, einen Sänger auf Herz und
Nieren zu prüfen. Im Troubadour, trat in der Rolle der
Leonore ein Zufallsgast auf: Frau v. Szekrenyessy, die wir
vor Jahren einmal als Fidelio gehört hatten, ein ziemlich
großer und ergiebiger Sopran und eine Schauspielerin von
noch achtungswerter Mittelmäßigkeit. Die hervorragend-
sten Leistungen jener Troubadour-Vorstellung waren der
Manrico des Herrn Wolf und die Azucena des Frl. Färber.
In den Lustigen Weibern, die meist zu unseren besseren
Opern-Aufführungen gehören, stand Frau Bosetti als Frau
Fluth mit Herrn Sieglitz als Falstaff an der Spitze. Fräul.
Willer wird einmal eine gute Frau Reich werden. Bald
darauf hatten wir auch noch einen Tenorgast: Herrn Batten
von Straßburg, das überhaupt die Kriegslieferungen für
uns zu besorgen scheint. Er erwies sich als Lionel in der
Martha als ein ganz ergiebiger Tenor von echt lyrischem
Timbre und guter Stimmbildung. Als Schauspieler konnte
er sich da nicht viel zeigen. Seine Leistung fand im Publi-
kum eine sympathische Aufnahme, das insbesondere die ge-
sanglich und darstellerisch ausgezeichnete Wiedergabe der
Titelrolle durch Frl. Ivogün auszeichnete. -- In der
Operette unseres Gärtnertheaters hat man sich mit Glück und
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sere rasch vergessende Generation kaum mehr kennt, auf Mil-
löckers "Feldprediger" und Carl Zellers "Obersteiger". Ich
glaube, die Direktion hat es nicht zu bereuen.

Im Schauspiel ist mehr als je rechter Hand und linker
Hand der Maximilianstraße, alles vertauscht: Stücke, die
ehemals im Hoftheater gegeben wurden, wandern hinüber
ins Schauspielhaus und umgekehrt. Zu den ersteren gehört
die alte schon fast ehrwürdige Soldatenkomödie "Krieg im
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Repertoirestück unseres Residenztheaters gewesen ist. Nun
wird sie im Schauspielhause gegeben unter Herrn Pepplers
Leitung, der selbst den General spielt. Und merkwürdig, es
wird gerade soviel gelacht wie vor zwanzig und mehr Jah-
ren, trotzdem daß "Krieg im Frieden" eigentlich nicht das
Soldatenstück ist, das wir heute brauchen. Aber vielleicht
geht eines aus diesem Kriege hervor. Das Stück konnte
unter den gegenwärtigen Umständen nicht durchaus mit
ersten Kräften besetzt werden, insbesondere mußten einzelne
Herrenrollen gegenüber der Hoftheater-Besetzung zurück-
stehen, während die Frauenrollen ganz entschieden besser
besetzt waren als zuletzt im Residenztheater, besonders stellte
die pikante Hertha Ruß eine treffliche Ilka Etvös auf die
Bühne.

Ibsens "Nordische Heerfahrt" ist dagegen vom Schau-
spielhaus, wo sie vor vier Jahren ein vorübergehendes Unter-
kommen gefunden hatte, wieder herüber in das Hoftheater
gewandert, wo sie unter der Regie des Herrn Steinrück löb-
licherweise neu einstudiert gegeben wurde. Ehemals war
sie an dieser Stelle ein häufiger Gast gewesen, namentlich als
noch Ibsen selbst jeden Nachmittag an einem Fenster des
Maximilian-Cafes zu sehen war. Seitdem haben sich die
Zeiten freilich gewaltig geändert: wir sind über Ibsen etwas
hinausgewachsen. Und doch gehören gerade seine "Helden
auf Helgeland" nicht nur zu seinen ältesten, sondern auch zu
seinen besten Stücken: es ist noch nichts Krankhaftes in
ihnen. Freilich Herr Steinrück gab seinen Sigurd viel zu
sehr in der Art der späteren Ibsen'schen Reflexionshelden,
und an unsere germanische Siegfriedsgestalt durfte man da-
bei schon gar nicht denken. Weit besser war der Gunnar des
Herrn Lützenkirchen, am besten, ja geradezu eine herz-
erfrischende Figur der alte Oernulf des Herrn Jacobi. Für

Allgemeine Zeitung 7. November 1914.
[Spaltenumbruch] eine Mitteilung gegen die Intereſſen der Landesverteidigung ver-
ſtößt, in den meiſten fraglichen Fällen mit ebenſo guten Gründen
zu bejahen wie zu verneinen iſt, und weil Fehler, die begangen
werden, meiſt Verſtöße gegen Ergebniſſe der modernſten und ſub-
tilſten militärwiſſenſchaftlichen Forſchungen ſind, die naturgemäß
für den Laien ſchwer zu erfaſſen ſind. Da der innere Betrieb des
Zeitungsgewerbes trotz der öffentlichen Aufgabe, welche die
Preſſe zu erfüllen hat, der Außenwelt faſt ganz unbekannt iſt, ſo
werden die Schwierigkeiten, mit denen in dieſen Kriegszeiten
die Zeitung zu kämpfen hat, wie uns ſcheint, ſowohl von den
militäriſchen Behörden wie vom Publikum nicht vollauf ge-
würdigt. Freilich wird ja allgemein anerkannt, daß Redakteure
und Journaliſten aller Parteiſchattierungen den beſten Willen
und Eifer haben, die vaterländiſchen Intereſſen zu fördern.

So möge auch der Leſer aller dieſer Schwierigkeiten eingedenk
ſein, wenn er die Verzögerung einer Nachricht bemerkt oder wenn
er findet, daß die Zeitung auf dieſem oder jenem Gebiet, ſonſt ſo
geſprächig, über dies oder jenes plötzlich ſchweigt. Ebenſo möge
der Leſer im Auge behalten, daß Nachrichten aus feindlichen Län-
dern nur durch die neutralen Länder, oft auf ſonderbaren Um-
wegen, oft knapp in der Faſſung zu uns gelangen. Er möge be-
denken, wie ſchwierig jetzt die Beſchaffung der Nachrichten aus dem
Auslande iſt, und die Anſtrengungen würdigen, die gemacht werden,
ihn über die auswärtigen Vorgänge zu unterrichten Schwierig-
keiten in der Zeitungsherſtellung, Entbehrungen auf dieſem oder
jenem Gebiete der Berichterſtattung, die dem Leſer auferlegt ſind,
ſie gehören zu den notwendigen Opfern des Krieges.
Theater und Mulik
Münchener Theater.

Glucks Maienkönigin. — Oper und Operette. — Krieg im Frieden.
— Nordiſche Heerfahrt. — Bernhard v. Jacobi †. — „Deutſche
Abende“. — Wehe dem, der lügt
.

Unſere Oper hat nun doch Cornelius’ Barbier von
Bagdad ein paarmal herausgebracht, obwohl es uns nicht
gewundert hätte, wenn irgend ein Elementarereignis hin-
dernd dazwiſchen getreten wäre, denn das iſt merkwürdiger-
weiſe dieſer Oper immer paſſiert. Ein garnicht übler Ein-
fall aber war es, neulich dem Barbier Glucks „Maienkönigin“
vorhergehen zu laſſen. Dieſe kleine Oper hat beinahe ein
dem Barbier ähnliches Schickſal bei uns gehabt: ſo oft ſie
aufgeführt wird, gefällt ſie ungemein, verſchwindet aber
ebenſo raſch wieder vom Schauplatz. Ihr großer Erfolg im
Münchener Künſtlertheater im Jahre 1908 war nicht im-
ſtande, die Oper dauernd bei uns einzubürgern; ſeit 1910 iſt
ſie nicht mehr gegeben worden. Auch die „Maienkönigin“
wird nicht nach dem Original aufgeführt, aber die Wiener
Einrichtung der Herren Kalbeck und Hofkapellmeiſter Fuchs,
die ein paar Nummern aus anderen Gluck’ſchen Opern mit-
übernahm, hat mehr Entſchuldigung für ſich als die orcheſtra-
len Eingriffe Mottls und Levis in die Partitur des Babiers
Les Amours champêtres, wie die Oper urſprünglich heißt,
hatten diesmal ein paar glückliche Neubeſetzungen aufzu-
weiſen. Nur die beiden Hirtinnen v. Fladung und Kuhn-
Brunner ſtanden noch an der früheren Stelle. Ihr Partner
Philint iſt diesmal an Frl. Krüger übergegangen, die mit
ihrer hohen Geſtalt nicht nur vorzüglich dafür paßt, ſondern
auch geſanglich, wie zu erwarten war, die Rolle ſo intereſſant
als eben möglich ausſtattete. Es gibt bekanntlich warme und
kalte Stimmen. Die letzteren, die mit wenigen Ausnahmen
den Koloraturſopranen eigen zu ſein pflegen, müſſen eben,
wenn es ihre Trägerin verſteht, im Bedarfsfalle gefärbt
werden: das Gefühl muß im geeigneten Augenblick die Farbe
verleihen. Von Natur warme Stimmen haben es natürlich
leichter: ſie gehen ohne viel Anſtrengung von ſeiten der Sän-
gerin unmittelbar zum Herzen. Eine ſolche warme Stimme
hat eben Frl. Krüger. Herr Kuhn erreichte als Marquis
von Monſoupier, obwohl er ganz gut war, nicht ganz ſeinen
Vorgänger Walter. Herr Bauberger iſt prächtig in der
Pächterrolle. Hoffentlich wird ſich die „Maienkönigin“, mit
dem Barbier zuſammengeſpannt, recht lange auf dem Reper-
[Spaltenumbruch] toire halten. Wenn ich mich nicht täuſche, dirigiert Herr Wal-
ter beide Opern gern und mit Hingebung.

Wir ſuchen noch immer einen Bariton. Gäſte kamen
und Gäſte gingen, und noch immer iſt der nicht erſchienen,
den wir brauchen können. Nun zeigte ein Herr Schützen-
dorf vom Straßburger Stadttheater als Graf Luna im Trou-
badour ganz paſſable Fähigkeiten, ein Eindruck, der in der
zweiten Rolle, dem Herrn Fluth in den „Luſtigen Weibern
von Windſor“, nicht gerade verſtärkt wurde; aber freilich iſt
dieſe Rolle wenig geeignet, einen Sänger auf Herz und
Nieren zu prüfen. Im Troubadour, trat in der Rolle der
Leonore ein Zufallsgaſt auf: Frau v. Szekrényeſſy, die wir
vor Jahren einmal als Fidelio gehört hatten, ein ziemlich
großer und ergiebiger Sopran und eine Schauſpielerin von
noch achtungswerter Mittelmäßigkeit. Die hervorragend-
ſten Leiſtungen jener Troubadour-Vorſtellung waren der
Manrico des Herrn Wolf und die Azucena des Frl. Färber.
In den Luſtigen Weibern, die meiſt zu unſeren beſſeren
Opern-Aufführungen gehören, ſtand Frau Boſetti als Frau
Fluth mit Herrn Sieglitz als Falſtaff an der Spitze. Fräul.
Willer wird einmal eine gute Frau Reich werden. Bald
darauf hatten wir auch noch einen Tenorgaſt: Herrn Batten
von Straßburg, das überhaupt die Kriegslieferungen für
uns zu beſorgen ſcheint. Er erwies ſich als Lionel in der
Martha als ein ganz ergiebiger Tenor von echt lyriſchem
Timbre und guter Stimmbildung. Als Schauſpieler konnte
er ſich da nicht viel zeigen. Seine Leiſtung fand im Publi-
kum eine ſympathiſche Aufnahme, das insbeſondere die ge-
ſanglich und darſtelleriſch ausgezeichnete Wiedergabe der
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Operette unſeres Gärtnertheaters hat man ſich mit Glück und
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ſere raſch vergeſſende Generation kaum mehr kennt, auf Mil-
löckers „Feldprediger“ und Carl Zellers „Oberſteiger“. Ich
glaube, die Direktion hat es nicht zu bereuen.

Im Schauſpiel iſt mehr als je rechter Hand und linker
Hand der Maximilianſtraße, alles vertauſcht: Stücke, die
ehemals im Hoftheater gegeben wurden, wandern hinüber
ins Schauſpielhaus und umgekehrt. Zu den erſteren gehört
die alte ſchon faſt ehrwürdige Soldatenkomödie „Krieg im
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Repertoireſtück unſeres Reſidenztheaters geweſen iſt. Nun
wird ſie im Schauſpielhauſe gegeben unter Herrn Pepplers
Leitung, der ſelbſt den General ſpielt. Und merkwürdig, es
wird gerade ſoviel gelacht wie vor zwanzig und mehr Jah-
ren, trotzdem daß „Krieg im Frieden“ eigentlich nicht das
Soldatenſtück iſt, das wir heute brauchen. Aber vielleicht
geht eines aus dieſem Kriege hervor. Das Stück konnte
unter den gegenwärtigen Umſtänden nicht durchaus mit
erſten Kräften beſetzt werden, insbeſondere mußten einzelne
Herrenrollen gegenüber der Hoftheater-Beſetzung zurück-
ſtehen, während die Frauenrollen ganz entſchieden beſſer
beſetzt waren als zuletzt im Reſidenztheater, beſonders ſtellte
die pikante Hertha Ruß eine treffliche Ilka Etvös auf die
Bühne.

Ibſens „Nordiſche Heerfahrt“ iſt dagegen vom Schau-
ſpielhaus, wo ſie vor vier Jahren ein vorübergehendes Unter-
kommen gefunden hatte, wieder herüber in das Hoftheater
gewandert, wo ſie unter der Regie des Herrn Steinrück löb-
licherweiſe neu einſtudiert gegeben wurde. Ehemals war
ſie an dieſer Stelle ein häufiger Gaſt geweſen, namentlich als
noch Ibſen ſelbſt jeden Nachmittag an einem Fenſter des
Maximilian-Cafés zu ſehen war. Seitdem haben ſich die
Zeiten freilich gewaltig geändert: wir ſind über Ibſen etwas
hinausgewachſen. Und doch gehören gerade ſeine „Helden
auf Helgeland“ nicht nur zu ſeinen älteſten, ſondern auch zu
ſeinen beſten Stücken: es iſt noch nichts Krankhaftes in
ihnen. Freilich Herr Steinrück gab ſeinen Sigurd viel zu
ſehr in der Art der ſpäteren Ibſen’ſchen Reflexionshelden,
und an unſere germaniſche Siegfriedsgeſtalt durfte man da-
bei ſchon gar nicht denken. Weit beſſer war der Gunnar des
Herrn Lützenkirchen, am beſten, ja geradezu eine herz-
erfriſchende Figur der alte Oernulf des Herrn Jacobi. Für

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[654/0010] Allgemeine Zeitung 7. November 1914. eine Mitteilung gegen die Intereſſen der Landesverteidigung ver- ſtößt, in den meiſten fraglichen Fällen mit ebenſo guten Gründen zu bejahen wie zu verneinen iſt, und weil Fehler, die begangen werden, meiſt Verſtöße gegen Ergebniſſe der modernſten und ſub- tilſten militärwiſſenſchaftlichen Forſchungen ſind, die naturgemäß für den Laien ſchwer zu erfaſſen ſind. Da der innere Betrieb des Zeitungsgewerbes trotz der öffentlichen Aufgabe, welche die Preſſe zu erfüllen hat, der Außenwelt faſt ganz unbekannt iſt, ſo werden die Schwierigkeiten, mit denen in dieſen Kriegszeiten die Zeitung zu kämpfen hat, wie uns ſcheint, ſowohl von den militäriſchen Behörden wie vom Publikum nicht vollauf ge- würdigt. Freilich wird ja allgemein anerkannt, daß Redakteure und Journaliſten aller Parteiſchattierungen den beſten Willen und Eifer haben, die vaterländiſchen Intereſſen zu fördern. So möge auch der Leſer aller dieſer Schwierigkeiten eingedenk ſein, wenn er die Verzögerung einer Nachricht bemerkt oder wenn er findet, daß die Zeitung auf dieſem oder jenem Gebiet, ſonſt ſo geſprächig, über dies oder jenes plötzlich ſchweigt. Ebenſo möge der Leſer im Auge behalten, daß Nachrichten aus feindlichen Län- dern nur durch die neutralen Länder, oft auf ſonderbaren Um- wegen, oft knapp in der Faſſung zu uns gelangen. Er möge be- denken, wie ſchwierig jetzt die Beſchaffung der Nachrichten aus dem Auslande iſt, und die Anſtrengungen würdigen, die gemacht werden, ihn über die auswärtigen Vorgänge zu unterrichten Schwierig- keiten in der Zeitungsherſtellung, Entbehrungen auf dieſem oder jenem Gebiete der Berichterſtattung, die dem Leſer auferlegt ſind, ſie gehören zu den notwendigen Opfern des Krieges. Theater und Mulik Münchener Theater. Glucks Maienkönigin. — Oper und Operette. — Krieg im Frieden. — Nordiſche Heerfahrt. — Bernhard v. Jacobi †. — „Deutſche Abende“. — Wehe dem, der lügt. Unſere Oper hat nun doch Cornelius’ Barbier von Bagdad ein paarmal herausgebracht, obwohl es uns nicht gewundert hätte, wenn irgend ein Elementarereignis hin- dernd dazwiſchen getreten wäre, denn das iſt merkwürdiger- weiſe dieſer Oper immer paſſiert. Ein garnicht übler Ein- fall aber war es, neulich dem Barbier Glucks „Maienkönigin“ vorhergehen zu laſſen. Dieſe kleine Oper hat beinahe ein dem Barbier ähnliches Schickſal bei uns gehabt: ſo oft ſie aufgeführt wird, gefällt ſie ungemein, verſchwindet aber ebenſo raſch wieder vom Schauplatz. Ihr großer Erfolg im Münchener Künſtlertheater im Jahre 1908 war nicht im- ſtande, die Oper dauernd bei uns einzubürgern; ſeit 1910 iſt ſie nicht mehr gegeben worden. Auch die „Maienkönigin“ wird nicht nach dem Original aufgeführt, aber die Wiener Einrichtung der Herren Kalbeck und Hofkapellmeiſter Fuchs, die ein paar Nummern aus anderen Gluck’ſchen Opern mit- übernahm, hat mehr Entſchuldigung für ſich als die orcheſtra- len Eingriffe Mottls und Levis in die Partitur des Babiers Les Amours champêtres, wie die Oper urſprünglich heißt, hatten diesmal ein paar glückliche Neubeſetzungen aufzu- weiſen. Nur die beiden Hirtinnen v. Fladung und Kuhn- Brunner ſtanden noch an der früheren Stelle. Ihr Partner Philint iſt diesmal an Frl. Krüger übergegangen, die mit ihrer hohen Geſtalt nicht nur vorzüglich dafür paßt, ſondern auch geſanglich, wie zu erwarten war, die Rolle ſo intereſſant als eben möglich ausſtattete. Es gibt bekanntlich warme und kalte Stimmen. Die letzteren, die mit wenigen Ausnahmen den Koloraturſopranen eigen zu ſein pflegen, müſſen eben, wenn es ihre Trägerin verſteht, im Bedarfsfalle gefärbt werden: das Gefühl muß im geeigneten Augenblick die Farbe verleihen. Von Natur warme Stimmen haben es natürlich leichter: ſie gehen ohne viel Anſtrengung von ſeiten der Sän- gerin unmittelbar zum Herzen. Eine ſolche warme Stimme hat eben Frl. Krüger. Herr Kuhn erreichte als Marquis von Monſoupier, obwohl er ganz gut war, nicht ganz ſeinen Vorgänger Walter. Herr Bauberger iſt prächtig in der Pächterrolle. Hoffentlich wird ſich die „Maienkönigin“, mit dem Barbier zuſammengeſpannt, recht lange auf dem Reper- toire halten. Wenn ich mich nicht täuſche, dirigiert Herr Wal- ter beide Opern gern und mit Hingebung. Wir ſuchen noch immer einen Bariton. Gäſte kamen und Gäſte gingen, und noch immer iſt der nicht erſchienen, den wir brauchen können. Nun zeigte ein Herr Schützen- dorf vom Straßburger Stadttheater als Graf Luna im Trou- badour ganz paſſable Fähigkeiten, ein Eindruck, der in der zweiten Rolle, dem Herrn Fluth in den „Luſtigen Weibern von Windſor“, nicht gerade verſtärkt wurde; aber freilich iſt dieſe Rolle wenig geeignet, einen Sänger auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Troubadour, trat in der Rolle der Leonore ein Zufallsgaſt auf: Frau v. Szekrényeſſy, die wir vor Jahren einmal als Fidelio gehört hatten, ein ziemlich großer und ergiebiger Sopran und eine Schauſpielerin von noch achtungswerter Mittelmäßigkeit. Die hervorragend- ſten Leiſtungen jener Troubadour-Vorſtellung waren der Manrico des Herrn Wolf und die Azucena des Frl. Färber. In den Luſtigen Weibern, die meiſt zu unſeren beſſeren Opern-Aufführungen gehören, ſtand Frau Boſetti als Frau Fluth mit Herrn Sieglitz als Falſtaff an der Spitze. Fräul. Willer wird einmal eine gute Frau Reich werden. Bald darauf hatten wir auch noch einen Tenorgaſt: Herrn Batten von Straßburg, das überhaupt die Kriegslieferungen für uns zu beſorgen ſcheint. Er erwies ſich als Lionel in der Martha als ein ganz ergiebiger Tenor von echt lyriſchem Timbre und guter Stimmbildung. Als Schauſpieler konnte er ſich da nicht viel zeigen. Seine Leiſtung fand im Publi- kum eine ſympathiſche Aufnahme, das insbeſondere die ge- ſanglich und darſtelleriſch ausgezeichnete Wiedergabe der Titelrolle durch Frl. Ivogün auszeichnete. — In der Operette unſeres Gärtnertheaters hat man ſich mit Glück und Erfolg bemüht, auf ältere Operetten zurückzugreifen, die un- ſere raſch vergeſſende Generation kaum mehr kennt, auf Mil- löckers „Feldprediger“ und Carl Zellers „Oberſteiger“. Ich glaube, die Direktion hat es nicht zu bereuen. Im Schauſpiel iſt mehr als je rechter Hand und linker Hand der Maximilianſtraße, alles vertauſcht: Stücke, die ehemals im Hoftheater gegeben wurden, wandern hinüber ins Schauſpielhaus und umgekehrt. Zu den erſteren gehört die alte ſchon faſt ehrwürdige Soldatenkomödie „Krieg im Frieden“ von Moſer und Schönthan, die früher ein beliebtes Repertoireſtück unſeres Reſidenztheaters geweſen iſt. Nun wird ſie im Schauſpielhauſe gegeben unter Herrn Pepplers Leitung, der ſelbſt den General ſpielt. Und merkwürdig, es wird gerade ſoviel gelacht wie vor zwanzig und mehr Jah- ren, trotzdem daß „Krieg im Frieden“ eigentlich nicht das Soldatenſtück iſt, das wir heute brauchen. Aber vielleicht geht eines aus dieſem Kriege hervor. Das Stück konnte unter den gegenwärtigen Umſtänden nicht durchaus mit erſten Kräften beſetzt werden, insbeſondere mußten einzelne Herrenrollen gegenüber der Hoftheater-Beſetzung zurück- ſtehen, während die Frauenrollen ganz entſchieden beſſer beſetzt waren als zuletzt im Reſidenztheater, beſonders ſtellte die pikante Hertha Ruß eine treffliche Ilka Etvös auf die Bühne. Ibſens „Nordiſche Heerfahrt“ iſt dagegen vom Schau- ſpielhaus, wo ſie vor vier Jahren ein vorübergehendes Unter- kommen gefunden hatte, wieder herüber in das Hoftheater gewandert, wo ſie unter der Regie des Herrn Steinrück löb- licherweiſe neu einſtudiert gegeben wurde. Ehemals war ſie an dieſer Stelle ein häufiger Gaſt geweſen, namentlich als noch Ibſen ſelbſt jeden Nachmittag an einem Fenſter des Maximilian-Cafés zu ſehen war. Seitdem haben ſich die Zeiten freilich gewaltig geändert: wir ſind über Ibſen etwas hinausgewachſen. Und doch gehören gerade ſeine „Helden auf Helgeland“ nicht nur zu ſeinen älteſten, ſondern auch zu ſeinen beſten Stücken: es iſt noch nichts Krankhaftes in ihnen. Freilich Herr Steinrück gab ſeinen Sigurd viel zu ſehr in der Art der ſpäteren Ibſen’ſchen Reflexionshelden, und an unſere germaniſche Siegfriedsgeſtalt durfte man da- bei ſchon gar nicht denken. Weit beſſer war der Gunnar des Herrn Lützenkirchen, am beſten, ja geradezu eine herz- erfriſchende Figur der alte Oernulf des Herrn Jacobi. Für

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 7. November 1914, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine45_1914/10>, abgerufen am 15.05.2024.