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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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3.
Eduard Burton an William Lovell.


Indem ich diesen Brief anfange, William,
weiß ich nicht recht, was ich Dir sagen will,
noch weniger, wie ich es Dir sagen soll. In
meinem Sinn und Herzen liegt alles hell und
klar, meine Meinung ist nicht Sophisterey oder
Leidenschaft, die mir der Moment eingiebt, son-
dern meine Ideen sind gleichsam Ein Strom,
der in der fernsten Kindheit entspringt, und so
in gerader Richtung durch mein Leben fließt.
Deine Gedanken sind einzelne Fragmente, die
Dir vielleicht in der jedesmaligen Stimmung
unumstößlich scheinen, weil sie eben durch diese
Stimmung hervorgebracht sind, die Dir aber
vielleicht selbst am folgenden Tage unverständ-
lich sind. Du verachtest mich gewiß, wenn ich
von Grundsätzen rede, nach denen man handeln
müsse, aber seit ich Dich genauer kenne, ist
diese Ueberzeugung eben durch Dich bey mir
um so lebendiger geworden: diese Grundsätze
müssen gleichsam der Faden seyn, an den wr

3.
Eduard Burton an William Lovell.


Indem ich dieſen Brief anfange, William,
weiß ich nicht recht, was ich Dir ſagen will,
noch weniger, wie ich es Dir ſagen ſoll. In
meinem Sinn und Herzen liegt alles hell und
klar, meine Meinung iſt nicht Sophiſterey oder
Leidenſchaft, die mir der Moment eingiebt, ſon-
dern meine Ideen ſind gleichſam Ein Strom,
der in der fernſten Kindheit entſpringt, und ſo
in gerader Richtung durch mein Leben fließt.
Deine Gedanken ſind einzelne Fragmente, die
Dir vielleicht in der jedesmaligen Stimmung
unumſtoͤßlich ſcheinen, weil ſie eben durch dieſe
Stimmung hervorgebracht ſind, die Dir aber
vielleicht ſelbſt am folgenden Tage unverſtaͤnd-
lich ſind. Du verachteſt mich gewiß, wenn ich
von Grundſaͤtzen rede, nach denen man handeln
muͤſſe, aber ſeit ich Dich genauer kenne, iſt
dieſe Ueberzeugung eben durch Dich bey mir
um ſo lebendiger geworden: dieſe Grundſaͤtze
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[216/0222] 3. Eduard Burton an William Lovell. Bonſtreet. Indem ich dieſen Brief anfange, William, weiß ich nicht recht, was ich Dir ſagen will, noch weniger, wie ich es Dir ſagen ſoll. In meinem Sinn und Herzen liegt alles hell und klar, meine Meinung iſt nicht Sophiſterey oder Leidenſchaft, die mir der Moment eingiebt, ſon- dern meine Ideen ſind gleichſam Ein Strom, der in der fernſten Kindheit entſpringt, und ſo in gerader Richtung durch mein Leben fließt. Deine Gedanken ſind einzelne Fragmente, die Dir vielleicht in der jedesmaligen Stimmung unumſtoͤßlich ſcheinen, weil ſie eben durch dieſe Stimmung hervorgebracht ſind, die Dir aber vielleicht ſelbſt am folgenden Tage unverſtaͤnd- lich ſind. Du verachteſt mich gewiß, wenn ich von Grundſaͤtzen rede, nach denen man handeln muͤſſe, aber ſeit ich Dich genauer kenne, iſt dieſe Ueberzeugung eben durch Dich bey mir um ſo lebendiger geworden: dieſe Grundſaͤtze muͤſſen gleichſam der Faden ſeyn, an den wr

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/222>, abgerufen am 26.04.2024.