gen, die Fahnen haben sie vor Dir geschwenkt, die Kö- nige kamen und berührten den Saum Deines Mantels und brachten Dir goldne Gefäße und legten Ehrenket- ten um Deine freie Brust. Du weißt's nicht mehr, daß ich Dir die gesammelten Blumen, die wilden Kräuter alle in den Busen pflanzte und die Hand darauf legte um sie fest zu drücken, Du weißt's nicht mehr, daß meine Hand gefangen lag inmitten Deiner Brust, und daß Du mich den wilden Hopfen nanntest, der Wurzel fasse da, und dann hinauf sich ranke, und Dich über- schlinge und umwachse, daß nichts mehr an Dir zu ken- nen sei als blos der wilde Hopfen. Sieh in dieser Doppelwand von Fels- und Bergesschluchten da haust des Wiederhalles froher Ruf; sieh meine Brust ist eine so kunstreich gebildete Doppelwand, daß ewig und ewig, tausendfältig der freudige Schall so süßer Mähre sich durchkreuzt. Wo sollte es ein Ende nehmen dies Leben jugendlicher Lust? -- es liegt ja bewahrt und umgeben vom reinsten Enthusiasmus die Nahrung meiner Wiege- zeit. Dein Hauch, dem der Gott Unsterblichkeit einblies, hat ja mir den Athem der Begeistrung eingeblasen. Lasse es Dir gefallen, daß ich Dir noch einmal die Me- lodieen meiner schönsten Lebenswege vorsinge, und zwar im begeisterten Rythmus des augenblicklichen Genusses,
gen, die Fahnen haben ſie vor Dir geſchwenkt, die Kö- nige kamen und berührten den Saum Deines Mantels und brachten Dir goldne Gefäße und legten Ehrenket- ten um Deine freie Bruſt. Du weißt's nicht mehr, daß ich Dir die geſammelten Blumen, die wilden Kräuter alle in den Buſen pflanzte und die Hand darauf legte um ſie feſt zu drücken, Du weißt's nicht mehr, daß meine Hand gefangen lag inmitten Deiner Bruſt, und daß Du mich den wilden Hopfen nannteſt, der Wurzel faſſe da, und dann hinauf ſich ranke, und Dich über- ſchlinge und umwachſe, daß nichts mehr an Dir zu ken- nen ſei als blos der wilde Hopfen. Sieh in dieſer Doppelwand von Fels- und Bergesſchluchten da hauſt des Wiederhalles froher Ruf; ſieh meine Bruſt iſt eine ſo kunſtreich gebildete Doppelwand, daß ewig und ewig, tauſendfältig der freudige Schall ſo ſüßer Mähre ſich durchkreuzt. Wo ſollte es ein Ende nehmen dies Leben jugendlicher Luſt? — es liegt ja bewahrt und umgeben vom reinſten Enthuſiasmus die Nahrung meiner Wiege- zeit. Dein Hauch, dem der Gott Unſterblichkeit einblies, hat ja mir den Athem der Begeiſtrung eingeblaſen. Laſſe es Dir gefallen, daß ich Dir noch einmal die Me- lodieen meiner ſchönſten Lebenswege vorſinge, und zwar im begeiſterten Rythmus des augenblicklichen Genuſſes,
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gen, die Fahnen haben ſie vor Dir geſchwenkt, die Kö-
nige kamen und berührten den Saum Deines Mantels
und brachten Dir goldne Gefäße und legten Ehrenket-
ten um Deine freie Bruſt. Du weißt's nicht mehr, daß
ich Dir die geſammelten Blumen, die wilden Kräuter
alle in den Buſen pflanzte und die Hand darauf legte
um ſie feſt zu drücken, Du weißt's nicht mehr, daß
meine Hand gefangen lag inmitten Deiner Bruſt, und
daß Du mich den wilden Hopfen nannteſt, der Wurzel
faſſe da, und dann hinauf ſich ranke, und Dich über-
ſchlinge und umwachſe, daß nichts mehr an Dir zu ken-
nen ſei als blos der wilde Hopfen. Sieh in dieſer
Doppelwand von Fels- und Bergesſchluchten da hauſt
des Wiederhalles froher Ruf; ſieh meine Bruſt iſt eine
ſo kunſtreich gebildete Doppelwand, daß ewig und ewig,
tauſendfältig der freudige Schall ſo ſüßer Mähre ſich
durchkreuzt. Wo ſollte es ein Ende nehmen dies Leben
jugendlicher Luſt? — es liegt ja bewahrt und umgeben
vom reinſten Enthuſiasmus die Nahrung meiner Wiege-
zeit. Dein Hauch, dem der Gott Unſterblichkeit einblies,
hat ja mir den Athem der Begeiſtrung eingeblaſen.
Laſſe es Dir gefallen, daß ich Dir noch einmal die Me-
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/208>, abgerufen am 04.05.2024.
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