Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite
Das VI. Capitel.
Von der zuebereitung vnd ziehr
der worte.

NAch dem wir von den dingen gehandelt ha-
ben/ folgen jetzund die worte; wie es der natur auch ge-
meße ist. Denn es muß ein Mensch jhm erstlich etwas
in seinem gemüte fassen/ hernach das was er gefast hat außreden.
Die worte bestehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrlig-
keit/ in der composition oder zuesammensetzung/ vnd in der
dignitet vnd ansehen.

Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich sein.
Damit wir aber reine reden mögen/ sollen wir vns befleissen de-
me welches wir Hochdeutsch nennen besten vermögens nach zue
kommen/ vnd nicht derer örter sprache/ wo fallsch geredet wird/
in vnsere schrifften vermischen: als da sind/ es geschach/ für/
es geschahe/ er sach/ für/ er sahe; sie han/ für sie haben
vnd anderes mehr: welches dem reine auch bißweilen außhelf-
fen sol; als:

Der darff nicht sorgen für den spot/
Der einenschaden krieget hot.

So stehet es auch zum hefftigsten vnsauber/ wenn allerley
Lateinische/ Frantzösische/ Spanische vnnd Welsche wörter in
den tert vnserer rede geflickt werden; als wenn ich wolte sagen:

Nemt an die courtoisie, vnd die deuotion,
Die euch ein cheualier, madonna/ thut erzeigen;
Ein handvol von fauor petirt er nur zue lohn/
Vnd bleibet ewer Knecht vnd seruiteur gantz eigen.

Wie seltzam dieses nun klinget/ so ist nichts desto weniger die
thorheit innerhalb kurtzen Jharen so eingeriessen/ das ein jeder/

der
E
Das VI. Capitel.
Von der zuebereitung vnd ziehr
der worte.

NAch dem wir von den dingen gehandelt ha-
ben/ folgen jetzund die worte; wie es der natur auch ge-
meße iſt. Denn es muß ein Menſch jhm erſtlich etwas
in ſeinem gemuͤte faſſen/ hernach das was er gefaſt hat außreden.
Die worte beſtehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrlig-
keit/ in der compoſition oder zueſammenſetzung/ vnd in der
dignitet vnd anſehen.

Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich ſein.
Damit wir aber reine reden moͤgen/ ſollen wir vns befleiſſen de-
me welches wir Hochdeutſch nennen beſten vermoͤgens nach zue
kommen/ vnd nicht derer oͤrter ſprache/ wo fallſch geredet wird/
in vnſere ſchrifften vermiſchen: als da ſind/ es geſchach/ fuͤr/
es geſchahe/ er ſach/ fuͤr/ er ſahe; ſie han/ fuͤr ſie haben
vnd anderes mehr: welches dem reine auch bißweilen außhelf-
fen ſol; als:

Der darff nicht ſorgen fuͤr den ſpot/
Der einenſchaden krieget hot.

So ſtehet es auch zum hefftigſten vnſauber/ wenn allerley
Lateiniſche/ Frantzoͤſiſche/ Spaniſche vnnd Welſche woͤrter in
den tert vnſerer rede geflickt werden; als wenn ich wolte ſagen:

Nemt an die courtoiſie, vnd die deuotion,
Die euch ein cheualier, madonna/ thut erzeigen;
Ein handvol von fauor petirt er nur zue lohn/
Vnd bleibet ewer Knecht vnd ſeruiteur gantz eigẽ.

Wie ſeltzam dieſes nun klinget/ ſo iſt nichts deſto weniger die
thorheit innerhalb kurtzen Jharen ſo eingerieſſen/ das ein jeder/

der
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0039"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">VI.</hi> Capitel.<lb/>
Von der zuebereitung vnd ziehr<lb/>
der worte.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>Ach dem wir von den dingen gehandelt ha-<lb/>
ben/ folgen jetzund die worte; wie es der natur auch ge-<lb/>
meße i&#x017F;t. Denn es muß ein Men&#x017F;ch jhm er&#x017F;tlich etwas<lb/>
in &#x017F;einem gemu&#x0364;te fa&#x017F;&#x017F;en/ hernach das was er gefa&#x017F;t hat außreden.<lb/>
Die worte be&#x017F;tehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrlig-<lb/>
keit/ in der <hi rendition="#aq">compo&#x017F;ition</hi> oder zue&#x017F;ammen&#x017F;etzung/ vnd in der<lb/>
dignitet vnd an&#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich &#x017F;ein.<lb/>
Damit wir aber reine reden mo&#x0364;gen/ &#x017F;ollen wir vns beflei&#x017F;&#x017F;en de-<lb/>
me welches wir Hochdeut&#x017F;ch nennen be&#x017F;ten vermo&#x0364;gens nach zue<lb/>
kommen/ vnd nicht derer o&#x0364;rter &#x017F;prache/ wo fall&#x017F;ch geredet wird/<lb/>
in vn&#x017F;ere &#x017F;chrifften vermi&#x017F;chen: als da &#x017F;ind/ <hi rendition="#fr">es ge&#x017F;chach/</hi> fu&#x0364;r/<lb/><hi rendition="#fr">es ge&#x017F;chahe/ er &#x017F;ach/ fu&#x0364;r/ er &#x017F;ahe; &#x017F;ie han/</hi> fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">&#x017F;ie haben</hi><lb/>
vnd anderes mehr: welches dem reine auch bißweilen außhelf-<lb/>
fen &#x017F;ol; als:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Der darff nicht &#x017F;orgen fu&#x0364;r den &#x017F;pot/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Der einen&#x017F;chaden krieget hot.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>So &#x017F;tehet es auch zum hefftig&#x017F;ten vn&#x017F;auber/ wenn allerley<lb/>
Lateini&#x017F;che/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che/ Spani&#x017F;che vnnd Wel&#x017F;che wo&#x0364;rter in<lb/>
den tert vn&#x017F;erer rede geflickt werden; als wenn ich wolte &#x017F;agen:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Nemt an die</hi> <hi rendition="#aq">courtoi&#x017F;ie,</hi> <hi rendition="#fr">vnd die</hi> <hi rendition="#aq">deuotion,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Die euch ein</hi> <hi rendition="#aq">cheualier, madonna/</hi> <hi rendition="#fr">thut erzeigen;</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Ein handvol von</hi> <hi rendition="#aq">fauor petirt</hi> <hi rendition="#fr">er nur zue lohn/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Vnd bleibet ewer Knecht vnd</hi> <hi rendition="#aq">&#x017F;eruiteur</hi> <hi rendition="#fr">gantz eige&#x0303;.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Wie &#x017F;eltzam die&#x017F;es nun klinget/ &#x017F;o i&#x017F;t nichts de&#x017F;to weniger die<lb/>
thorheit innerhalb kurtzen Jharen &#x017F;o eingerie&#x017F;&#x017F;en/ das ein jeder/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] Das VI. Capitel. Von der zuebereitung vnd ziehr der worte. NAch dem wir von den dingen gehandelt ha- ben/ folgen jetzund die worte; wie es der natur auch ge- meße iſt. Denn es muß ein Menſch jhm erſtlich etwas in ſeinem gemuͤte faſſen/ hernach das was er gefaſt hat außreden. Die worte beſtehen in dreyerley; inn der elegantz oder ziehrlig- keit/ in der compoſition oder zueſammenſetzung/ vnd in der dignitet vnd anſehen. Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich ſein. Damit wir aber reine reden moͤgen/ ſollen wir vns befleiſſen de- me welches wir Hochdeutſch nennen beſten vermoͤgens nach zue kommen/ vnd nicht derer oͤrter ſprache/ wo fallſch geredet wird/ in vnſere ſchrifften vermiſchen: als da ſind/ es geſchach/ fuͤr/ es geſchahe/ er ſach/ fuͤr/ er ſahe; ſie han/ fuͤr ſie haben vnd anderes mehr: welches dem reine auch bißweilen außhelf- fen ſol; als: Der darff nicht ſorgen fuͤr den ſpot/ Der einenſchaden krieget hot. So ſtehet es auch zum hefftigſten vnſauber/ wenn allerley Lateiniſche/ Frantzoͤſiſche/ Spaniſche vnnd Welſche woͤrter in den tert vnſerer rede geflickt werden; als wenn ich wolte ſagen: Nemt an die courtoiſie, vnd die deuotion, Die euch ein cheualier, madonna/ thut erzeigen; Ein handvol von fauor petirt er nur zue lohn/ Vnd bleibet ewer Knecht vnd ſeruiteur gantz eigẽ. Wie ſeltzam dieſes nun klinget/ ſo iſt nichts deſto weniger die thorheit innerhalb kurtzen Jharen ſo eingerieſſen/ das ein jeder/ der E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/39
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/39>, abgerufen am 19.03.2024.