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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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5. Papierindustrie.
Ehren beliebter Götzen alljährlich wiederkehren, mit Aufzügen, die
etwas an diejenigen beim Carneval erinnern, dürfen Chochin nicht
fehlen. Oft ist eine Strasse, ja ein ganzes Quartier in der Nähe des
Tempels mit solchen Papierlaternen in gleicher Weise geschmückt.
Wie der grüne Tannenbaum in einer modernen via triumphalis, so
fungieren dann zu beiden Seiten der Strasse Reihen in die Erde ge-
senkter Bambusrohre mit daranhängenden schönen Papierlaternen, zu-
weilen noch überdacht von einem grossen Schirmgestell, dessen lange
Strahlen mit Papierblumen von abwechselnd rother und weisser Farbe
besetzt sind.

Die bekanntesten Artikel aus japanischem Bastpapier,*) welche
in Europa und mehr noch in Nordamerika eine grosse Beliebtheit und
weite Verbreitung gefunden haben, sind unstreitig die Fächer. Man
unterscheidet sie in Ogi, das sind solche, welche sich zusammenlegen
lassen, und in Uchiwa, das sind die einfachen, steifen, runden. Für
den einheimischen Bedarf werden beide Arten seit Jahrhunderten vor-
nehmlich in den drei Hauptstädten oder Fu (Kioto, Ozaka und Tokio)
verfertigt, ebenso für die Ausfuhr in neuerer Zeit; doch nehmen daran
auch andere Städte, wie Nagoya und Fushimi mehr oder minder Theil.
Dieser Export hat der Industrie einen neuen Aufschwung gebracht,
auch eine fabrikmässige Arbeitstheilung bewirkt, wie sie in dem Maasse
früher nicht bestand. Da gibt es Musterzeichner, nach deren Ent-
würfen gearbeitet wird, Häuser, welche nur die Rahmen aus Bambus-
rohr liefern, und andere, in denen die Griffe lackiert und verziert
werden. Einer andern Gruppe von Personen liegt das Bemalen oder
Bedrucken des Papiers ob, worauf oft auch der fremde Abnehmer
seinen Einfluss übt, wiewohl nicht immer mit gutem Geschmack.

Gestelle und verzierte Bogen, welche die beiden Seiten der Fächer
bedecken sollen, kommen sodann in die Hände anderer Arbeiter, die
sich wiederum in mehrere Gruppen theilen und deren erste Aufgabe
darin besteht, das Papier den Bambusrippen entsprechend zu falten.
Darauf wird mit Hülfe von Kleister ein Blatt Papier auf der einen
Seite der Rippen befestigt, worauf die andere Seite mit einem ent-
sprechenden zweiten bemalten Blatt in der nämlichen Weise verbunden
wird. Ist dieses geschehen, so muss man den Fächer noch wiederholt
öffnen und schliessen, auch sonst noch da und dort bei einer unge-
fügigen Stelle nachhelfen, damit das Papier sich geläufig in die be-
stimmten Falten legen und leicht wieder ausbreiten lässt, wie es der
Zweck erfordert und nur ein so zähes und gefügiges Material, wie das

*) Das in vielen Fällen auch durch leichtes Baumwoll- oder Seidengewebe
ersetzt wird.

5. Papierindustrie.
Ehren beliebter Götzen alljährlich wiederkehren, mit Aufzügen, die
etwas an diejenigen beim Carneval erinnern, dürfen Chôchin nicht
fehlen. Oft ist eine Strasse, ja ein ganzes Quartier in der Nähe des
Tempels mit solchen Papierlaternen in gleicher Weise geschmückt.
Wie der grüne Tannenbaum in einer modernen via triumphalis, so
fungieren dann zu beiden Seiten der Strasse Reihen in die Erde ge-
senkter Bambusrohre mit daranhängenden schönen Papierlaternen, zu-
weilen noch überdacht von einem grossen Schirmgestell, dessen lange
Strahlen mit Papierblumen von abwechselnd rother und weisser Farbe
besetzt sind.

Die bekanntesten Artikel aus japanischem Bastpapier,*) welche
in Europa und mehr noch in Nordamerika eine grosse Beliebtheit und
weite Verbreitung gefunden haben, sind unstreitig die Fächer. Man
unterscheidet sie in Ôgi, das sind solche, welche sich zusammenlegen
lassen, und in Uchiwa, das sind die einfachen, steifen, runden. Für
den einheimischen Bedarf werden beide Arten seit Jahrhunderten vor-
nehmlich in den drei Hauptstädten oder Fu (Kiôto, Ôzaka und Tôkio)
verfertigt, ebenso für die Ausfuhr in neuerer Zeit; doch nehmen daran
auch andere Städte, wie Nagoya und Fushimi mehr oder minder Theil.
Dieser Export hat der Industrie einen neuen Aufschwung gebracht,
auch eine fabrikmässige Arbeitstheilung bewirkt, wie sie in dem Maasse
früher nicht bestand. Da gibt es Musterzeichner, nach deren Ent-
würfen gearbeitet wird, Häuser, welche nur die Rahmen aus Bambus-
rohr liefern, und andere, in denen die Griffe lackiert und verziert
werden. Einer andern Gruppe von Personen liegt das Bemalen oder
Bedrucken des Papiers ob, worauf oft auch der fremde Abnehmer
seinen Einfluss übt, wiewohl nicht immer mit gutem Geschmack.

Gestelle und verzierte Bogen, welche die beiden Seiten der Fächer
bedecken sollen, kommen sodann in die Hände anderer Arbeiter, die
sich wiederum in mehrere Gruppen theilen und deren erste Aufgabe
darin besteht, das Papier den Bambusrippen entsprechend zu falten.
Darauf wird mit Hülfe von Kleister ein Blatt Papier auf der einen
Seite der Rippen befestigt, worauf die andere Seite mit einem ent-
sprechenden zweiten bemalten Blatt in der nämlichen Weise verbunden
wird. Ist dieses geschehen, so muss man den Fächer noch wiederholt
öffnen und schliessen, auch sonst noch da und dort bei einer unge-
fügigen Stelle nachhelfen, damit das Papier sich geläufig in die be-
stimmten Falten legen und leicht wieder ausbreiten lässt, wie es der
Zweck erfordert und nur ein so zähes und gefügiges Material, wie das

*) Das in vielen Fällen auch durch leichtes Baumwoll- oder Seidengewebe
ersetzt wird.
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[495/0539] 5. Papierindustrie. Ehren beliebter Götzen alljährlich wiederkehren, mit Aufzügen, die etwas an diejenigen beim Carneval erinnern, dürfen Chôchin nicht fehlen. Oft ist eine Strasse, ja ein ganzes Quartier in der Nähe des Tempels mit solchen Papierlaternen in gleicher Weise geschmückt. Wie der grüne Tannenbaum in einer modernen via triumphalis, so fungieren dann zu beiden Seiten der Strasse Reihen in die Erde ge- senkter Bambusrohre mit daranhängenden schönen Papierlaternen, zu- weilen noch überdacht von einem grossen Schirmgestell, dessen lange Strahlen mit Papierblumen von abwechselnd rother und weisser Farbe besetzt sind. Die bekanntesten Artikel aus japanischem Bastpapier, *) welche in Europa und mehr noch in Nordamerika eine grosse Beliebtheit und weite Verbreitung gefunden haben, sind unstreitig die Fächer. Man unterscheidet sie in Ôgi, das sind solche, welche sich zusammenlegen lassen, und in Uchiwa, das sind die einfachen, steifen, runden. Für den einheimischen Bedarf werden beide Arten seit Jahrhunderten vor- nehmlich in den drei Hauptstädten oder Fu (Kiôto, Ôzaka und Tôkio) verfertigt, ebenso für die Ausfuhr in neuerer Zeit; doch nehmen daran auch andere Städte, wie Nagoya und Fushimi mehr oder minder Theil. Dieser Export hat der Industrie einen neuen Aufschwung gebracht, auch eine fabrikmässige Arbeitstheilung bewirkt, wie sie in dem Maasse früher nicht bestand. Da gibt es Musterzeichner, nach deren Ent- würfen gearbeitet wird, Häuser, welche nur die Rahmen aus Bambus- rohr liefern, und andere, in denen die Griffe lackiert und verziert werden. Einer andern Gruppe von Personen liegt das Bemalen oder Bedrucken des Papiers ob, worauf oft auch der fremde Abnehmer seinen Einfluss übt, wiewohl nicht immer mit gutem Geschmack. Gestelle und verzierte Bogen, welche die beiden Seiten der Fächer bedecken sollen, kommen sodann in die Hände anderer Arbeiter, die sich wiederum in mehrere Gruppen theilen und deren erste Aufgabe darin besteht, das Papier den Bambusrippen entsprechend zu falten. Darauf wird mit Hülfe von Kleister ein Blatt Papier auf der einen Seite der Rippen befestigt, worauf die andere Seite mit einem ent- sprechenden zweiten bemalten Blatt in der nämlichen Weise verbunden wird. Ist dieses geschehen, so muss man den Fächer noch wiederholt öffnen und schliessen, auch sonst noch da und dort bei einer unge- fügigen Stelle nachhelfen, damit das Papier sich geläufig in die be- stimmten Falten legen und leicht wieder ausbreiten lässt, wie es der Zweck erfordert und nur ein so zähes und gefügiges Material, wie das *) Das in vielen Fällen auch durch leichtes Baumwoll- oder Seidengewebe ersetzt wird.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/539>, abgerufen am 26.04.2024.