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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
man nichts als gutes vor sich hat/ keine gelegenheit/ seine vorige sünden wie-
der zu üben/ erlangen kan/ und allgemach aus der noth und auch aus der hoff-
nung der erlösung zur arbeit gewöhnet wird/ von trefflicher krafft seyn kan/
ein gemüth zimlich zu ändern/ und die vorige böse gewohnheit wieder zu bre-
chen. Wird nun solches erhalten/ so ist seine fortun mehr befördert als ge-
hindert/ und wo er zu einem rechtschaffenen mann worden/ mag ihm dasjeni-
ge nicht schaden/ wo ers worden seye/ weil ohne das keine infamia in solcher sa-
che stecket; wird es aber nicht erlangt/ so ist ihm obgedachter massen eine eus-
serliche fortun sein mehreres unglück/ und ist besser/ er erzürne und betrübe sich
an einem ort/ wo er niemand schaden kan über elend/ das er sich selbsten macht/
alsdaß er bey anderen wichtigere ursache zur grösseren betrübnüß mache/
wo er seinem bösen willen nachzuleben gelassen würde. Daß er hoffärtig und
zornig/ erfordert vielmehr eine solche zucht/ die ihn mit nachtruck demüthige/
und den zorn allgemach vertreibe/ da er sihet/ mit demselben nichts auszurich-
ten. So hoffe/ daß gleichwol auch an solchen orten der disciplin die vorge-
setzte werden leute seyn/ so verstand haben/ und mit einem jeglichen also um-
zugehen wissen werden/ wie sie finden/ daß jetzt härters/ bald gelinderes tra-
ctament ihm diensam seye/ so denn sie dermassen zu verwahren und zu versor-
gen wissen/ daß sie sich selbs oder andern aus desperation schaden zu thun/
nicht vermögen; da mir sonsten ein trauriges exempel einiger vornehmen söh-
ne in demzucht-hauß zu Dantzig bekant/ wo aber die schuld auf die auffseher
mag gefallen seyn. Uberlegt alles dessen finde also nichts/ was mit grund ge-
dachtem vorschlag möchte entgegen gehalten werden. Der HErr/ dessen auch
diese seele ist/ und er deroselben todt nicht wollen wird/ erbarme sich ihrer/ und
gebe diejenige resolution, oder da sie bereits gefast/ denjenigen segen dazu/
welche und welcher zu erhaltung dieses armen menschen/ so sonsten in das ewi-
ge verderben schnurstracks lauffen wolte/ und der beruhigung der angehöri-
gen nöthig ist. 1685.

SECTIO XX.
Q[o] väterlicher wille im testament/ die söhne nach
seinem tode verbinde?
FACTI SPECIES.

ES hat ein vater in seinem testament an seine söhne/ sie von dem unter-
tehen des gold- und silber-machens abzuziehen/ diesen paß mit inseriret:
Gestalt sie dann sich auch aller unnützer betrüglicher künsten/
insonderheit des gold-machens und vermeintlicher erforschung künff-
tiger dinge/ auch anderer in die
Magiam einlauffender sachen/ dar-

durch

Das dritte Capitel.
man nichts als gutes vor ſich hat/ keine gelegenheit/ ſeine vorige ſuͤnden wie-
der zu uͤben/ erlangen kan/ und allgemach aus der noth und auch aus der hoff-
nung der erloͤſung zur arbeit gewoͤhnet wird/ von trefflicher krafft ſeyn kan/
ein gemuͤth zimlich zu aͤndern/ und die vorige boͤſe gewohnheit wieder zu bre-
chen. Wird nun ſolches erhalten/ ſo iſt ſeine fortun mehr befoͤrdert als ge-
hindert/ und wo er zu einem rechtſchaffenen mann worden/ mag ihm dasjeni-
ge nicht ſchaden/ wo ers worden ſeye/ weil ohne das keine infamia in ſolcher ſa-
che ſtecket; wird es aber nicht erlangt/ ſo iſt ihm obgedachter maſſen eine euſ-
ſerliche fortun ſein mehreres ungluͤck/ und iſt beſſer/ er erzuͤrne und betruͤbe ſich
an einem ort/ wo er niemand ſchaden kan uͤber elend/ das er ſich ſelbſten macht/
alsdaß er bey anderen wichtigere urſache zur groͤſſeren betruͤbnuͤß mache/
wo er ſeinem boͤſen willen nachzuleben gelaſſen wuͤrde. Daß er hoffaͤrtig und
zornig/ erfordert vielmehr eine ſolche zucht/ die ihn mit nachtruck demuͤthige/
und den zorn allgemach vertreibe/ da er ſihet/ mit demſelben nichts auszurich-
ten. So hoffe/ daß gleichwol auch an ſolchen orten der diſciplin die vorge-
ſetzte werden leute ſeyn/ ſo verſtand haben/ und mit einem jeglichen alſo um-
zugehen wiſſen werden/ wie ſie finden/ daß jetzt haͤrters/ bald gelinderes tra-
ctament ihm dienſam ſeye/ ſo denn ſie dermaſſen zu verwahren und zu verſor-
gen wiſſen/ daß ſie ſich ſelbs oder andern aus deſperation ſchaden zu thun/
nicht vermoͤgen; da mir ſonſten ein trauriges exempel einiger vornehmen ſoͤh-
ne in demzucht-hauß zu Dantzig bekant/ wo aber die ſchuld auf die auffſeher
mag gefallen ſeyn. Uberlegt alles deſſen finde alſo nichts/ was mit grund ge-
dachtem vorſchlag moͤchte entgegen gehalten werden. Der HErr/ deſſen auch
dieſe ſeele iſt/ und er deroſelben todt nicht wollen wird/ erbarme ſich ihrer/ und
gebe diejenige reſolution, oder da ſie bereits gefaſt/ denjenigen ſegen dazu/
welche und welcher zu erhaltung dieſes armen menſchen/ ſo ſonſten in das ewi-
ge verderben ſchnurſtracks lauffen wolte/ und der beruhigung der angehoͤri-
gen noͤthig iſt. 1685.

SECTIO XX.
Q[o] vaͤterlicher wille im teſtament/ die ſoͤhne nach
ſeinem tode verbinde?
FACTI SPECIES.

ES hat ein vater in ſeinem teſtament an ſeine ſoͤhne/ ſie von dem unter-
tehen des gold- und ſilber-machens abzuziehen/ dieſen paß mit inſeriret:
Geſtalt ſie dann ſich auch aller unnuͤtzer betruͤglicher kuͤnſten/
inſonderheit des gold-machens und vermeintlicher erforſchung kuͤnff-
tiger dinge/ auch anderer in die
Magiam einlauffender ſachen/ dar-

durch
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[258/0266] Das dritte Capitel. man nichts als gutes vor ſich hat/ keine gelegenheit/ ſeine vorige ſuͤnden wie- der zu uͤben/ erlangen kan/ und allgemach aus der noth und auch aus der hoff- nung der erloͤſung zur arbeit gewoͤhnet wird/ von trefflicher krafft ſeyn kan/ ein gemuͤth zimlich zu aͤndern/ und die vorige boͤſe gewohnheit wieder zu bre- chen. Wird nun ſolches erhalten/ ſo iſt ſeine fortun mehr befoͤrdert als ge- hindert/ und wo er zu einem rechtſchaffenen mann worden/ mag ihm dasjeni- ge nicht ſchaden/ wo ers worden ſeye/ weil ohne das keine infamia in ſolcher ſa- che ſtecket; wird es aber nicht erlangt/ ſo iſt ihm obgedachter maſſen eine euſ- ſerliche fortun ſein mehreres ungluͤck/ und iſt beſſer/ er erzuͤrne und betruͤbe ſich an einem ort/ wo er niemand ſchaden kan uͤber elend/ das er ſich ſelbſten macht/ alsdaß er bey anderen wichtigere urſache zur groͤſſeren betruͤbnuͤß mache/ wo er ſeinem boͤſen willen nachzuleben gelaſſen wuͤrde. Daß er hoffaͤrtig und zornig/ erfordert vielmehr eine ſolche zucht/ die ihn mit nachtruck demuͤthige/ und den zorn allgemach vertreibe/ da er ſihet/ mit demſelben nichts auszurich- ten. So hoffe/ daß gleichwol auch an ſolchen orten der diſciplin die vorge- ſetzte werden leute ſeyn/ ſo verſtand haben/ und mit einem jeglichen alſo um- zugehen wiſſen werden/ wie ſie finden/ daß jetzt haͤrters/ bald gelinderes tra- ctament ihm dienſam ſeye/ ſo denn ſie dermaſſen zu verwahren und zu verſor- gen wiſſen/ daß ſie ſich ſelbs oder andern aus deſperation ſchaden zu thun/ nicht vermoͤgen; da mir ſonſten ein trauriges exempel einiger vornehmen ſoͤh- ne in demzucht-hauß zu Dantzig bekant/ wo aber die ſchuld auf die auffſeher mag gefallen ſeyn. Uberlegt alles deſſen finde alſo nichts/ was mit grund ge- dachtem vorſchlag moͤchte entgegen gehalten werden. Der HErr/ deſſen auch dieſe ſeele iſt/ und er deroſelben todt nicht wollen wird/ erbarme ſich ihrer/ und gebe diejenige reſolution, oder da ſie bereits gefaſt/ denjenigen ſegen dazu/ welche und welcher zu erhaltung dieſes armen menſchen/ ſo ſonſten in das ewi- ge verderben ſchnurſtracks lauffen wolte/ und der beruhigung der angehoͤri- gen noͤthig iſt. 1685. SECTIO XX. Qo vaͤterlicher wille im teſtament/ die ſoͤhne nach ſeinem tode verbinde? FACTI SPECIES. ES hat ein vater in ſeinem teſtament an ſeine ſoͤhne/ ſie von dem unter- tehen des gold- und ſilber-machens abzuziehen/ dieſen paß mit inſeriret: Geſtalt ſie dann ſich auch aller unnuͤtzer betruͤglicher kuͤnſten/ inſonderheit des gold-machens und vermeintlicher erforſchung kuͤnff- tiger dinge/ auch anderer in die Magiam einlauffender ſachen/ dar- durch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/266>, abgerufen am 26.04.2024.