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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 141. Vertrag. (Fortsetzung.)
tragsnatur augenscheinlicher und wirksamer als in anderen
Anwendungen hervortritt. Dieses zeigt sich deutlich in ei-
ner Stelle des Ulpian, welcher den Vertragsbegriff im
Allgemeinen festzustellen sucht (b). Er wählt dafür zuerst
den Ausdruck Pactio, und erklärt diesen genau in dem
allgemeinen, umfassenden Sinn, welchen ich dem Vertrag
zugeschrieben habe: Pactio est duorum pluriumve in idem
placitum consensus.
Darauf wird der Ausdruck Conventio
gebraucht, augenscheinlich nur als abwechslende Bezeich-
nung, nicht als ob Conventio etwas Anderes, oder Enge-
res, oder Weiteres ausdrücken sollte. Diese Conventio
nun wird Anfangs eben so allgemein erklärt, dann aber
verliert sich unvermerkt der Gattungsbegriff ganz in die
einzelne Art der obligatorischen Verträge.

Man könnte jedoch leicht diesem Gegensatz der Mey-
nungen eine größere Wichtigkeit beylegen, als ihm in der
That zukommt. Wenn nämlich nun von mir allgemeine
Rechtsregeln über die Verträge aufgestellt würden, die ich
auf die Ehe, Tradition u. s. w. anwendete, während An-
dere diese Anwendung unterließen, so würde darin eine
wichtige praktische Verschiedenheit enthalten seyn. So ist
es aber nicht. Denn die für die Verträge geltenden Rechts-
regeln beziehen sich auf die ihnen zum Grunde liegenden
allgemeineren Begriffe der freyen Handlungen oder der
Willenserklärungen (§ 104. 106. 114); so die Lehre von
den Altersstufen, von Zwang und Irrthum, von den Be-

(b) L. 1 § 2. 3. 4 de pactis (2. 14.).

§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.)
tragsnatur augenſcheinlicher und wirkſamer als in anderen
Anwendungen hervortritt. Dieſes zeigt ſich deutlich in ei-
ner Stelle des Ulpian, welcher den Vertragsbegriff im
Allgemeinen feſtzuſtellen ſucht (b). Er wählt dafür zuerſt
den Ausdruck Pactio, und erklärt dieſen genau in dem
allgemeinen, umfaſſenden Sinn, welchen ich dem Vertrag
zugeſchrieben habe: Pactio est duorum pluriumve in idem
placitum consensus.
Darauf wird der Ausdruck Conventio
gebraucht, augenſcheinlich nur als abwechslende Bezeich-
nung, nicht als ob Conventio etwas Anderes, oder Enge-
res, oder Weiteres ausdrücken ſollte. Dieſe Conventio
nun wird Anfangs eben ſo allgemein erklärt, dann aber
verliert ſich unvermerkt der Gattungsbegriff ganz in die
einzelne Art der obligatoriſchen Verträge.

Man könnte jedoch leicht dieſem Gegenſatz der Mey-
nungen eine groͤßere Wichtigkeit beylegen, als ihm in der
That zukommt. Wenn nämlich nun von mir allgemeine
Rechtsregeln über die Verträge aufgeſtellt würden, die ich
auf die Ehe, Tradition u. ſ. w. anwendete, während An-
dere dieſe Anwendung unterließen, ſo würde darin eine
wichtige praktiſche Verſchiedenheit enthalten ſeyn. So iſt
es aber nicht. Denn die für die Verträge geltenden Rechts-
regeln beziehen ſich auf die ihnen zum Grunde liegenden
allgemeineren Begriffe der freyen Handlungen oder der
Willenserklärungen (§ 104. 106. 114); ſo die Lehre von
den Altersſtufen, von Zwang und Irrthum, von den Be-

(b) L. 1 § 2. 3. 4 de pactis (2. 14.).
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[315/0327] §. 141. Vertrag. (Fortſetzung.) tragsnatur augenſcheinlicher und wirkſamer als in anderen Anwendungen hervortritt. Dieſes zeigt ſich deutlich in ei- ner Stelle des Ulpian, welcher den Vertragsbegriff im Allgemeinen feſtzuſtellen ſucht (b). Er wählt dafür zuerſt den Ausdruck Pactio, und erklärt dieſen genau in dem allgemeinen, umfaſſenden Sinn, welchen ich dem Vertrag zugeſchrieben habe: Pactio est duorum pluriumve in idem placitum consensus. Darauf wird der Ausdruck Conventio gebraucht, augenſcheinlich nur als abwechslende Bezeich- nung, nicht als ob Conventio etwas Anderes, oder Enge- res, oder Weiteres ausdrücken ſollte. Dieſe Conventio nun wird Anfangs eben ſo allgemein erklärt, dann aber verliert ſich unvermerkt der Gattungsbegriff ganz in die einzelne Art der obligatoriſchen Verträge. Man könnte jedoch leicht dieſem Gegenſatz der Mey- nungen eine groͤßere Wichtigkeit beylegen, als ihm in der That zukommt. Wenn nämlich nun von mir allgemeine Rechtsregeln über die Verträge aufgeſtellt würden, die ich auf die Ehe, Tradition u. ſ. w. anwendete, während An- dere dieſe Anwendung unterließen, ſo würde darin eine wichtige praktiſche Verſchiedenheit enthalten ſeyn. So iſt es aber nicht. Denn die für die Verträge geltenden Rechts- regeln beziehen ſich auf die ihnen zum Grunde liegenden allgemeineren Begriffe der freyen Handlungen oder der Willenserklärungen (§ 104. 106. 114); ſo die Lehre von den Altersſtufen, von Zwang und Irrthum, von den Be- (b) L. 1 § 2. 3. 4 de pactis (2. 14.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/327>, abgerufen am 26.04.2024.