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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
ihre bloße Nervenkraft in tausend Fällen eben dasselbe. §.
515 -- 521. 525. Die übrigen Seelenwirkungen der
Leidenschaften sind oft willkührliche Bewegungen, §. 307.
315. 324. u. a. oft Veränderungen in den natürlichen
Verrichtungen der Eingeweide. §. 316. 320. 325. u. a.
Auch diese kann die bloße Nervenkraft innerer sinnlicher
Eindrücke ersetzen. §. 508. 523. 528. 532 -- 540.
Wenn man aber die Seelenwirkungen einer Leidenschaft
als zufällige Seelenwirkungen der ersten äußern Empfin-
dung betrachtet, durch die sie veranlasset worden ist, und
man soll alsdann, nach §. 544. sagen, ob der zu dieser
äußern Empfindung gehörige äußere sinnliche Eindruck
durch seine Nervenkraft eben diese Seelenwirkungen der
Leidenschaft hervorbringen könne; so ist dabey ein wichtiger
Unterschied zu bemerken, der in der Natur der Sache liegt,
und einer ausführlichen Erklärung bedarf.

§. 564.

Die unvernünftigen Thiere werden von der Natur zu
ihren natürlichen Pflichten eigentlich durch die blinden
Triebe angehalten, und nur bey den klügsten bemerket man
zuweilen, daß sich dieselben zu Affektentrieben erhöhen, und
daß sie auch wahre Leidenschaften besitzen, nachdem vielleicht
ihr Gehirn mehrerer materieller Jdeen, oder einer größern
Ausbildung derselben fähig ist: §. 26. denn unstreitig liegt
der Grund hiervon darinn, weil zur Entwickelung der Lei-
denschaften überhaupt eine vollkommnere Vorstellungskraft,
die ganz klare Begriffe formiren kann, und ein höherer
Grad der sinnlichen Erkenntnisse erfodert wird, §. 305.
welchen nur die vollkommnern Thiere haben. Eine wahre
Leidenschaft ist nie eine so nahe und unmittelbare Folge aus
äußern Empfindungen, so klar sie auch immer seyn mögen,
wie es die natürlichen Triebe und die Affektentriebe allezeit
sind. §. 276. N. 1. §. 298. Jene erfodert gemeiniglich
ganze Reihen andrer klarer sinnlicher Vorstellungen, die
sich oft nur weither auf äußere Empfindungen beziehen, die

die

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
ihre bloße Nervenkraft in tauſend Faͤllen eben daſſelbe. §.
515 — 521. 525. Die uͤbrigen Seelenwirkungen der
Leidenſchaften ſind oft willkuͤhrliche Bewegungen, §. 307.
315. 324. u. a. oft Veraͤnderungen in den natuͤrlichen
Verrichtungen der Eingeweide. §. 316. 320. 325. u. a.
Auch dieſe kann die bloße Nervenkraft innerer ſinnlicher
Eindruͤcke erſetzen. §. 508. 523. 528. 532 — 540.
Wenn man aber die Seelenwirkungen einer Leidenſchaft
als zufaͤllige Seelenwirkungen der erſten aͤußern Empfin-
dung betrachtet, durch die ſie veranlaſſet worden iſt, und
man ſoll alsdann, nach §. 544. ſagen, ob der zu dieſer
aͤußern Empfindung gehoͤrige aͤußere ſinnliche Eindruck
durch ſeine Nervenkraft eben dieſe Seelenwirkungen der
Leidenſchaft hervorbringen koͤnne; ſo iſt dabey ein wichtiger
Unterſchied zu bemerken, der in der Natur der Sache liegt,
und einer ausfuͤhrlichen Erklaͤrung bedarf.

§. 564.

Die unvernuͤnftigen Thiere werden von der Natur zu
ihren natuͤrlichen Pflichten eigentlich durch die blinden
Triebe angehalten, und nur bey den kluͤgſten bemerket man
zuweilen, daß ſich dieſelben zu Affektentrieben erhoͤhen, und
daß ſie auch wahre Leidenſchaften beſitzen, nachdem vielleicht
ihr Gehirn mehrerer materieller Jdeen, oder einer groͤßern
Ausbildung derſelben faͤhig iſt: §. 26. denn unſtreitig liegt
der Grund hiervon darinn, weil zur Entwickelung der Lei-
denſchaften uͤberhaupt eine vollkommnere Vorſtellungskraft,
die ganz klare Begriffe formiren kann, und ein hoͤherer
Grad der ſinnlichen Erkenntniſſe erfodert wird, §. 305.
welchen nur die vollkommnern Thiere haben. Eine wahre
Leidenſchaft iſt nie eine ſo nahe und unmittelbare Folge aus
aͤußern Empfindungen, ſo klar ſie auch immer ſeyn moͤgen,
wie es die natuͤrlichen Triebe und die Affektentriebe allezeit
ſind. §. 276. N. 1. §. 298. Jene erfodert gemeiniglich
ganze Reihen andrer klarer ſinnlicher Vorſtellungen, die
ſich oft nur weither auf aͤußere Empfindungen beziehen, die

die
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[564/0588] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. ihre bloße Nervenkraft in tauſend Faͤllen eben daſſelbe. §. 515 — 521. 525. Die uͤbrigen Seelenwirkungen der Leidenſchaften ſind oft willkuͤhrliche Bewegungen, §. 307. 315. 324. u. a. oft Veraͤnderungen in den natuͤrlichen Verrichtungen der Eingeweide. §. 316. 320. 325. u. a. Auch dieſe kann die bloße Nervenkraft innerer ſinnlicher Eindruͤcke erſetzen. §. 508. 523. 528. 532 — 540. Wenn man aber die Seelenwirkungen einer Leidenſchaft als zufaͤllige Seelenwirkungen der erſten aͤußern Empfin- dung betrachtet, durch die ſie veranlaſſet worden iſt, und man ſoll alsdann, nach §. 544. ſagen, ob der zu dieſer aͤußern Empfindung gehoͤrige aͤußere ſinnliche Eindruck durch ſeine Nervenkraft eben dieſe Seelenwirkungen der Leidenſchaft hervorbringen koͤnne; ſo iſt dabey ein wichtiger Unterſchied zu bemerken, der in der Natur der Sache liegt, und einer ausfuͤhrlichen Erklaͤrung bedarf. §. 564. Die unvernuͤnftigen Thiere werden von der Natur zu ihren natuͤrlichen Pflichten eigentlich durch die blinden Triebe angehalten, und nur bey den kluͤgſten bemerket man zuweilen, daß ſich dieſelben zu Affektentrieben erhoͤhen, und daß ſie auch wahre Leidenſchaften beſitzen, nachdem vielleicht ihr Gehirn mehrerer materieller Jdeen, oder einer groͤßern Ausbildung derſelben faͤhig iſt: §. 26. denn unſtreitig liegt der Grund hiervon darinn, weil zur Entwickelung der Lei- denſchaften uͤberhaupt eine vollkommnere Vorſtellungskraft, die ganz klare Begriffe formiren kann, und ein hoͤherer Grad der ſinnlichen Erkenntniſſe erfodert wird, §. 305. welchen nur die vollkommnern Thiere haben. Eine wahre Leidenſchaft iſt nie eine ſo nahe und unmittelbare Folge aus aͤußern Empfindungen, ſo klar ſie auch immer ſeyn moͤgen, wie es die natuͤrlichen Triebe und die Affektentriebe allezeit ſind. §. 276. N. 1. §. 298. Jene erfodert gemeiniglich ganze Reihen andrer klarer ſinnlicher Vorſtellungen, die ſich oft nur weither auf aͤußere Empfindungen beziehen, die die

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/588>, abgerufen am 26.04.2024.