Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Kapitel.
Instinktartige Nervenwirkungen.

Ein Thier, dass blos unter den Gesetzen der
Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares
Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst
in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir-
kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So
sahe Unzer die thierische Natur an, und noch
einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt
von Brown und Darwin betrachtet. Aber es
waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun-
gen schon das Alterthum als göttlich pries, und
deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird.
Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le-
ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch
erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs-
kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge-
stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist,
wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der
Instinkt.

Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei-
ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck
haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck

nur

Zweytes Kapitel.
Instinktartige Nervenwirkungen.

Ein Thier, daſs blos unter den Gesetzen der
Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares
Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst
in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir-
kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So
sahe Unzer die thierische Natur an, und noch
einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt
von Brown und Darwin betrachtet. Aber es
waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun-
gen schon das Alterthum als göttlich pries, und
deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird.
Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le-
ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch
erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs-
kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge-
stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist,
wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der
Instinkt.

Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei-
ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck
haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0441" n="429"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>Zweytes Kapitel.<lb/><hi rendition="#g">Instinktartige Nervenwirkungen</hi>.</head><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>in Thier, da&#x017F;s blos unter den Gesetzen der<lb/>
Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares<lb/>
Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst<lb/>
in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir-<lb/>
kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So<lb/>
sahe <hi rendition="#k">Unzer</hi> die thierische Natur an, und noch<lb/>
einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt<lb/>
von <hi rendition="#k">Brown</hi> und <hi rendition="#k">Darwin</hi> betrachtet. Aber es<lb/>
waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun-<lb/>
gen schon das Alterthum als göttlich pries, und<lb/>
deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird.<lb/>
Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le-<lb/>
ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch<lb/>
erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs-<lb/>
kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge-<lb/>
stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist,<lb/>
wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der<lb/><hi rendition="#g">Instinkt</hi>.</p><lb/>
              <p>Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei-<lb/>
ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck<lb/>
haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[429/0441] Zweytes Kapitel. Instinktartige Nervenwirkungen. Ein Thier, daſs blos unter den Gesetzen der Erregbarkeit stände, würde nur ein reitzbares Automat seyn. Es gab eine Zeit, wo man selbst in den Regungen des höchsten Lebens nur Wir- kungen von Reitzen und Reitzbarkeit fand. So sahe Unzer die thierische Natur an, und noch einseitiger wurde sie aus diesem Gesichtspunkt von Brown und Darwin betrachtet. Aber es waltet eine Kraft im Thierreiche, deren Wirkun- gen schon das Alterthum als göttlich pries, und deren Wesen nie ganz enthüllt werden wird. Es ist dieselbe, die in Krankheiten, wo das Le- ben schon entflohen zu seyn scheint, oft noch erwacht, und, wie die ursprüngliche Bildungs- kraft der formlosen Flüssigkeit eine lebendige Ge- stalt, so dem Körper, der fast schon Leiche ist, wieder blühende Gesundheit giebt. Es ist der Instinkt. Das ganze Leben hindurch gehen Thätigkei- ten vor sich, die einen sehr bestimmten Zweck haben und sonst in Beziehung auf diesen Zweck nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/441
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/441>, abgerufen am 27.04.2024.