Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der zuegehör der Deutschen Poesie/
vnd erstlich von der invention oder erfindung/

vnd Disposition oder abtheilung der dinge von
denen wir schreiben wollen.

JEil die Poesie/ wie auch die Rednerkunst/
in dinge vnd worte abgetheilet wird; als wollen wir
erstlich von erfindung vnd eintheilung der dinge/ nach-
mals von der zuebereitung vnd ziehr der worte/ vnnd endtlich
vom maße der sylben/ Verse/ reimen/ vnnd vnterschiedener
art der carminum vnd getichte reden.

Die erfindung der dinge ist nichts anders als eine sinnreiche
faßung aller sachen die wir vns einbilden können/ der Himlisch-
en vnd jrrdischen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein
Poete jhm zue beschreiben vnd herfür zue bringen vornimpt:
darvon in seiner Jdea Scaliger außfürlich berichtet. An dieser
erfindung henget siracks die abtheilung/ welche bestehet in einer
füglichen vnd artigen ordnung der erfundenen sachen. Hier
mußen wir vns besinnen/ in was für einem genere carminis
vnd art der getichte (weil ein jegliches seine besondere zuegehör
hat) wir zue schreiben willens sein.

Ein Heroisch getichte (das gemeiniglich weitleufftig ist/
vnd von hohem wesen redet) soll man stracks von seinem inn-
halte vnd der Proposition anheben; wie Virgilius in den büch-
ern vom Ackerbawe thut:

Quid faciat laetas segetes, quo sidere terram
Vertere, Maecenas, vlmisque adiungere vites
Conueniat; quae cura boum, qui cultus habendo
Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis,
Hinc canere incipiam.

Vnd ich (wiewol ich mich schäme/ das ich in mangel ande-

rer
Von der zuegehoͤr der Deutſchen Poeſie/
vnd erſtlich von der invention oder erfindung/

vnd Diſpoſition oder abtheilung der dinge von
denen wir ſchreiben wollen.

JEil die Poeſie/ wie auch die Rednerkunſt/
in dinge vnd worte abgetheilet wird; als wollen wir
erſtlich von erfindung vnd eintheilung der dinge/ nach-
mals von der zuebereitung vnd ziehr der worte/ vnnd endtlich
vom maße der ſylben/ Verſe/ reimen/ vnnd vnterſchiedener
art der carminum vnd getichte reden.

Die erfindung der dinge iſt nichts anders als eine ſinnreiche
faßung aller ſachen die wir vns einbilden koͤnnen/ der Himliſch-
en vnd jrrdiſchen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein
Poete jhm zue beſchreiben vnd herfuͤr zue bringen vornimpt:
darvon in ſeiner Jdea Scaliger außfuͤrlich berichtet. An dieſer
erfindung henget ſiracks die abtheilung/ welche beſtehet in einer
fuͤglichen vnd artigen ordnung der erfundenen ſachen. Hier
mußen wir vns beſinnen/ in was fuͤr einem genere carminis
vnd art der getichte (weil ein jegliches ſeine beſondere zuegehoͤr
hat) wir zue ſchreiben willens ſein.

Ein Heroiſch getichte (das gemeiniglich weitleufftig iſt/
vnd von hohem weſen redet) ſoll man ſtracks von ſeinem inn-
halte vnd der Propoſition anheben; wie Virgilius in den buͤch-
ern vom Ackerbawe thut:

Quid faciat lætas ſegetes, quo ſidere terram
Vertere, Mæcenas, vlmisque adiungere vites
Conueniat; quæ cura boum, qui cultus habendo
Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis,
Hinc canere incipiam.

Vnd ich (wiewol ich mich ſchaͤme/ das ich in mangel ande-

rer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0029"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">Von der zuegeho&#x0364;r der Deut&#x017F;chen Poe&#x017F;ie/<lb/>
vnd er&#x017F;tlich von der invention oder erfindung/</hi><lb/>
vnd Di&#x017F;po&#x017F;ition oder abtheilung der dinge von<lb/>
denen wir &#x017F;chreiben wollen.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>Eil die Poe&#x017F;ie/ wie auch die Rednerkun&#x017F;t/<lb/>
in dinge vnd worte abgetheilet wird; als wollen wir<lb/>
er&#x017F;tlich von erfindung vnd eintheilung der dinge/ nach-<lb/>
mals von der zuebereitung vnd ziehr der worte/ vnnd endtlich<lb/>
vom maße der &#x017F;ylben/ Ver&#x017F;e/ reimen/ vnnd vnter&#x017F;chiedener<lb/>
art der <hi rendition="#aq">carminum</hi> vnd getichte reden.</p><lb/>
        <p>Die erfindung der dinge i&#x017F;t nichts anders als eine &#x017F;innreiche<lb/>
faßung aller &#x017F;achen die wir vns einbilden ko&#x0364;nnen/ der Himli&#x017F;ch-<lb/>
en vnd jrrdi&#x017F;chen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein<lb/>
Poete jhm zue be&#x017F;chreiben vnd herfu&#x0364;r zue bringen vornimpt:<lb/>
darvon in &#x017F;einer Jdea Scaliger außfu&#x0364;rlich berichtet. An die&#x017F;er<lb/>
erfindung henget &#x017F;iracks die abtheilung/ welche be&#x017F;tehet in einer<lb/>
fu&#x0364;glichen vnd artigen ordnung der erfundenen &#x017F;achen. Hier<lb/>
mußen wir vns be&#x017F;innen/ in was fu&#x0364;r einem <hi rendition="#aq">genere carminis</hi><lb/>
vnd art der getichte (weil ein jegliches &#x017F;eine be&#x017F;ondere zuegeho&#x0364;r<lb/>
hat) wir zue &#x017F;chreiben willens &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Ein Heroi&#x017F;ch getichte (das gemeiniglich weitleufftig i&#x017F;t/<lb/>
vnd von hohem we&#x017F;en redet) &#x017F;oll man &#x017F;tracks von &#x017F;einem inn-<lb/>
halte vnd der Propo&#x017F;ition anheben; wie Virgilius in den bu&#x0364;ch-<lb/>
ern vom Ackerbawe thut:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#aq">Quid faciat lætas &#x017F;egetes, quo &#x017F;idere terram</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Vertere, Mæcenas, vlmisque adiungere vites</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Conueniat; quæ cura boum, qui cultus habendo</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#aq">Hinc canere incipiam.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Vnd ich (wiewol ich mich &#x017F;cha&#x0364;me/ das ich in mangel ande-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rer</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0029] Von der zuegehoͤr der Deutſchen Poeſie/ vnd erſtlich von der invention oder erfindung/ vnd Diſpoſition oder abtheilung der dinge von denen wir ſchreiben wollen. JEil die Poeſie/ wie auch die Rednerkunſt/ in dinge vnd worte abgetheilet wird; als wollen wir erſtlich von erfindung vnd eintheilung der dinge/ nach- mals von der zuebereitung vnd ziehr der worte/ vnnd endtlich vom maße der ſylben/ Verſe/ reimen/ vnnd vnterſchiedener art der carminum vnd getichte reden. Die erfindung der dinge iſt nichts anders als eine ſinnreiche faßung aller ſachen die wir vns einbilden koͤnnen/ der Himliſch- en vnd jrrdiſchen/ die Leben haben vnd nicht haben/ welche ein Poete jhm zue beſchreiben vnd herfuͤr zue bringen vornimpt: darvon in ſeiner Jdea Scaliger außfuͤrlich berichtet. An dieſer erfindung henget ſiracks die abtheilung/ welche beſtehet in einer fuͤglichen vnd artigen ordnung der erfundenen ſachen. Hier mußen wir vns beſinnen/ in was fuͤr einem genere carminis vnd art der getichte (weil ein jegliches ſeine beſondere zuegehoͤr hat) wir zue ſchreiben willens ſein. Ein Heroiſch getichte (das gemeiniglich weitleufftig iſt/ vnd von hohem weſen redet) ſoll man ſtracks von ſeinem inn- halte vnd der Propoſition anheben; wie Virgilius in den buͤch- ern vom Ackerbawe thut: Quid faciat lætas ſegetes, quo ſidere terram Vertere, Mæcenas, vlmisque adiungere vites Conueniat; quæ cura boum, qui cultus habendo Sit pecori, atque apibus quanta experientia parcis, Hinc canere incipiam. Vnd ich (wiewol ich mich ſchaͤme/ das ich in mangel ande- rer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/29
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/29>, abgerufen am 19.03.2024.