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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Fünfundzwanzigste Vorlesung.
§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literatur-
zuwachse. Kritisches und Antikritisches.

Nachdem wir so mancherlei Methoden zur Lösung logischer Probleme
teils flüchtig gestreift, teils eingehend betrachtet haben, dürfte ein in
Kürze das Wesentliche zusammenfassender Rückblick von Nutzen sein, --
umsomehr als auch noch einige Nachträge unterzubringen sind, welche
die inzwischen angewachsene Literatur und erweiterte Literaturkenntniss dem
Verfasser aufdrängt.

Als elementaren Teil des Logikgebäudes stellten wir hin: die Logik
der Umfangsbeziehungen
zwischen absoluten Begriffen, d. h. solchen
Begriffen, zu deren Darstellung schon "absolute Namen" (Bd. 1, S. 76)
ausreichen. Die Umfänge solcher absoluten Begriffe können schlecht-
weg als "Klassen" bezeichnet werden, die Disziplin somit als der "identische
Kalkul mit Klassen
", kurz als "Klassenkalkul". Zugänglich dieser
Disziplin und ihren Gesetzen unterworfen sind alle diejenigen Urteile, --
universale oder partikulare, -- zu deren Aufstellung immer nur ein
Individuum der Subjektklasse auf einmal dem Geiste gegenwärtig zu
sein und vorgestellt zu werden braucht.

Sagt man z. B. "Alle Planeten bewegen sich in Ellipsen" oder "Einige
Planeten haben Monde", so braucht man doch an nicht mehr als einen
Planeten dabei zu denken, wogegen ein Urteil wie "Die Planeten stören
einander" gar nicht erfasst werden könnte, ohne dass man sich mehrere
Individuen der Subjektklasse gleichzeitig vorstellte, um eben zwischen ihnen
eine Beziehung zu denken, die keine "Umfangsbeziehung" in Hinsicht des
Planetenbegriffes ist.

Hierin liegt gewiss von vorn herein eine ungeheure Beschränkung
unserer Disziplin, -- wie namentlich im dritten Bande zu sehn sein wird,
wo wir, uns von der Beschränkung befreiend, über die Disziplin hinaus-
gehen. Solches Zugeständniss thut indess der fundamentalen Bedeutung
und Wichtigkeit unseres elementaren Teils der Logik keinen Eintrag.
Schloss derselbe doch in sich die ganze scholastische Syllogistik und in der
That auch fast die ganze traditionelle Logik, sofern man diese von ihren
zahlreichen metaphysischen und psychologischen Beimengungen gereinigt fasst.

Fünfundzwanzigste Vorlesung.
§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literatur-
zuwachse. Kritisches und Antikritisches.

Nachdem wir so mancherlei Methoden zur Lösung logischer Probleme
teils flüchtig gestreift, teils eingehend betrachtet haben, dürfte ein in
Kürze das Wesentliche zusammenfassender Rückblick von Nutzen sein, —
umsomehr als auch noch einige Nachträge unterzubringen sind, welche
die inzwischen angewachsene Literatur und erweiterte Literaturkenntniss dem
Verfasser aufdrängt.

Als elementaren Teil des Logikgebäudes stellten wir hin: die Logik
der Umfangsbeziehungen
zwischen absoluten Begriffen, d. h. solchen
Begriffen, zu deren Darstellung schon „absolute Namen“ (Bd. 1, S. 76)
ausreichen. Die Umfänge solcher absoluten Begriffe können schlecht-
weg als „Klassen“ bezeichnet werden, die Disziplin somit als der „identische
Kalkul mit Klassen
“, kurz als „Klassenkalkul“. Zugänglich dieser
Disziplin und ihren Gesetzen unterworfen sind alle diejenigen Urteile, —
universale oder partikulare, — zu deren Aufstellung immer nur ein
Individuum der Subjektklasse auf einmal dem Geiste gegenwärtig zu
sein und vorgestellt zu werden braucht.

Sagt man z. B. „Alle Planeten bewegen sich in Ellipsen“ oder „Einige
Planeten haben Monde“, so braucht man doch an nicht mehr als einen
Planeten dabei zu denken, wogegen ein Urteil wie „Die Planeten stören
einander“ gar nicht erfasst werden könnte, ohne dass man sich mehrere
Individuen der Subjektklasse gleichzeitig vorstellte, um eben zwischen ihnen
eine Beziehung zu denken, die keine „Umfangsbeziehung“ in Hinsicht des
Planetenbegriffes ist.

Hierin liegt gewiss von vorn herein eine ungeheure Beschränkung
unserer Disziplin, — wie namentlich im dritten Bande zu sehn sein wird,
wo wir, uns von der Beschränkung befreiend, über die Disziplin hinaus-
gehen. Solches Zugeständniss thut indess der fundamentalen Bedeutung
und Wichtigkeit unseres elementaren Teils der Logik keinen Eintrag.
Schloss derselbe doch in sich die ganze scholastische Syllogistik und in der
That auch fast die ganze traditionelle Logik, sofern man diese von ihren
zahlreichen metaphysischen und psychologischen Beimengungen gereinigt fasst.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. [437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/81>, abgerufen am 26.04.2024.