Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu sparen
suchte; so sahen sich die beiden Eheleute, außer am
Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, meist nur
bei dem von Hauke eilig besorgten Mittagessen
und beim Auf- und Niedergang des Tages; es war
ein Leben fortgesetzter Arbeit, doch gleichwohl ein
zufriedenes.

Dann kam ein störendes Wort in Umlauf. --
Als von den jüngeren Besitzern der Marsch- und
Geestgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein
etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke
festgeblieben war, redeten sie beim vierten oder
fünften Glase zwar nicht über König und Re-
gierung -- so hoch wurde damals noch nicht ge-
griffen -- wohl aber über Communal- und Ober-
beamte, vor Allem über Gemeindeabgaben und
-Lasten, und je länger sie redeten, desto weniger
fand davon Gnade vor ihren Augen, insonders
nicht die neuen Deichlasten; alle Sielen und
Schleusen, die sonst immer gehalten hätten, seien
jetzt reparaturbedürftig; am Deiche fänden sich
immer neue Stellen, die Hunderte von Karren
Erde nöthig hätten; der Teufel möchte die Ge-
schichte holen!

der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu ſparen
ſuchte; ſo ſahen ſich die beiden Eheleute, außer am
Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, meiſt nur
bei dem von Hauke eilig beſorgten Mittageſſen
und beim Auf- und Niedergang des Tages; es war
ein Leben fortgeſetzter Arbeit, doch gleichwohl ein
zufriedenes.

Dann kam ein ſtörendes Wort in Umlauf. —
Als von den jüngeren Beſitzern der Marſch- und
Geeſtgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein
etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke
feſtgeblieben war, redeten ſie beim vierten oder
fünften Glaſe zwar nicht über König und Re-
gierung — ſo hoch wurde damals noch nicht ge-
griffen — wohl aber über Communal- und Ober-
beamte, vor Allem über Gemeindeabgaben und
-Laſten, und je länger ſie redeten, deſto weniger
fand davon Gnade vor ihren Augen, inſonders
nicht die neuen Deichlaſten; alle Sielen und
Schleuſen, die ſonſt immer gehalten hätten, ſeien
jetzt reparaturbedürftig; am Deiche fänden ſich
immer neue Stellen, die Hunderte von Karren
Erde nöthig hätten; der Teufel möchte die Ge-
ſchichte holen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="100"/>
der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu &#x017F;paren<lb/>
&#x017F;uchte; &#x017F;o &#x017F;ahen &#x017F;ich die beiden Eheleute, außer am<lb/>
Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, mei&#x017F;t nur<lb/>
bei dem von Hauke eilig be&#x017F;orgten Mittage&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und beim Auf- und Niedergang des Tages; es war<lb/>
ein Leben fortge&#x017F;etzter Arbeit, doch gleichwohl ein<lb/>
zufriedenes.</p><lb/>
        <p>Dann kam ein &#x017F;törendes Wort in Umlauf. &#x2014;<lb/>
Als von den jüngeren Be&#x017F;itzern der Mar&#x017F;ch- und<lb/>
Gee&#x017F;tgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein<lb/>
etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke<lb/>
fe&#x017F;tgeblieben war, redeten &#x017F;ie beim vierten oder<lb/>
fünften Gla&#x017F;e zwar nicht über König und Re-<lb/>
gierung &#x2014; &#x017F;o hoch wurde damals noch nicht ge-<lb/>
griffen &#x2014; wohl aber über Communal- und Ober-<lb/>
beamte, vor Allem über Gemeindeabgaben und<lb/>
-La&#x017F;ten, und je länger &#x017F;ie redeten, de&#x017F;to weniger<lb/>
fand davon Gnade vor ihren Augen, in&#x017F;onders<lb/>
nicht die neuen Deichla&#x017F;ten; alle Sielen und<lb/>
Schleu&#x017F;en, die &#x017F;on&#x017F;t immer gehalten hätten, &#x017F;eien<lb/>
jetzt reparaturbedürftig; am Deiche fänden &#x017F;ich<lb/>
immer neue Stellen, die Hunderte von Karren<lb/>
Erde nöthig hätten; der Teufel möchte die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte holen!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0112] der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu ſparen ſuchte; ſo ſahen ſich die beiden Eheleute, außer am Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, meiſt nur bei dem von Hauke eilig beſorgten Mittageſſen und beim Auf- und Niedergang des Tages; es war ein Leben fortgeſetzter Arbeit, doch gleichwohl ein zufriedenes. Dann kam ein ſtörendes Wort in Umlauf. — Als von den jüngeren Beſitzern der Marſch- und Geeſtgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke feſtgeblieben war, redeten ſie beim vierten oder fünften Glaſe zwar nicht über König und Re- gierung — ſo hoch wurde damals noch nicht ge- griffen — wohl aber über Communal- und Ober- beamte, vor Allem über Gemeindeabgaben und -Laſten, und je länger ſie redeten, deſto weniger fand davon Gnade vor ihren Augen, inſonders nicht die neuen Deichlaſten; alle Sielen und Schleuſen, die ſonſt immer gehalten hätten, ſeien jetzt reparaturbedürftig; am Deiche fänden ſich immer neue Stellen, die Hunderte von Karren Erde nöthig hätten; der Teufel möchte die Ge- ſchichte holen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/112
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/112>, abgerufen am 27.04.2024.