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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Deß innerlichen Gebetts.
Gott über dich geschehen/ sonderlich lieben/ mit danckbarem Gemüth umb-
fahen/ und dich so grosser Wohlthat unwürdig schätzen.

Wie du dich nach der Betrachtung verhal-
ten sollest.

Auff daß die Betrachtung gebührend/ recht und nützlich gehalten wer-
de/ so geziembt sichs/ daß du auch zum End derselben verrichtest/ was ich
dir hierunten verzeichnet hab.

Nach gehaltener Betrachtung mustu genau erforschen/ wie dir die
Betrachtung gelungen seye. Jst sie übel abgelauffen/ so mustu die
Ursach dessen untersuchen; und nachdem du selbige gefunden hast/
solstu über sothane unglückliche Betrachtung Leyd tragen/ und dir vestig-
lich fürnehmen/ hinführo mit mehrerem Eiffer und Andacht zu betrachten.
Die Zeichen aber einer wohl-gehaltenen Betrachtung seynd diese. Erstlich
wann du ein Stund lang nach der Betrachtung/ dich noch begierig und be-
reitbefindest abermahl zu betrachten/ wanns die Obrigkeit und Gelegenheit
zuliesse. Wann du nicht williglich in allerhand verstrueten Gedancken
dich auffhaltest. Drittens/ wann du die gewöhnliche Weiß wohl zu be-
trachten haltest. Viertens/ wann du das jenige/ so dir in der Betrachtung
zu bessern hast fürgenommen/ im Werck auch vollbringest: und wann du
solches an dir vollziehest/ daß du alsdann vermerckest/ daß dir selbiges leicht
falle/ und daß du eine ungewönliche Stärcke und Lust zum Guten/ nicht al-
lein in Zeit der Tröstung/ sondern auch der Versuchungen empsindest.

Die Zeichen einer übelgehaltenen Betrachtung seynd diese: Erstlich/ wann
du mit einem Verdruß derselben abwartest/ und zu der gesetzten Stund ver-
langest. Zweitens/ wann du in Abwendung der frembden Gedancken bist nach
lässig gewesen. Drittens/ wan du die Weiß und Ordnung nicht gehalten hast.
Viertens/ wann du dir keine würekliche Fürnehmen mit einem Nachdruck
gemacht hast; oder die gemachte nicht vollzogen hast. Fünfftens/ wann du
einen geringen Eiffer zur Vollkommenheit zu gelangen/ in dir empfindest.

Weiters solstu nach der Betrachtung dir ernstlich fürnehmen/ den ge-
fasten Willen im Guten jederzeit/ und auffs wenigst denselben Tag/ ins
Werck zu stellen: auch an selbigem Tag/ so offt du deiner gehaltenen Be-
trachtung gedenckest/ kanstu den gemachten Fürsatz gar kürtzlich widerho-
len/ &c.

Allhier könte ich dir/ mein Christliche Seel/ die übliche Fürsetz der dreyen
Weegen oder Ständen der Vollkommenheit vor Augen stellen; dieweilen

aber

Deß innerlichen Gebetts.
Gott uͤber dich geſchehen/ ſonderlich lieben/ mit danckbarem Gemuͤth umb-
fahen/ und dich ſo groſſer Wohlthat unwuͤrdig ſchaͤtzen.

Wie du dich nach der Betrachtung verhal-
ten ſolleſt.

Auff daß die Betrachtung gebuͤhrend/ recht und nuͤtzlich gehalten wer-
de/ ſo geziembt ſichs/ daß du auch zum End derſelben verrichteſt/ was ich
dir hierunten verzeichnet hab.

Nach gehaltener Betrachtung muſtu genau erforſchen/ wie dir die
Betrachtung gelungen ſeye. Jſt ſie uͤbel abgelauffen/ ſo muſtu die
Urſach deſſen unterſuchen; und nachdem du ſelbige gefunden haſt/
ſolſtu uͤber ſothane ungluͤckliche Betrachtung Leyd tragen/ und dir veſtig-
lich fuͤrnehmen/ hinfuͤhro mit mehrerem Eiffer und Andacht zu betrachten.
Die Zeichen aber einer wohl-gehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe. Erſtlich
wann du ein Stund lang nach der Betrachtung/ dich noch begierig und be-
reitbefindeſt abermahl zu betrachten/ wanns die Obrigkeit und Gelegenheit
zulieſſe. Wann du nicht williglich in allerhand verſtrueten Gedancken
dich auffhalteſt. Drittens/ wann du die gewoͤhnliche Weiß wohl zu be-
trachten halteſt. Viertens/ wann du das jenige/ ſo dir in der Betrachtung
zu beſſern haſt fuͤrgenommen/ im Werck auch vollbringeſt: und wann du
ſolches an dir vollzieheſt/ daß du alsdann vermerckeſt/ daß dir ſelbiges leicht
falle/ und daß du eine ungewoͤnliche Staͤrcke und Luſt zum Guten/ nicht al-
lein in Zeit der Troͤſtung/ ſondern auch der Verſuchungen empſindeſt.

Die Zeichen einer uͤbelgehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe: Erſtlich/ wann
du mit einem Verdruß derſelben abwarteſt/ und zu der geſetzten Stund ver-
langeſt. Zweitens/ wann du in Abwendung der frembden Gedancken biſt nach
laͤſſig geweſen. Drittens/ wan du die Weiß und Ordnung nicht gehalten haſt.
Viertens/ wann du dir keine wuͤrekliche Fuͤrnehmen mit einem Nachdruck
gemacht haſt; oder die gemachte nicht vollzogen haſt. Fuͤnfftens/ wann du
einen geringen Eiffer zur Vollkommenheit zu gelangen/ in dir empfindeſt.

Weiters ſolſtu nach der Betrachtung dir ernſtlich fuͤrnehmen/ den ge-
faſten Willen im Guten jederzeit/ und auffs wenigſt denſelben Tag/ ins
Werck zu ſtellen: auch an ſelbigem Tag/ ſo offt du deiner gehaltenen Be-
trachtung gedenckeſt/ kanſtu den gemachten Fuͤrſatz gar kuͤrtzlich widerho-
len/ &c.

Allhier koͤnte ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ die uͤbliche Fuͤrſetz der dreyen
Weegen oder Staͤnden der Vollkommenheit vor Augen ſtellen; dieweilen

aber
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[479/0507] Deß innerlichen Gebetts. Gott uͤber dich geſchehen/ ſonderlich lieben/ mit danckbarem Gemuͤth umb- fahen/ und dich ſo groſſer Wohlthat unwuͤrdig ſchaͤtzen. Wie du dich nach der Betrachtung verhal- ten ſolleſt. Auff daß die Betrachtung gebuͤhrend/ recht und nuͤtzlich gehalten wer- de/ ſo geziembt ſichs/ daß du auch zum End derſelben verrichteſt/ was ich dir hierunten verzeichnet hab. Nach gehaltener Betrachtung muſtu genau erforſchen/ wie dir die Betrachtung gelungen ſeye. Jſt ſie uͤbel abgelauffen/ ſo muſtu die Urſach deſſen unterſuchen; und nachdem du ſelbige gefunden haſt/ ſolſtu uͤber ſothane ungluͤckliche Betrachtung Leyd tragen/ und dir veſtig- lich fuͤrnehmen/ hinfuͤhro mit mehrerem Eiffer und Andacht zu betrachten. Die Zeichen aber einer wohl-gehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe. Erſtlich wann du ein Stund lang nach der Betrachtung/ dich noch begierig und be- reitbefindeſt abermahl zu betrachten/ wanns die Obrigkeit und Gelegenheit zulieſſe. Wann du nicht williglich in allerhand verſtrueten Gedancken dich auffhalteſt. Drittens/ wann du die gewoͤhnliche Weiß wohl zu be- trachten halteſt. Viertens/ wann du das jenige/ ſo dir in der Betrachtung zu beſſern haſt fuͤrgenommen/ im Werck auch vollbringeſt: und wann du ſolches an dir vollzieheſt/ daß du alsdann vermerckeſt/ daß dir ſelbiges leicht falle/ und daß du eine ungewoͤnliche Staͤrcke und Luſt zum Guten/ nicht al- lein in Zeit der Troͤſtung/ ſondern auch der Verſuchungen empſindeſt. Die Zeichen einer uͤbelgehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe: Erſtlich/ wann du mit einem Verdruß derſelben abwarteſt/ und zu der geſetzten Stund ver- langeſt. Zweitens/ wann du in Abwendung der frembden Gedancken biſt nach laͤſſig geweſen. Drittens/ wan du die Weiß und Ordnung nicht gehalten haſt. Viertens/ wann du dir keine wuͤrekliche Fuͤrnehmen mit einem Nachdruck gemacht haſt; oder die gemachte nicht vollzogen haſt. Fuͤnfftens/ wann du einen geringen Eiffer zur Vollkommenheit zu gelangen/ in dir empfindeſt. Weiters ſolſtu nach der Betrachtung dir ernſtlich fuͤrnehmen/ den ge- faſten Willen im Guten jederzeit/ und auffs wenigſt denſelben Tag/ ins Werck zu ſtellen: auch an ſelbigem Tag/ ſo offt du deiner gehaltenen Be- trachtung gedenckeſt/ kanſtu den gemachten Fuͤrſatz gar kuͤrtzlich widerho- len/ &c. Allhier koͤnte ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ die uͤbliche Fuͤrſetz der dreyen Weegen oder Staͤnden der Vollkommenheit vor Augen ſtellen; dieweilen aber

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/507>, abgerufen am 26.04.2024.