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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Scha

Aus einem solchen Verfahren, das nun freylich
für den Dichter die wenigsten Schwierigkeiten hat,
entstehen denn die häufigen Unschiklichkeiten in An-
sehung der Scenen. Der Dichter denkt: "Sey es,
wie es wolle, izt müssen die Leuthe nach meinem
Plan dieses thun, und so sprechen. Die Zeit sey
dazu hinlänglich und der Ort schiklich oder nicht,
daran hab ich mich nicht zu kehren." So gänzlich
hätte man doch schwachen, oder gemächlichen Dich-
tern zu gefallen, das Drama nicht von allen
Banden losmachen sollen, weil zulezt zwischen der
Dramatischen und Epischen Kunst kein Unterschied
mehr bleibt.

Wie wol diese Beobachtungen aus der verschiede-
nen Art, wie die Alten und Neuen die Tragödie be-
handeln, gezogen sind, so ist es leicht alles auch auf
die Comödie anzuwenden. Man wird überhaupt
daraus abnehmen, daß der Dichter sich schlechter-
dings nach der Scene zu richten habe, es sey nun,
daß er sie unveränderlich durch die ganze Handlung
beybehalte, oder vielfältig abändere. Dieses schließt
denn freylich manchen Einfall, den er bey Ausarbei-
tung seines Stükes hat, als unbrauchbar aus, so
gut er sonst auch seyn möchte. Aber eben darum
weil er ein Dichter ist, ein Dichter aber Genie und
Erfindungskraft haben muß, fodert man von ihm,
daß er anstatt des hier unschiklichen, was ihm ein-
gefallen ist, etwas eben so Gutes, das sich zugleich
für diesen Ort schiket zu erfinden wisse.

Diejenigen, die den Dichter gern von gar allen
Banden befreyen, und seiner Einbildungskraft völlig
freyen Lauf lassen möchten, (und diese Kezerey reißt
bey uns immer mehr ein) bedenken nicht, daß da-
durch zulezt alle Kunst aufgehoben wird, und daß
man auf dem Weg, den sie so sehr anpreisen, wie-
der auf die autoschediasmatischen Werke, die der
Kunst vorhergegangen sind zurüke kommt. (*) Wenn
der Dichter von allen Zwang frey seyn soll, so muß
man ihn auch von dem Vers erledigen, der ihm
unstreitig Zwang anthut.

Schafft; Stamm.
(Baukunst.)

Der eigentliche Körper einer Säule oder eines Pila-
sters mit Ausschließung des Fußes und Knauffes.
Seine Theile sind der Schafft, oder Stamm selbst,
an seinem obern Theile der Ablauf und Obersaum;
am untern End aber der Untersaum und Anlauf. (*)
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Scha
Der Stamm der Pilaster ist vom Anlauf bis auf
den Ablauf durchaus gleich dik; bey der Säule aber
wird der Schafft verjüngt, oder eingezogen, das
ist allmählig nach oben zu dünner. (*) Große stei-
nerne Säulen haben sehr selten Schaffte von einem
einzigen Stein, weil solche Maßen überaus schweer
zu regieren sind. Man kann aber die Stüke so gut
aufeinander sezen, daß der Schafft so gut, als aus
einem Stein ist. Ein merkwürdiges Beyspiehl hier-
von, das zugleich beweist, wie wenig die Alten bey
ihren Gebäuden, wo es auf Festigkeit ankam, die
Kosten gescheuht haben, führt Rob. Wood in der
Beschreibung der Ruinen von Baalbek an. (*) Eine
sehr hohe Säule deren Schafft aus drey Stüken zu-
sammengesezt war, fiel gegen eine Mauer, zerschlug
den Stein, auf den sie stürzte, vom Schafft selbst
sprang ein Stük ab, und die Fugen giengen des-
wegen nicht von einander, obgleich kein Kütt sie ver-
band. Diese bewundrungswürdige Festigkeit der
Fugen kam von eisernen Tiebeln oder Dornen her,
die in zwey aneinanderstoßende Theile des Schafftes
eingelassen waren. Diese Tiebel waren über einen
Fuß dik. Eine Probe was für ein Aufwand auf die
Festigkeit der Gebäude gemacht worden. Der Tem-
pel, zu dem diese Säule gehörte, war mit einem
Porticus umgeben, an dem 54 solcher Säulen
stunden.

Schatten.
(Mahlerey.)

Wenn ein Körper von einem unmittelbar auf ihn
fallenden Licht, es sey das Sonnen- oder das Ta-
ges- oder irgend ein anderes Licht, hinlänglich er-
leuchtet wird, daß man seine Farbe erkennen kann,
so sind immer Stellen an demselben, die das Licht
nicht in dem vollen Maaße genießen, entweder, weil
ihre Fläche nicht gerade gegen das Licht gekehrt ist,
oder weil eine andre Ursach einen Theil desselben auf-
fängt. (*) Wenn nun gleich ein solcher Körper
durchaus gleich gefärbt wäre, so muß er wegen des
hellern und schwächeren Lichtes an den verschiedenen
Stellen, andere Farben zeigen, und an den Stel-
len, worauf gar nichts von merklichem Lichte fällt,
finster, oder schwarz seyn. So lange nun das Licht
in seiner Berminderung noch stark genug ist, uns
die Farbe des Körpers in ihrer Art, obgleich immer
etwas dunkeler zu zeigen, so kann man nicht eigent-
lich sagen, daß die Stellen, die diese geschwächte

Farbe
(*) S.
Dichtkunst.
S. 253.
(*) S.
Ablauf.
(*) S.
Verdün-
nung.
(*) S. 29.
(*) S.
Licht.
K k k k k k 2
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Scha

Aus einem ſolchen Verfahren, das nun freylich
fuͤr den Dichter die wenigſten Schwierigkeiten hat,
entſtehen denn die haͤufigen Unſchiklichkeiten in An-
ſehung der Scenen. Der Dichter denkt: „Sey es,
wie es wolle, izt muͤſſen die Leuthe nach meinem
Plan dieſes thun, und ſo ſprechen. Die Zeit ſey
dazu hinlaͤnglich und der Ort ſchiklich oder nicht,
daran hab ich mich nicht zu kehren.„ So gaͤnzlich
haͤtte man doch ſchwachen, oder gemaͤchlichen Dich-
tern zu gefallen, das Drama nicht von allen
Banden losmachen ſollen, weil zulezt zwiſchen der
Dramatiſchen und Epiſchen Kunſt kein Unterſchied
mehr bleibt.

Wie wol dieſe Beobachtungen aus der verſchiede-
nen Art, wie die Alten und Neuen die Tragoͤdie be-
handeln, gezogen ſind, ſo iſt es leicht alles auch auf
die Comoͤdie anzuwenden. Man wird uͤberhaupt
daraus abnehmen, daß der Dichter ſich ſchlechter-
dings nach der Scene zu richten habe, es ſey nun,
daß er ſie unveraͤnderlich durch die ganze Handlung
beybehalte, oder vielfaͤltig abaͤndere. Dieſes ſchließt
denn freylich manchen Einfall, den er bey Ausarbei-
tung ſeines Stuͤkes hat, als unbrauchbar aus, ſo
gut er ſonſt auch ſeyn moͤchte. Aber eben darum
weil er ein Dichter iſt, ein Dichter aber Genie und
Erfindungskraft haben muß, fodert man von ihm,
daß er anſtatt des hier unſchiklichen, was ihm ein-
gefallen iſt, etwas eben ſo Gutes, das ſich zugleich
fuͤr dieſen Ort ſchiket zu erfinden wiſſe.

Diejenigen, die den Dichter gern von gar allen
Banden befreyen, und ſeiner Einbildungskraft voͤllig
freyen Lauf laſſen moͤchten, (und dieſe Kezerey reißt
bey uns immer mehr ein) bedenken nicht, daß da-
durch zulezt alle Kunſt aufgehoben wird, und daß
man auf dem Weg, den ſie ſo ſehr anpreiſen, wie-
der auf die autoſchediasmatiſchen Werke, die der
Kunſt vorhergegangen ſind zuruͤke kommt. (*) Wenn
der Dichter von allen Zwang frey ſeyn ſoll, ſo muß
man ihn auch von dem Vers erledigen, der ihm
unſtreitig Zwang anthut.

Schafft; Stamm.
(Baukunſt.)

Der eigentliche Koͤrper einer Saͤule oder eines Pila-
ſters mit Ausſchließung des Fußes und Knauffes.
Seine Theile ſind der Schafft, oder Stamm ſelbſt,
an ſeinem obern Theile der Ablauf und Oberſaum;
am untern End aber der Unterſaum und Anlauf. (*)
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Scha
Der Stamm der Pilaſter iſt vom Anlauf bis auf
den Ablauf durchaus gleich dik; bey der Saͤule aber
wird der Schafft verjuͤngt, oder eingezogen, das
iſt allmaͤhlig nach oben zu duͤnner. (*) Große ſtei-
nerne Saͤulen haben ſehr ſelten Schaffte von einem
einzigen Stein, weil ſolche Maßen uͤberaus ſchweer
zu regieren ſind. Man kann aber die Stuͤke ſo gut
aufeinander ſezen, daß der Schafft ſo gut, als aus
einem Stein iſt. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiehl hier-
von, das zugleich beweiſt, wie wenig die Alten bey
ihren Gebaͤuden, wo es auf Feſtigkeit ankam, die
Koſten geſcheuht haben, fuͤhrt Rob. Wood in der
Beſchreibung der Ruinen von Baalbek an. (*) Eine
ſehr hohe Saͤule deren Schafft aus drey Stuͤken zu-
ſammengeſezt war, fiel gegen eine Mauer, zerſchlug
den Stein, auf den ſie ſtuͤrzte, vom Schafft ſelbſt
ſprang ein Stuͤk ab, und die Fugen giengen des-
wegen nicht von einander, obgleich kein Kuͤtt ſie ver-
band. Dieſe bewundrungswuͤrdige Feſtigkeit der
Fugen kam von eiſernen Tiebeln oder Dornen her,
die in zwey aneinanderſtoßende Theile des Schafftes
eingelaſſen waren. Dieſe Tiebel waren uͤber einen
Fuß dik. Eine Probe was fuͤr ein Aufwand auf die
Feſtigkeit der Gebaͤude gemacht worden. Der Tem-
pel, zu dem dieſe Saͤule gehoͤrte, war mit einem
Porticus umgeben, an dem 54 ſolcher Saͤulen
ſtunden.

Schatten.
(Mahlerey.)

Wenn ein Koͤrper von einem unmittelbar auf ihn
fallenden Licht, es ſey das Sonnen- oder das Ta-
ges- oder irgend ein anderes Licht, hinlaͤnglich er-
leuchtet wird, daß man ſeine Farbe erkennen kann,
ſo ſind immer Stellen an demſelben, die das Licht
nicht in dem vollen Maaße genießen, entweder, weil
ihre Flaͤche nicht gerade gegen das Licht gekehrt iſt,
oder weil eine andre Urſach einen Theil deſſelben auf-
faͤngt. (*) Wenn nun gleich ein ſolcher Koͤrper
durchaus gleich gefaͤrbt waͤre, ſo muß er wegen des
hellern und ſchwaͤcheren Lichtes an den verſchiedenen
Stellen, andere Farben zeigen, und an den Stel-
len, worauf gar nichts von merklichem Lichte faͤllt,
finſter, oder ſchwarz ſeyn. So lange nun das Licht
in ſeiner Berminderung noch ſtark genug iſt, uns
die Farbe des Koͤrpers in ihrer Art, obgleich immer
etwas dunkeler zu zeigen, ſo kann man nicht eigent-
lich ſagen, daß die Stellen, die dieſe geſchwaͤchte

Farbe
(*) S.
Dichtkunſt.
S. 253.
(*) S.
Ablauf.
(*) S.
Verduͤn-
nung.
(*) S. 29.
(*) S.
Licht.
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[1013[995]/0442] Scha Scha Aus einem ſolchen Verfahren, das nun freylich fuͤr den Dichter die wenigſten Schwierigkeiten hat, entſtehen denn die haͤufigen Unſchiklichkeiten in An- ſehung der Scenen. Der Dichter denkt: „Sey es, wie es wolle, izt muͤſſen die Leuthe nach meinem Plan dieſes thun, und ſo ſprechen. Die Zeit ſey dazu hinlaͤnglich und der Ort ſchiklich oder nicht, daran hab ich mich nicht zu kehren.„ So gaͤnzlich haͤtte man doch ſchwachen, oder gemaͤchlichen Dich- tern zu gefallen, das Drama nicht von allen Banden losmachen ſollen, weil zulezt zwiſchen der Dramatiſchen und Epiſchen Kunſt kein Unterſchied mehr bleibt. Wie wol dieſe Beobachtungen aus der verſchiede- nen Art, wie die Alten und Neuen die Tragoͤdie be- handeln, gezogen ſind, ſo iſt es leicht alles auch auf die Comoͤdie anzuwenden. Man wird uͤberhaupt daraus abnehmen, daß der Dichter ſich ſchlechter- dings nach der Scene zu richten habe, es ſey nun, daß er ſie unveraͤnderlich durch die ganze Handlung beybehalte, oder vielfaͤltig abaͤndere. Dieſes ſchließt denn freylich manchen Einfall, den er bey Ausarbei- tung ſeines Stuͤkes hat, als unbrauchbar aus, ſo gut er ſonſt auch ſeyn moͤchte. Aber eben darum weil er ein Dichter iſt, ein Dichter aber Genie und Erfindungskraft haben muß, fodert man von ihm, daß er anſtatt des hier unſchiklichen, was ihm ein- gefallen iſt, etwas eben ſo Gutes, das ſich zugleich fuͤr dieſen Ort ſchiket zu erfinden wiſſe. Diejenigen, die den Dichter gern von gar allen Banden befreyen, und ſeiner Einbildungskraft voͤllig freyen Lauf laſſen moͤchten, (und dieſe Kezerey reißt bey uns immer mehr ein) bedenken nicht, daß da- durch zulezt alle Kunſt aufgehoben wird, und daß man auf dem Weg, den ſie ſo ſehr anpreiſen, wie- der auf die autoſchediasmatiſchen Werke, die der Kunſt vorhergegangen ſind zuruͤke kommt. (*) Wenn der Dichter von allen Zwang frey ſeyn ſoll, ſo muß man ihn auch von dem Vers erledigen, der ihm unſtreitig Zwang anthut. Schafft; Stamm. (Baukunſt.) Der eigentliche Koͤrper einer Saͤule oder eines Pila- ſters mit Ausſchließung des Fußes und Knauffes. Seine Theile ſind der Schafft, oder Stamm ſelbſt, an ſeinem obern Theile der Ablauf und Oberſaum; am untern End aber der Unterſaum und Anlauf. (*) Der Stamm der Pilaſter iſt vom Anlauf bis auf den Ablauf durchaus gleich dik; bey der Saͤule aber wird der Schafft verjuͤngt, oder eingezogen, das iſt allmaͤhlig nach oben zu duͤnner. (*) Große ſtei- nerne Saͤulen haben ſehr ſelten Schaffte von einem einzigen Stein, weil ſolche Maßen uͤberaus ſchweer zu regieren ſind. Man kann aber die Stuͤke ſo gut aufeinander ſezen, daß der Schafft ſo gut, als aus einem Stein iſt. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiehl hier- von, das zugleich beweiſt, wie wenig die Alten bey ihren Gebaͤuden, wo es auf Feſtigkeit ankam, die Koſten geſcheuht haben, fuͤhrt Rob. Wood in der Beſchreibung der Ruinen von Baalbek an. (*) Eine ſehr hohe Saͤule deren Schafft aus drey Stuͤken zu- ſammengeſezt war, fiel gegen eine Mauer, zerſchlug den Stein, auf den ſie ſtuͤrzte, vom Schafft ſelbſt ſprang ein Stuͤk ab, und die Fugen giengen des- wegen nicht von einander, obgleich kein Kuͤtt ſie ver- band. Dieſe bewundrungswuͤrdige Feſtigkeit der Fugen kam von eiſernen Tiebeln oder Dornen her, die in zwey aneinanderſtoßende Theile des Schafftes eingelaſſen waren. Dieſe Tiebel waren uͤber einen Fuß dik. Eine Probe was fuͤr ein Aufwand auf die Feſtigkeit der Gebaͤude gemacht worden. Der Tem- pel, zu dem dieſe Saͤule gehoͤrte, war mit einem Porticus umgeben, an dem 54 ſolcher Saͤulen ſtunden. Schatten. (Mahlerey.) Wenn ein Koͤrper von einem unmittelbar auf ihn fallenden Licht, es ſey das Sonnen- oder das Ta- ges- oder irgend ein anderes Licht, hinlaͤnglich er- leuchtet wird, daß man ſeine Farbe erkennen kann, ſo ſind immer Stellen an demſelben, die das Licht nicht in dem vollen Maaße genießen, entweder, weil ihre Flaͤche nicht gerade gegen das Licht gekehrt iſt, oder weil eine andre Urſach einen Theil deſſelben auf- faͤngt. (*) Wenn nun gleich ein ſolcher Koͤrper durchaus gleich gefaͤrbt waͤre, ſo muß er wegen des hellern und ſchwaͤcheren Lichtes an den verſchiedenen Stellen, andere Farben zeigen, und an den Stel- len, worauf gar nichts von merklichem Lichte faͤllt, finſter, oder ſchwarz ſeyn. So lange nun das Licht in ſeiner Berminderung noch ſtark genug iſt, uns die Farbe des Koͤrpers in ihrer Art, obgleich immer etwas dunkeler zu zeigen, ſo kann man nicht eigent- lich ſagen, daß die Stellen, die dieſe geſchwaͤchte Farbe (*) S. Dichtkunſt. S. 253. (*) S. Ablauf. (*) S. Verduͤn- nung. (*) S. 29. (*) S. Licht. K k k k k k 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1013[995]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/442>, abgerufen am 29.04.2024.