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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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§. 42.

Meine Leser werden glauben, daß ich Jh-
nen
Historien erzählen wolte, an statt auf die
weitere Bekräftigung meines Beweises zu den-
cken. Allein ich kan versichern, daß ich die
Sätze meines Beweises bey keinem Exempel
aus der Acht gelassen habe. Es sind lauter
Untersätze zu meinem Schlusse. Wenn A ist
und B ist auch; wenn A nicht ist, und B auch
nicht: Wenn endlich C nicht mit A und B so
genau verbunden ist; so ist eins die Ursach vom
andern. Nun folget der Untersatz, und man
mag von vorigen Erfahrungen eine erwählen,
welche man will, wofern man sie nur gehörig
einschränckt; so wird man sie als eine Erfahrung
des Obersatzes ansehen können. Was folget
denn nun, aus alle dem, was mit so vielen
Exempeln bestätiget ist? Nichts anders, als was
uns Günther in zwey Worten sagt:

Begehren kommt vom Sehn!

Unsre Sele würckt in ihren Körper! Mei-
ne Leser
werden nunmehro urtheilen können,
ob ich zu viel gesprochen, als ich gesagt, daß die
Artzneyverständigen unzählige Erfahrungen an-
führen könten, welche alle ihren Grundsatz be-
stätigen. Denn ich kan versichern, daß alles,
was ich ietzo davon erwähnt habe nur ein sehr
kleiner Abriß von Erfahrungen sey, welche nicht
eben allzugewöhnlich sind. Wie viele muste
ich nicht weglassen, um nicht zu weitläuftig zu

seyn!
J 5
§. 42.

Meine Leſer werden glauben, daß ich Jh-
nen
Hiſtorien erzaͤhlen wolte, an ſtatt auf die
weitere Bekraͤftigung meines Beweiſes zu den-
cken. Allein ich kan verſichern, daß ich die
Saͤtze meines Beweiſes bey keinem Exempel
aus der Acht gelaſſen habe. Es ſind lauter
Unterſaͤtze zu meinem Schluſſe. Wenn A iſt
und B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B auch
nicht: Wenn endlich C nicht mit A und B ſo
genau verbunden iſt; ſo iſt eins die Urſach vom
andern. Nun folget der Unterſatz, und man
mag von vorigen Erfahrungen eine erwaͤhlen,
welche man will, wofern man ſie nur gehoͤrig
einſchraͤnckt; ſo wird man ſie als eine Erfahrung
des Oberſatzes anſehen koͤnnen. Was folget
denn nun, aus alle dem, was mit ſo vielen
Exempeln beſtaͤtiget iſt? Nichts anders, als was
uns Guͤnther in zwey Worten ſagt:

Begehren kommt vom Sehn!

Unſre Sele wuͤrckt in ihren Koͤrper! Mei-
ne Leſer
werden nunmehro urtheilen koͤnnen,
ob ich zu viel geſprochen, als ich geſagt, daß die
Artzneyverſtaͤndigen unzaͤhlige Erfahrungen an-
fuͤhren koͤnten, welche alle ihren Grundſatz be-
ſtaͤtigen. Denn ich kan verſichern, daß alles,
was ich ietzo davon erwaͤhnt habe nur ein ſehr
kleiner Abriß von Erfahrungen ſey, welche nicht
eben allzugewoͤhnlich ſind. Wie viele muſte
ich nicht weglaſſen, um nicht zu weitlaͤuftig zu

ſeyn!
J 5
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[111/0141] §. 42. Meine Leſer werden glauben, daß ich Jh- nen Hiſtorien erzaͤhlen wolte, an ſtatt auf die weitere Bekraͤftigung meines Beweiſes zu den- cken. Allein ich kan verſichern, daß ich die Saͤtze meines Beweiſes bey keinem Exempel aus der Acht gelaſſen habe. Es ſind lauter Unterſaͤtze zu meinem Schluſſe. Wenn A iſt und B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B auch nicht: Wenn endlich C nicht mit A und B ſo genau verbunden iſt; ſo iſt eins die Urſach vom andern. Nun folget der Unterſatz, und man mag von vorigen Erfahrungen eine erwaͤhlen, welche man will, wofern man ſie nur gehoͤrig einſchraͤnckt; ſo wird man ſie als eine Erfahrung des Oberſatzes anſehen koͤnnen. Was folget denn nun, aus alle dem, was mit ſo vielen Exempeln beſtaͤtiget iſt? Nichts anders, als was uns Guͤnther in zwey Worten ſagt: Begehren kommt vom Sehn! Unſre Sele wuͤrckt in ihren Koͤrper! Mei- ne Leſer werden nunmehro urtheilen koͤnnen, ob ich zu viel geſprochen, als ich geſagt, daß die Artzneyverſtaͤndigen unzaͤhlige Erfahrungen an- fuͤhren koͤnten, welche alle ihren Grundſatz be- ſtaͤtigen. Denn ich kan verſichern, daß alles, was ich ietzo davon erwaͤhnt habe nur ein ſehr kleiner Abriß von Erfahrungen ſey, welche nicht eben allzugewoͤhnlich ſind. Wie viele muſte ich nicht weglaſſen, um nicht zu weitlaͤuftig zu ſeyn! J 5

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/141>, abgerufen am 26.04.2024.