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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO LIIX.
Bedencken über eine schrifft. Amt des gesetzes
bey der bekehrung eines rückfälligen. S. Praetorii verstos-
sung. Der satan ficht die gottseligen zwar an. CHristi
sitzen zur rechten nach der menschlichen natur. Der
göttlichen natur theilhaftigkeit.

JCh habe das hiemit wieder zurück kommende nicht nur durchlesen, sondern
mit sreuden durchlesen, und dancke GOTT, der mit seiner gnad in ihm
kräfftig gewesen ist. Wie dann dieses das rechte evangelium ist, welches
er vorstellet, und alle gläubige solches in der that bekennen müssen. Weil aber so-
wol gebeten, als ohne das schuldig bin, wo nur einiges wahrnehme, das andern
anstoß setzen möchte, zu erkennen, so bemercke ich folgendes, so zu weiterem nach-
dencken dienet. 1. Wahr ist, was er meldet, daß das gesetz zur bekehrung keine
krafft hat, auch hat alles seine statt, wann es recht verstanden wird, was derselbe
von der buß der aus ihrem gnaden-stand gefallnen meldet, wie viel das evangelium
dabey auch thun müsse. Jedoch wolte ichs nicht gern von andern weiter gezogen
und mißbraüchet wissen, dann das gesetz hat freylich auch seinen platz bey der wie-
derbekehrung der einmal gewesten kinder GOTTES, und will bey vielen sol-
chen nicht allemal genug seyn die erinnerung der vor empfangenen gnade, die zwar
nicht ausbleiben soll, sondern einiger härtere hertzen wollen auch mit stärckerer ge-
walt des zorns GOttes, den sie fühlen müssen, zerknirschet werden. Also sehen
wir in der epistel an die Galater ziemlich harte reden gegen diejenige gebraucht, wel-
che einmal das heil in CHristo erlangt, aber auch wiederum verstossen hatten.
Nicht weniger die propheten, da sie es mit leuten, so auch in der beschneidung den
göttlichen bund, folglich gnade und seligkeit, empfangen, zu thun hatten, reden offt
sehr hart, da sie solche abtrünnige bekehren wollen. Also muß, was wider des
gesetzes brauch bey denen einmal gewesten wiedergebornen geschrieben wird, wohl
verstanden und erkläret werden, daß es nicht der übrigen göttlichen wahrheit ent-
gegen stehe. Daß aber der selige Praetorius in solcher sache etwas härter redet,
mag wol die ursach seyn, weil der liebe mann dafür gehalten, daß bey den auser-
wehlten der ihnen einmal geschenckte glaube durch keine sünde (zum exempel bey
David) wieder könne ausgelöschet, ob wol nur verdunckelt und unfühlbar gema-
chet, wo er aber einmal verlohren worden, nicht mehr wieder erlanget werden. Wel-
che meinung der christliche mann gantz deutlich eines orts hat, obwol der vorsichtige

Sta-
Das ſiebende Capitel.
SECTIO LIIX.
Bedencken uͤber eine ſchrifft. Amt des geſetzes
bey der bekehrung eines ruͤckfaͤlligen. S. Prætorii verſtoſ-
ſung. Der ſatan ficht die gottſeligen zwar an. CHriſti
ſitzen zur rechten nach der menſchlichen natur. Der
goͤttlichen natur theilhaftigkeit.

JCh habe das hiemit wieder zuruͤck kommende nicht nur durchleſen, ſondern
mit ſreuden durchleſen, und dancke GOTT, der mit ſeiner gnad in ihm
kraͤfftig geweſen iſt. Wie dann dieſes das rechte evangelium iſt, welches
er vorſtellet, und alle glaͤubige ſolches in der that bekennen muͤſſen. Weil aber ſo-
wol gebeten, als ohne das ſchuldig bin, wo nur einiges wahrnehme, das andern
anſtoß ſetzen moͤchte, zu erkennen, ſo bemercke ich folgendes, ſo zu weiterem nach-
dencken dienet. 1. Wahr iſt, was er meldet, daß das geſetz zur bekehrung keine
krafft hat, auch hat alles ſeine ſtatt, wann es recht verſtanden wird, was derſelbe
von der buß der aus ihrem gnaden-ſtand gefallnen meldet, wie viel das evangelium
dabey auch thun muͤſſe. Jedoch wolte ichs nicht gern von andern weiter gezogen
und mißbrauͤchet wiſſen, dann das geſetz hat freylich auch ſeinen platz bey der wie-
derbekehrung der einmal geweſten kinder GOTTES, und will bey vielen ſol-
chen nicht allemal genug ſeyn die erinnerung der vor empfangenen gnade, die zwar
nicht ausbleiben ſoll, ſondern einiger haͤrtere hertzen wollen auch mit ſtaͤrckerer ge-
walt des zorns GOttes, den ſie fuͤhlen muͤſſen, zerknirſchet werden. Alſo ſehen
wir in der epiſtel an die Galater ziemlich harte reden gegen diejenige gebraucht, wel-
che einmal das heil in CHriſto erlangt, aber auch wiederum verſtoſſen hatten.
Nicht weniger die propheten, da ſie es mit leuten, ſo auch in der beſchneidung den
goͤttlichen bund, folglich gnade und ſeligkeit, empfangen, zu thun hatten, reden offt
ſehr hart, da ſie ſolche abtruͤnnige bekehren wollen. Alſo muß, was wider des
geſetzes brauch bey denen einmal geweſten wiedergebornen geſchrieben wird, wohl
verſtanden und erklaͤret werden, daß es nicht der uͤbrigen goͤttlichen wahrheit ent-
gegen ſtehe. Daß aber der ſelige Prætorius in ſolcher ſache etwas haͤrter redet,
mag wol die urſach ſeyn, weil der liebe mann dafuͤr gehalten, daß bey den auser-
wehlten der ihnen einmal geſchenckte glaube durch keine ſuͤnde (zum exempel bey
David) wieder koͤnne ausgeloͤſchet, ob wol nur verdunckelt und unfuͤhlbar gema-
chet, wo er aber einmal verlohren worden, nicht mehr wieder erlanget werden. Wel-
che meinung der chriſtliche mann gantz deutlich eines orts hat, obwol der vorſichtige

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[672/0684] Das ſiebende Capitel. SECTIO LIIX. Bedencken uͤber eine ſchrifft. Amt des geſetzes bey der bekehrung eines ruͤckfaͤlligen. S. Prætorii verſtoſ- ſung. Der ſatan ficht die gottſeligen zwar an. CHriſti ſitzen zur rechten nach der menſchlichen natur. Der goͤttlichen natur theilhaftigkeit. JCh habe das hiemit wieder zuruͤck kommende nicht nur durchleſen, ſondern mit ſreuden durchleſen, und dancke GOTT, der mit ſeiner gnad in ihm kraͤfftig geweſen iſt. Wie dann dieſes das rechte evangelium iſt, welches er vorſtellet, und alle glaͤubige ſolches in der that bekennen muͤſſen. Weil aber ſo- wol gebeten, als ohne das ſchuldig bin, wo nur einiges wahrnehme, das andern anſtoß ſetzen moͤchte, zu erkennen, ſo bemercke ich folgendes, ſo zu weiterem nach- dencken dienet. 1. Wahr iſt, was er meldet, daß das geſetz zur bekehrung keine krafft hat, auch hat alles ſeine ſtatt, wann es recht verſtanden wird, was derſelbe von der buß der aus ihrem gnaden-ſtand gefallnen meldet, wie viel das evangelium dabey auch thun muͤſſe. Jedoch wolte ichs nicht gern von andern weiter gezogen und mißbrauͤchet wiſſen, dann das geſetz hat freylich auch ſeinen platz bey der wie- derbekehrung der einmal geweſten kinder GOTTES, und will bey vielen ſol- chen nicht allemal genug ſeyn die erinnerung der vor empfangenen gnade, die zwar nicht ausbleiben ſoll, ſondern einiger haͤrtere hertzen wollen auch mit ſtaͤrckerer ge- walt des zorns GOttes, den ſie fuͤhlen muͤſſen, zerknirſchet werden. Alſo ſehen wir in der epiſtel an die Galater ziemlich harte reden gegen diejenige gebraucht, wel- che einmal das heil in CHriſto erlangt, aber auch wiederum verſtoſſen hatten. Nicht weniger die propheten, da ſie es mit leuten, ſo auch in der beſchneidung den goͤttlichen bund, folglich gnade und ſeligkeit, empfangen, zu thun hatten, reden offt ſehr hart, da ſie ſolche abtruͤnnige bekehren wollen. Alſo muß, was wider des geſetzes brauch bey denen einmal geweſten wiedergebornen geſchrieben wird, wohl verſtanden und erklaͤret werden, daß es nicht der uͤbrigen goͤttlichen wahrheit ent- gegen ſtehe. Daß aber der ſelige Prætorius in ſolcher ſache etwas haͤrter redet, mag wol die urſach ſeyn, weil der liebe mann dafuͤr gehalten, daß bey den auser- wehlten der ihnen einmal geſchenckte glaube durch keine ſuͤnde (zum exempel bey David) wieder koͤnne ausgeloͤſchet, ob wol nur verdunckelt und unfuͤhlbar gema- chet, wo er aber einmal verlohren worden, nicht mehr wieder erlanget werden. Wel- che meinung der chriſtliche mann gantz deutlich eines orts hat, obwol der vorſichtige Sta-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/684>, abgerufen am 26.04.2024.