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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
erlassen werden nicht lediglich um der Personen Willen,
welche die Träger der Rechte sind. -- Die Gesetze dieser
Klasse können beruhen auf sittlichen Gründen. Dahin
gehört jedes Ehegesetz, welches die Polygamie ausschließt.
-- Sie können auch beruhen auf Gründen des öffent-
lichen Wohls
(publica utilitas), mögen diese nun mehr
einen politischen, einen polizeilichen, oder einen volkswirth-
schaftlichen Charakter an sich tragen. Dahin gehören
manche Gesetze, welche den Erwerb des Grundeigenthums
von Seiten der Juden einschränken.

Alle Gesetze solcher Art gehören zu den oben erwähn-
ten Ausnahmefällen, so daß in Beziehung auf ihre Anwen-
dung jeder Staat für sich als völlig abgeschlossen erscheint.
-- Schließt also das Gesetz unsers Staates die Polygamie
aus, so muß unser Richter auch der polygamischen Ehe
solcher Ausländer, deren Landesgesetz sie zuläßt, den Rechts-
schutz versagen. -- Untersagt unser Gesetz den Juden die
Erwerbung des Grundeigenthums, so muß unser Richter
nicht nur den einheimischen Juden den Erwerb untersagen,
sondern auch den auswärtigen, in deren Staat ein solches
Verbot nicht besteht, wenngleich nach den allgemeinen Re-
geln über die Collision die persönliche Rechtsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit nach den Gesetzen des Wohnsitzes der
Person beurtheilt werden müßte. Ebenso aber umgekehrt
wird der fremde Staat, dessen Gesetz eine solche Beschrän-
kung der Juden nicht kennt, auch die unserm Staate ange-

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
erlaſſen werden nicht lediglich um der Perſonen Willen,
welche die Träger der Rechte ſind. — Die Geſetze dieſer
Klaſſe können beruhen auf ſittlichen Gründen. Dahin
gehört jedes Ehegeſetz, welches die Polygamie ausſchließt.
— Sie können auch beruhen auf Gründen des öffent-
lichen Wohls
(publica utilitas), mögen dieſe nun mehr
einen politiſchen, einen polizeilichen, oder einen volkswirth-
ſchaftlichen Charakter an ſich tragen. Dahin gehören
manche Geſetze, welche den Erwerb des Grundeigenthums
von Seiten der Juden einſchränken.

Alle Geſetze ſolcher Art gehören zu den oben erwähn-
ten Ausnahmefällen, ſo daß in Beziehung auf ihre Anwen-
dung jeder Staat für ſich als völlig abgeſchloſſen erſcheint.
— Schließt alſo das Geſetz unſers Staates die Polygamie
aus, ſo muß unſer Richter auch der polygamiſchen Ehe
ſolcher Ausländer, deren Landesgeſetz ſie zuläßt, den Rechts-
ſchutz verſagen. — Unterſagt unſer Geſetz den Juden die
Erwerbung des Grundeigenthums, ſo muß unſer Richter
nicht nur den einheimiſchen Juden den Erwerb unterſagen,
ſondern auch den auswärtigen, in deren Staat ein ſolches
Verbot nicht beſteht, wenngleich nach den allgemeinen Re-
geln über die Colliſion die perſönliche Rechtsfähigkeit und
Handlungsfähigkeit nach den Geſetzen des Wohnſitzes der
Perſon beurtheilt werden müßte. Ebenſo aber umgekehrt
wird der fremde Staat, deſſen Geſetz eine ſolche Beſchrän-
kung der Juden nicht kennt, auch die unſerm Staate ange-

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[36/0058] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. erlaſſen werden nicht lediglich um der Perſonen Willen, welche die Träger der Rechte ſind. — Die Geſetze dieſer Klaſſe können beruhen auf ſittlichen Gründen. Dahin gehört jedes Ehegeſetz, welches die Polygamie ausſchließt. — Sie können auch beruhen auf Gründen des öffent- lichen Wohls (publica utilitas), mögen dieſe nun mehr einen politiſchen, einen polizeilichen, oder einen volkswirth- ſchaftlichen Charakter an ſich tragen. Dahin gehören manche Geſetze, welche den Erwerb des Grundeigenthums von Seiten der Juden einſchränken. Alle Geſetze ſolcher Art gehören zu den oben erwähn- ten Ausnahmefällen, ſo daß in Beziehung auf ihre Anwen- dung jeder Staat für ſich als völlig abgeſchloſſen erſcheint. — Schließt alſo das Geſetz unſers Staates die Polygamie aus, ſo muß unſer Richter auch der polygamiſchen Ehe ſolcher Ausländer, deren Landesgeſetz ſie zuläßt, den Rechts- ſchutz verſagen. — Unterſagt unſer Geſetz den Juden die Erwerbung des Grundeigenthums, ſo muß unſer Richter nicht nur den einheimiſchen Juden den Erwerb unterſagen, ſondern auch den auswärtigen, in deren Staat ein ſolches Verbot nicht beſteht, wenngleich nach den allgemeinen Re- geln über die Colliſion die perſönliche Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit nach den Geſetzen des Wohnſitzes der Perſon beurtheilt werden müßte. Ebenſo aber umgekehrt wird der fremde Staat, deſſen Geſetz eine ſolche Beſchrän- kung der Juden nicht kennt, auch die unſerm Staate ange-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/58>, abgerufen am 26.04.2024.