Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Y
diesem Herrn in seiner Sprache reden müsse; so
wie ein jeder Dichter nach seinem Apollo beur-
theilet seyn will.
Allein der Herr von Y war
stumm; ob er gleich gar wohl ohne Hülfe eines an-
dern Buchstabs reden konnte. Aber wir rochen
den Braten. Seine Stimme nämlich hatte mit
den Stimmen der Zöglinge Anas und Zibeons
gar zu viel Aehnlichkeit, als sich, wie ein Esel auf
der Gasse, hören zu lassen. Es war aber dieser
stolze Junker sinnreich, und trug seine Bitt-
schrift,
denn er liebete das Ausländische, wie die
Persianer, auf dem Kopfe. Wir nahmen und
lasen:

Bittschrift:
An die Herren Wortrichter und Buchstaben-
henker.

Welchergestalt und wasmaßen die sinnreichen Her-
ren Bodmer und Wieland unsere Gestalt und
den Wohlklang unserer Glieder vorzüglich ge-
funden haben, erhellet aus Beylage etc. Synd-
fluth &c.
und alle, die mit hetruskischen Lettern
gar weislich gedrucket worden.
Das zusam-
men geflickte ü hat uns weichen müssen; unser
Buchstabenehrgeiz aber strebet auch nach dem Platze
des kleinen Herrchens i. Allein hier werden wir
gedemüthiget; und zwar, was am betrübtesten ist,
von den Gönnern unserer Gönner. Jene werfen
uns einen Eselsklang vor, ohne zu bedenken, daß
unser Vater ein hitziger Mann sey, und gewiß
nicht, wie ein Esel, spreche. Unsere Vaterstadt

Zy-
F f 5

Y
dieſem Herrn in ſeiner Sprache reden muͤſſe; ſo
wie ein jeder Dichter nach ſeinem Apollo beur-
theilet ſeyn will.
Allein der Herr von Y war
ſtumm; ob er gleich gar wohl ohne Huͤlfe eines an-
dern Buchſtabs reden konnte. Aber wir rochen
den Braten. Seine Stimme naͤmlich hatte mit
den Stimmen der Zoͤglinge Anas und Zibeons
gar zu viel Aehnlichkeit, als ſich, wie ein Eſel auf
der Gaſſe, hoͤren zu laſſen. Es war aber dieſer
ſtolze Junker ſinnreich, und trug ſeine Bitt-
ſchrift,
denn er liebete das Auslaͤndiſche, wie die
Perſianer, auf dem Kopfe. Wir nahmen und
laſen:

Bittſchrift:
An die Herren Wortrichter und Buchſtaben-
henker.

Welchergeſtalt und wasmaßen die ſinnreichen Her-
ren Bodmer und Wieland unſere Geſtalt und
den Wohlklang unſerer Glieder vorzuͤglich ge-
funden haben, erhellet aus Beylage ꝛc. Synd-
fluth &c.
und alle, die mit hetruskiſchen Lettern
gar weislich gedrucket worden.
Das zuſam-
men geflickte uͤ hat uns weichen muͤſſen; unſer
Buchſtabenehrgeiz aber ſtrebet auch nach dem Platze
des kleinen Herrchens i. Allein hier werden wir
gedemuͤthiget; und zwar, was am betruͤbteſten iſt,
von den Goͤnnern unſerer Goͤnner. Jene werfen
uns einen Eſelsklang vor, ohne zu bedenken, daß
unſer Vater ein hitziger Mann ſey, und gewiß
nicht, wie ein Eſel, ſpreche. Unſere Vaterſtadt

Zy-
F f 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0483" n="457"/><fw place="top" type="header">Y</fw><lb/>
die&#x017F;em Herrn in &#x017F;einer Sprache reden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; <hi rendition="#fr">&#x017F;o<lb/>
wie ein jeder Dichter nach &#x017F;einem Apollo beur-<lb/>
theilet &#x017F;eyn will.</hi> Allein der <hi rendition="#fr">Herr von Y</hi> war<lb/>
&#x017F;tumm; ob er gleich gar wohl ohne Hu&#x0364;lfe eines an-<lb/>
dern Buch&#x017F;tabs reden konnte. Aber wir rochen<lb/>
den Braten. Seine Stimme na&#x0364;mlich hatte mit<lb/>
den Stimmen der <hi rendition="#fr">Zo&#x0364;glinge Anas</hi> und <hi rendition="#fr">Zibeons</hi><lb/>
gar zu viel Aehnlichkeit, als &#x017F;ich, wie ein E&#x017F;el auf<lb/>
der Ga&#x017F;&#x017F;e, ho&#x0364;ren zu la&#x017F;&#x017F;en. Es war aber die&#x017F;er<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;tolze Junker</hi> &#x017F;innreich, und trug &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Bitt-<lb/>
&#x017F;chrift,</hi> denn er liebete das Ausla&#x0364;ndi&#x017F;che, wie die<lb/><hi rendition="#fr">Per&#x017F;ianer,</hi> auf dem Kopfe. Wir nahmen und<lb/>
la&#x017F;en:</p><lb/>
          <div n="4">
            <head><hi rendition="#b">Bitt&#x017F;chrift:</hi><lb/>
An die Herren Wortrichter und Buch&#x017F;taben-<lb/>
henker.</head><lb/>
            <p>Welcherge&#x017F;talt und wasmaßen die &#x017F;innreichen Her-<lb/>
ren <hi rendition="#fr">Bodmer</hi> und <hi rendition="#fr">Wieland</hi> un&#x017F;ere Ge&#x017F;talt und<lb/>
den <hi rendition="#fr">Wohlklang un&#x017F;erer Glieder</hi> vorzu&#x0364;glich ge-<lb/>
funden haben, erhellet aus <hi rendition="#fr">Beylage &#xA75B;c.</hi> <hi rendition="#aq">Synd-<lb/>
fluth &amp;c.</hi> <hi rendition="#fr">und alle, die mit hetruski&#x017F;chen Lettern<lb/>
gar weislich gedrucket worden.</hi> Das zu&#x017F;am-<lb/>
men geflickte u&#x0364; hat uns weichen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; un&#x017F;er<lb/>
Buch&#x017F;tabenehrgeiz aber &#x017F;trebet auch nach dem Platze<lb/>
des <hi rendition="#fr">kleinen Herrchens i.</hi> Allein hier werden wir<lb/>
gedemu&#x0364;thiget; und zwar, was am betru&#x0364;bte&#x017F;ten i&#x017F;t,<lb/>
von den Go&#x0364;nnern un&#x017F;erer Go&#x0364;nner. Jene werfen<lb/>
uns einen E&#x017F;elsklang vor, ohne zu bedenken, daß<lb/>
un&#x017F;er <hi rendition="#fr">Vater ein hitziger Mann &#x017F;ey,</hi> und gewiß<lb/>
nicht, wie ein E&#x017F;el, &#x017F;preche. Un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Vater&#x017F;tadt</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Zy-</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[457/0483] Y dieſem Herrn in ſeiner Sprache reden muͤſſe; ſo wie ein jeder Dichter nach ſeinem Apollo beur- theilet ſeyn will. Allein der Herr von Y war ſtumm; ob er gleich gar wohl ohne Huͤlfe eines an- dern Buchſtabs reden konnte. Aber wir rochen den Braten. Seine Stimme naͤmlich hatte mit den Stimmen der Zoͤglinge Anas und Zibeons gar zu viel Aehnlichkeit, als ſich, wie ein Eſel auf der Gaſſe, hoͤren zu laſſen. Es war aber dieſer ſtolze Junker ſinnreich, und trug ſeine Bitt- ſchrift, denn er liebete das Auslaͤndiſche, wie die Perſianer, auf dem Kopfe. Wir nahmen und laſen: Bittſchrift: An die Herren Wortrichter und Buchſtaben- henker. Welchergeſtalt und wasmaßen die ſinnreichen Her- ren Bodmer und Wieland unſere Geſtalt und den Wohlklang unſerer Glieder vorzuͤglich ge- funden haben, erhellet aus Beylage ꝛc. Synd- fluth &c. und alle, die mit hetruskiſchen Lettern gar weislich gedrucket worden. Das zuſam- men geflickte uͤ hat uns weichen muͤſſen; unſer Buchſtabenehrgeiz aber ſtrebet auch nach dem Platze des kleinen Herrchens i. Allein hier werden wir gedemuͤthiget; und zwar, was am betruͤbteſten iſt, von den Goͤnnern unſerer Goͤnner. Jene werfen uns einen Eſelsklang vor, ohne zu bedenken, daß unſer Vater ein hitziger Mann ſey, und gewiß nicht, wie ein Eſel, ſpreche. Unſere Vaterſtadt Zy- F f 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/483
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/483>, abgerufen am 26.04.2024.