Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Papierstreifen gekritzelt. Martha hat diesen Zettel dar-
auf fortgetragen, der Alte hat uns auf das Köpfchen
geklopft und gesagt: "Schwitzen, Schwitzen!" --

"Brr!" -- --

Mühe genug hat's dem Onkel Wachholder gekostet,
einen solchen kleinen, strampelnden Wildfang zur Raison
und ins Bett zu bringen. -- S'ist auch zu viel verlangt,
die Arme so ruhig unter die Decken zu halten und nur
den Kopf frei zu haben. -- Himmel, was bringt Martha
da für einen kleinen, braunen Kerl an! Er gleicht fast
dem Sem, dem Ham oder dem Japhet aus dem Noah-
kasten, trägt ein rothes Mützchen über das Gesicht ge-
zogen und mit einem Faden umbunden, und schleppt
hinter sich her einen langen, papiernen Zopf. Was ist's
für ein Glück, daß wir noch nicht im Stande sind, die
Inschrift darauf zu lesen:
Fräulein Elise Ralff.
Alle 2 St. einen Eßlöffel voll.

Wir sehen den Burschen aber doch mißtrauisch genug
aus unserm Bettchen an, und der Doctor Wimmer, der
zur Hülfe herübergekommen ist, (natürlich begleitet vom
Rezensenten) meint gegen mich gewandt:

"Geben Sie Acht, Wachholder, ohne Spectakel
wird's nicht abgehen. Das Volk hat sich erkältet oder

Papierſtreifen gekritzelt. Martha hat dieſen Zettel dar-
auf fortgetragen, der Alte hat uns auf das Köpfchen
geklopft und geſagt: „Schwitzen, Schwitzen!“ —

„Brr!“ — —

Mühe genug hat’s dem Onkel Wachholder gekoſtet,
einen ſolchen kleinen, ſtrampelnden Wildfang zur Raiſon
und ins Bett zu bringen. — S’iſt auch zu viel verlangt,
die Arme ſo ruhig unter die Decken zu halten und nur
den Kopf frei zu haben. — Himmel, was bringt Martha
da für einen kleinen, braunen Kerl an! Er gleicht faſt
dem Sem, dem Ham oder dem Japhet aus dem Noah-
kaſten, trägt ein rothes Mützchen über das Geſicht ge-
zogen und mit einem Faden umbunden, und ſchleppt
hinter ſich her einen langen, papiernen Zopf. Was iſt’s
für ein Glück, daß wir noch nicht im Stande ſind, die
Inſchrift darauf zu leſen:
Fräulein Eliſe Ralff.
Alle 2 St. einen Eßlöffel voll.

Wir ſehen den Burſchen aber doch mißtrauiſch genug
aus unſerm Bettchen an, und der Doctor Wimmer, der
zur Hülfe herübergekommen iſt, (natürlich begleitet vom
Rezenſenten) meint gegen mich gewandt:

„Geben Sie Acht, Wachholder, ohne Spectakel
wird’s nicht abgehen. Das Volk hat ſich erkältet oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="85"/>
Papier&#x017F;treifen gekritzelt. Martha hat die&#x017F;en Zettel dar-<lb/>
auf fortgetragen, der Alte hat uns auf das Köpfchen<lb/>
geklopft und ge&#x017F;agt: &#x201E;Schwitzen, Schwitzen!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Brr!&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mühe genug hat&#x2019;s dem Onkel Wachholder geko&#x017F;tet,<lb/>
einen &#x017F;olchen kleinen, &#x017F;trampelnden Wildfang zur Rai&#x017F;on<lb/>
und ins Bett zu bringen. &#x2014; S&#x2019;i&#x017F;t auch zu viel verlangt,<lb/>
die Arme &#x017F;o ruhig unter die Decken zu halten und nur<lb/>
den Kopf frei zu haben. &#x2014; Himmel, was bringt Martha<lb/>
da für einen kleinen, braunen Kerl an! Er gleicht fa&#x017F;t<lb/>
dem Sem, dem Ham oder dem Japhet aus dem Noah-<lb/>
ka&#x017F;ten, trägt ein rothes Mützchen über das Ge&#x017F;icht ge-<lb/>
zogen und mit einem Faden umbunden, und &#x017F;chleppt<lb/>
hinter &#x017F;ich her einen langen, papiernen Zopf. Was i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
für ein Glück, daß wir noch nicht im Stande &#x017F;ind, die<lb/>
In&#x017F;chrift darauf zu le&#x017F;en:<lb/><hi rendition="#c">Fräulein Eli&#x017F;e Ralff.</hi><lb/><hi rendition="#et">Alle 2 St. einen Eßlöffel voll.</hi></p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;ehen den Bur&#x017F;chen aber doch mißtraui&#x017F;ch genug<lb/>
aus un&#x017F;erm Bettchen an, und der Doctor Wimmer, der<lb/>
zur Hülfe herübergekommen i&#x017F;t, (natürlich begleitet vom<lb/>
Rezen&#x017F;enten) meint gegen mich gewandt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Geben Sie Acht, Wachholder, ohne Spectakel<lb/>
wird&#x2019;s nicht abgehen. Das Volk hat &#x017F;ich erkältet oder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0095] Papierſtreifen gekritzelt. Martha hat dieſen Zettel dar- auf fortgetragen, der Alte hat uns auf das Köpfchen geklopft und geſagt: „Schwitzen, Schwitzen!“ — „Brr!“ — — Mühe genug hat’s dem Onkel Wachholder gekoſtet, einen ſolchen kleinen, ſtrampelnden Wildfang zur Raiſon und ins Bett zu bringen. — S’iſt auch zu viel verlangt, die Arme ſo ruhig unter die Decken zu halten und nur den Kopf frei zu haben. — Himmel, was bringt Martha da für einen kleinen, braunen Kerl an! Er gleicht faſt dem Sem, dem Ham oder dem Japhet aus dem Noah- kaſten, trägt ein rothes Mützchen über das Geſicht ge- zogen und mit einem Faden umbunden, und ſchleppt hinter ſich her einen langen, papiernen Zopf. Was iſt’s für ein Glück, daß wir noch nicht im Stande ſind, die Inſchrift darauf zu leſen: Fräulein Eliſe Ralff. Alle 2 St. einen Eßlöffel voll. Wir ſehen den Burſchen aber doch mißtrauiſch genug aus unſerm Bettchen an, und der Doctor Wimmer, der zur Hülfe herübergekommen iſt, (natürlich begleitet vom Rezenſenten) meint gegen mich gewandt: „Geben Sie Acht, Wachholder, ohne Spectakel wird’s nicht abgehen. Das Volk hat ſich erkältet oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/95
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/95>, abgerufen am 27.04.2024.