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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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über ihn hinweg, ihm war fast noch nie so
wohl gewesen.

Das Reisen, sagte er zu sich selber, ist
etwas trefliches, diese Freiheit der Natur,
diese Regsamkeit aller Kreaturen, der reine
weite Himmel und der Menschengeist der
alles dies zusammenfassen und in Einen Ge¬
danken zusammenstellen kann -- o glücklich
ist der, der bald die enge Heimath verläßt,
um wie der Vogel seinen Fittig zu prüfen
und sich auf unbekannten, noch schönern
Zweigen zu schaukeln. Welche Welten ent¬
wickeln sich im Gemüthe, wenn die freie
Natur umher mit kühner Sprache in uns
hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unser
Herz trift und alle Empfindungen zugleich
anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß
ich ein guter Mahler würde, denn warum
sollte ich es nicht werden können, da mein
ganzer Sinn sich so der Kunst zuwendet,

über ihn hinweg, ihm war faſt noch nie ſo
wohl geweſen.

Das Reiſen, ſagte er zu ſich ſelber, iſt
etwas trefliches, dieſe Freiheit der Natur,
dieſe Regſamkeit aller Kreaturen, der reine
weite Himmel und der Menſchengeiſt der
alles dies zuſammenfaſſen und in Einen Ge¬
danken zuſammenſtellen kann — o glücklich
iſt der, der bald die enge Heimath verläßt,
um wie der Vogel ſeinen Fittig zu prüfen
und ſich auf unbekannten, noch ſchönern
Zweigen zu ſchaukeln. Welche Welten ent¬
wickeln ſich im Gemüthe, wenn die freie
Natur umher mit kühner Sprache in uns
hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unſer
Herz trift und alle Empfindungen zugleich
anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß
ich ein guter Mahler würde, denn warum
ſollte ich es nicht werden können, da mein
ganzer Sinn ſich ſo der Kunſt zuwendet,

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[38/0049] über ihn hinweg, ihm war faſt noch nie ſo wohl geweſen. Das Reiſen, ſagte er zu ſich ſelber, iſt etwas trefliches, dieſe Freiheit der Natur, dieſe Regſamkeit aller Kreaturen, der reine weite Himmel und der Menſchengeiſt der alles dies zuſammenfaſſen und in Einen Ge¬ danken zuſammenſtellen kann — o glücklich iſt der, der bald die enge Heimath verläßt, um wie der Vogel ſeinen Fittig zu prüfen und ſich auf unbekannten, noch ſchönern Zweigen zu ſchaukeln. Welche Welten ent¬ wickeln ſich im Gemüthe, wenn die freie Natur umher mit kühner Sprache in uns hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unſer Herz trift und alle Empfindungen zugleich anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß ich ein guter Mahler würde, denn warum ſollte ich es nicht werden können, da mein ganzer Sinn ſich ſo der Kunſt zuwendet,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/49>, abgerufen am 26.04.2024.