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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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pha setzend, "das ist der einzige Luxus, den ich nicht
entbehren könnte, und ich preise meinen Stern, der mich
in einer Zeit geboren werden ließ, wo man die Redens-
art: Kein Vergnügen ohne die Damen --, in die je-
denfalls passendere: Kein Vergnügen ohne eine Cigarre,
-- umgeändert hat."

"Sind Sie ein solcher Weiberfeind?"

"Keineswegs; im Gegentheil, ich beuge mich ganz
und gar dem französischen Wort: Ce que femme veut,
Dieu le veut
und ziehe -- deshalb gerade, die nicht
so anspruchsvolle Cigarre vor, die für uns glüht, ohne
das Gleiche zu verlangen, die interessant ist, ohne in-
teressirt sein zu wollen und so weiter, und so weiter!"

"Sie sind wirklich ein echtes Kind unserer Zeit, die
durch zu viele und zu verschiedenartige Anspannungen
im Ganzen, bei dem Einzelnen das Gehenlassen, die
Athaumasie, die Apathie zur Gottheit gemacht hat."

"Puh," sagte der Zeichner, eine gewaltige Dampf-
wolke fortblasend, "ich konnt's mir denken, da sind wir
schon in einem solchen Gespräche, wie sie alles Zusam-
menleben jetzt verbittern; übrigens ist unsere Zeit durch-
aus nicht apathisch, aber der Einzelne fängt an, das
wahre Princip herauszufinden, daß nämlich die Sache
durch die Sache gehen muß. -- Nicht jeder Erste Beste
soll sich fähig glauben, den Wegweiser spielen zu kön-

pha ſetzend, „das iſt der einzige Luxus, den ich nicht
entbehren könnte, und ich preiſe meinen Stern, der mich
in einer Zeit geboren werden ließ, wo man die Redens-
art: Kein Vergnügen ohne die Damen —, in die je-
denfalls paſſendere: Kein Vergnügen ohne eine Cigarre,
— umgeändert hat.“

„Sind Sie ein ſolcher Weiberfeind?“

„Keineswegs; im Gegentheil, ich beuge mich ganz
und gar dem franzöſiſchen Wort: Ce que femme veut,
Dieu le veut
und ziehe — deshalb gerade, die nicht
ſo anſpruchsvolle Cigarre vor, die für uns glüht, ohne
das Gleiche zu verlangen, die intereſſant iſt, ohne in-
tereſſirt ſein zu wollen und ſo weiter, und ſo weiter!“

„Sie ſind wirklich ein echtes Kind unſerer Zeit, die
durch zu viele und zu verſchiedenartige Anſpannungen
im Ganzen, bei dem Einzelnen das Gehenlaſſen, die
Athaumaſie, die Apathie zur Gottheit gemacht hat.“

„Puh,“ ſagte der Zeichner, eine gewaltige Dampf-
wolke fortblaſend, „ich konnt’s mir denken, da ſind wir
ſchon in einem ſolchen Geſpräche, wie ſie alles Zuſam-
menleben jetzt verbittern; übrigens iſt unſere Zeit durch-
aus nicht apathiſch, aber der Einzelne fängt an, das
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[40/0050] pha ſetzend, „das iſt der einzige Luxus, den ich nicht entbehren könnte, und ich preiſe meinen Stern, der mich in einer Zeit geboren werden ließ, wo man die Redens- art: Kein Vergnügen ohne die Damen —, in die je- denfalls paſſendere: Kein Vergnügen ohne eine Cigarre, — umgeändert hat.“ „Sind Sie ein ſolcher Weiberfeind?“ „Keineswegs; im Gegentheil, ich beuge mich ganz und gar dem franzöſiſchen Wort: Ce que femme veut, Dieu le veut und ziehe — deshalb gerade, die nicht ſo anſpruchsvolle Cigarre vor, die für uns glüht, ohne das Gleiche zu verlangen, die intereſſant iſt, ohne in- tereſſirt ſein zu wollen und ſo weiter, und ſo weiter!“ „Sie ſind wirklich ein echtes Kind unſerer Zeit, die durch zu viele und zu verſchiedenartige Anſpannungen im Ganzen, bei dem Einzelnen das Gehenlaſſen, die Athaumaſie, die Apathie zur Gottheit gemacht hat.“ „Puh,“ ſagte der Zeichner, eine gewaltige Dampf- wolke fortblaſend, „ich konnt’s mir denken, da ſind wir ſchon in einem ſolchen Geſpräche, wie ſie alles Zuſam- menleben jetzt verbittern; übrigens iſt unſere Zeit durch- aus nicht apathiſch, aber der Einzelne fängt an, das wahre Princip herauszufinden, daß nämlich die Sache durch die Sache gehen muß. — Nicht jeder Erſte Beſte ſoll ſich fähig glauben, den Wegweiſer ſpielen zu kön-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/50>, abgerufen am 26.04.2024.