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Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840.

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von Charlottenburg. Die Einbalsamirung seines Körpers hatte er sich verbeten; die Beisetzung erfolgte daher auch rascher nach dem Tode, als sonst bei so hohen Personen zu geschehen pflegt. Majestätisch war Morgens der Zug nach der Kirche, bei dem ein Kaiser, zwei Könige und viele andere Fürsten sich befanden, aber noch majestätischer Nachts der vom Mond beleuchtete Trauerzug nach Charlottenburg, dem wenigstens an dreißigtausend Menschen sich angeschlossen hatten, so daß die Straße, die eine halbe Meile lang durch den Thiergarten nach dem Schlosse dieser Nachbarstadt sich zieht, in der sonst so stillen Mitternachtsstunde voll Leben und Bewegung war. Der regierende König hatte sich bereits Nachmittags zur Ruhestätte seiner verewigten Mutter begeben, wo er und die Seinigen die irdischen Ueberreste des geliebten Vaters empfingen, und wie es bereits in der Kirche geschehen war, abermals in stillen Gebeten und thränenvollen Umarmungen ihren Schmerz aussprachen. Der einzige Trost, den der König in seinem Leide sich bisher gegönnt hat, besteht darin, daß er die treuesten Diener seines verewigten Vaters mit Belohnungen überhäuft. So hat er dem Oberhofmeister der Königin Luise, Freiherrn v. Schilden, der ein persönlicher Freund Friedrich Wilhelms III war und den Monarchen täglich schon des Morgens früh besuchte, während er sich von aller andern Gesellschaft, um dem König allein zu leben, ganz fern hielt, den großen schwarzen Adlerorden verliehen. Der Oberst v. Lindheim, vortragender Adjutant des Dahingeschiedenen, ist zum Generalmajor ernannt. Gegen andere persönliche Freunde seines Vaters, namentlich gegen den Minister Fürsten v. Witgenstein, den Minister Grafen v. Wylich und Lottum, und den Freiherrn Alex. v. Humboldt, hat sich Se. Maj. bereits, wie allgemein erzählt wird, in dankbarster Weise ausgesprochen. Humboldt ist, wie es heißt, zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften designirt, einer Stelle, die seit vielen Jahren unbesetzt ist. Der königlichen Gnadenbeweise gegen die allgemein verehrte Frau Fürstin v. Liegnitz ist bereits früher gedacht worden. Man vernimmt, daß die bedeutende Appanage, die ihr ausgesetzt worden, auf das vom König hinterlassene Privatvermögen dotirt sey. Gegenwärtig hält sich die Fürstin auf dem nahen Lustschloß Schönhausen auf, um sich von ihren großen Anstrengungen zu erholen. Die russische Kaiserfamilie ist über Weimar nach Ems abgereist. Der hier zum königlichen Leichenbegängniß eingetroffene König von Hannover ist in seinem Privathotel unter den Linden abgestiegen, wo auch die Königin von Hannover erwartet wird. Unser König und die Königin verweilen wiederum in Sanssouci.

Rußland.

Se. Maj. der Kaiser haben befohlen, daß der Erzbischof von Litthauen, Josephus, und dessen Nachfolger ihren Sitz in Wilna haben und hinfür den Titel "Erzbischof von Litthauen und Archimandrit des Klosters der heiligen Dreieinigkeit in Wilna" führen sollen. Der Bischof von Polotsk wird hinfür "Bischof von Polotsk und Witepsk" heißen. - Der bisherige Redacteur des "Litthauischen Boten" Marzzinowskij, ist dieser Redaction enthoben und die genannte Zeitung unter die Leitung des Chefs des weißrussischen Lehrbezirks gestellt worden. (Petersb. Bl.)

Der heurige Feldzug der kaukasischen Bergvölker hat die Früchte langjähriger Anstrengungen der Russen vernichtet. Ihre ersten Angriffe waren, obschon mit Ungestüm ausgeführt, doch nicht auf so große Resultate berechnet, wie sie sich in der Folge wirklich herausgestellt haben. Die Nothwendigkeit, eine größere Macht, als die bis jetzt verwendete, an der tscherkessischen Küste zu entwickeln, hat Rußland zu nicht unbedeutenden Modificationen der frühern Anordnungen vermocht. Ich hatte Ihnen bereits unterm 2 Mai gemeldet, daß die in Kertsch und Sebastopol eingeschifften Truppen zurückgehalten wurden, weil sie zur Expedition als unzulänglich erschienen, andere Truppen aber nicht disponibel waren, da theils eine hinlängliche Macht in Odessa und Sebastopol wegen möglicher Ereignisse in Kleinasien concentrirt bleiben mußte, andererseits aber die Zusammenziehung eines Lagers von 50,000 Mann zwischen dem Pruth und dem Dniester von St. Petersburg angeordnet war. Ich schrieb Ihnen zugleich, daß man in dieser Hinsicht nähere Befehle abwarten wollte. Diese sind nun erfolgt. Die Zusammenziehung des erwähnten Lagers ist contremandirt worden und der größte Theil des fünften Corps, zu dessen Hauptquartier bereits Odessa bestimmt gewesen, ward nun nebst den früher bezeichneten Truppen nach der kaukasischen Küste beordert. Dagegen sollen andere Truppen, die zur Errichtung des Lagers bestimmt waren, sich in Odessa zusammenziehen. Von dem fünften Corps sind schon über 10,000 Mann eingeschifft, und wahrscheinlich in diesem Augenblick bereits nach Tscherkessien unter Segel. Nach dem von dem berufenen Kriegsconseil gefaßten Plane sollen die Operationen gegen die Kaukasier eben so wie im vorigen Jahre von drei verschiedenen Angriffspunkten begonnen werden, nämlich vom Kuban, von der Küste des schwarzen Meeres und von Mingrelien und Kachetien aus. Dieser concentrische Angriff wird inzwischen mit einer sehr bedeutenden Macht ausgeführt werden. Man behauptet, daß über 40,000 Mann im Ganzen dazu verwendet werden sollen. Die Mündung des Tuabs ist vorläufig als der Landungspunkt für die See-Expedition bestimmt, wo man auf einen verzweifelten Widerstand von Seite der Tscherkessen gefaßt ist. - Nachrichten aus Konstantinopel melden, daß die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft wieder Demarchen bei der Pforte gemacht, um die Bewilligung zur Herstellung eines Canals von Rassowa nach Kustendsche zu erwirken. Unsere Stadt würde durch die veränderte Richtung der Schifffahrt und des Handels unendlich viel verlieren, noch mehr aber die russische Niederlassung von Sulina, die einen großen Flor bereits versprach, durch die Herstellung der projectirten neuen Wasserstraße bald wieder verkommen müßte. Hier hegt man daher die Hoffnung, daß Rußland den Plan nicht zur Ausführung kommen lassen werde.

Nachrichten aus Odessa zufolge wird das ganze Corps des Generals Lüders 20,000 Mann stark nach den Ostküsten des schwarzen Meeres übergeschifft. Die Expedition soll sich in zwei Hälften theilen, von denen die eine an der tscherkessischen, die andere an der abchasischen Küste gelandet werden wird. Dieß wäre nun, wenn man die andern zu dem heurigen Feldzug gegen die Kaukasier bestimmten Truppen hinzurechnet, eine fast zu imposante Macht, deren Verpflegung auf unübersteigliche Hindernisse stoßen müßte. Man ist daher geneigt zu glauben, daß die Hälfte des Lüders'schen Corps nicht in Abchasien, sondern bei Poti landen, und dann nach den südlichen transkaukasischen Provinzen seine Richtung nehmen werde. In diesem Falle würde eine solche Maaßregel auf die Stellung der Russen in Mittel- und Kleinasien berechnet seyn, und sich wahrscheinlich auf die persischen oder türkisch-ägyptischen Wirren beziehen. Ich lasse die Stichhaltigkeit dieser Muthmaßung dahin gestellt, und verbürge Ihnen bloß den Umstand, daß auf jeden Fall für die Expeditionstruppen zwei verschiedene Landungspunkte bestimmt sind.

Oesterreich.

Außer dem Tode eines Gliedes der eigenen Herrscherfamilie konnte nichts einen tieferen, allgemeinern,

von Charlottenburg. Die Einbalsamirung seines Körpers hatte er sich verbeten; die Beisetzung erfolgte daher auch rascher nach dem Tode, als sonst bei so hohen Personen zu geschehen pflegt. Majestätisch war Morgens der Zug nach der Kirche, bei dem ein Kaiser, zwei Könige und viele andere Fürsten sich befanden, aber noch majestätischer Nachts der vom Mond beleuchtete Trauerzug nach Charlottenburg, dem wenigstens an dreißigtausend Menschen sich angeschlossen hatten, so daß die Straße, die eine halbe Meile lang durch den Thiergarten nach dem Schlosse dieser Nachbarstadt sich zieht, in der sonst so stillen Mitternachtsstunde voll Leben und Bewegung war. Der regierende König hatte sich bereits Nachmittags zur Ruhestätte seiner verewigten Mutter begeben, wo er und die Seinigen die irdischen Ueberreste des geliebten Vaters empfingen, und wie es bereits in der Kirche geschehen war, abermals in stillen Gebeten und thränenvollen Umarmungen ihren Schmerz aussprachen. Der einzige Trost, den der König in seinem Leide sich bisher gegönnt hat, besteht darin, daß er die treuesten Diener seines verewigten Vaters mit Belohnungen überhäuft. So hat er dem Oberhofmeister der Königin Luise, Freiherrn v. Schilden, der ein persönlicher Freund Friedrich Wilhelms III war und den Monarchen täglich schon des Morgens früh besuchte, während er sich von aller andern Gesellschaft, um dem König allein zu leben, ganz fern hielt, den großen schwarzen Adlerorden verliehen. Der Oberst v. Lindheim, vortragender Adjutant des Dahingeschiedenen, ist zum Generalmajor ernannt. Gegen andere persönliche Freunde seines Vaters, namentlich gegen den Minister Fürsten v. Witgenstein, den Minister Grafen v. Wylich und Lottum, und den Freiherrn Alex. v. Humboldt, hat sich Se. Maj. bereits, wie allgemein erzählt wird, in dankbarster Weise ausgesprochen. Humboldt ist, wie es heißt, zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften designirt, einer Stelle, die seit vielen Jahren unbesetzt ist. Der königlichen Gnadenbeweise gegen die allgemein verehrte Frau Fürstin v. Liegnitz ist bereits früher gedacht worden. Man vernimmt, daß die bedeutende Appanage, die ihr ausgesetzt worden, auf das vom König hinterlassene Privatvermögen dotirt sey. Gegenwärtig hält sich die Fürstin auf dem nahen Lustschloß Schönhausen auf, um sich von ihren großen Anstrengungen zu erholen. Die russische Kaiserfamilie ist über Weimar nach Ems abgereist. Der hier zum königlichen Leichenbegängniß eingetroffene König von Hannover ist in seinem Privathotel unter den Linden abgestiegen, wo auch die Königin von Hannover erwartet wird. Unser König und die Königin verweilen wiederum in Sanssouci.

Rußland.

Se. Maj. der Kaiser haben befohlen, daß der Erzbischof von Litthauen, Josephus, und dessen Nachfolger ihren Sitz in Wilna haben und hinfür den Titel „Erzbischof von Litthauen und Archimandrit des Klosters der heiligen Dreieinigkeit in Wilna“ führen sollen. Der Bischof von Polotsk wird hinfür „Bischof von Polotsk und Witepsk“ heißen. – Der bisherige Redacteur des „Litthauischen Boten“ Marzzinowskij, ist dieser Redaction enthoben und die genannte Zeitung unter die Leitung des Chefs des weißrussischen Lehrbezirks gestellt worden. (Petersb. Bl.)

Der heurige Feldzug der kaukasischen Bergvölker hat die Früchte langjähriger Anstrengungen der Russen vernichtet. Ihre ersten Angriffe waren, obschon mit Ungestüm ausgeführt, doch nicht auf so große Resultate berechnet, wie sie sich in der Folge wirklich herausgestellt haben. Die Nothwendigkeit, eine größere Macht, als die bis jetzt verwendete, an der tscherkessischen Küste zu entwickeln, hat Rußland zu nicht unbedeutenden Modificationen der frühern Anordnungen vermocht. Ich hatte Ihnen bereits unterm 2 Mai gemeldet, daß die in Kertsch und Sebastopol eingeschifften Truppen zurückgehalten wurden, weil sie zur Expedition als unzulänglich erschienen, andere Truppen aber nicht disponibel waren, da theils eine hinlängliche Macht in Odessa und Sebastopol wegen möglicher Ereignisse in Kleinasien concentrirt bleiben mußte, andererseits aber die Zusammenziehung eines Lagers von 50,000 Mann zwischen dem Pruth und dem Dniester von St. Petersburg angeordnet war. Ich schrieb Ihnen zugleich, daß man in dieser Hinsicht nähere Befehle abwarten wollte. Diese sind nun erfolgt. Die Zusammenziehung des erwähnten Lagers ist contremandirt worden und der größte Theil des fünften Corps, zu dessen Hauptquartier bereits Odessa bestimmt gewesen, ward nun nebst den früher bezeichneten Truppen nach der kaukasischen Küste beordert. Dagegen sollen andere Truppen, die zur Errichtung des Lagers bestimmt waren, sich in Odessa zusammenziehen. Von dem fünften Corps sind schon über 10,000 Mann eingeschifft, und wahrscheinlich in diesem Augenblick bereits nach Tscherkessien unter Segel. Nach dem von dem berufenen Kriegsconseil gefaßten Plane sollen die Operationen gegen die Kaukasier eben so wie im vorigen Jahre von drei verschiedenen Angriffspunkten begonnen werden, nämlich vom Kuban, von der Küste des schwarzen Meeres und von Mingrelien und Kachetien aus. Dieser concentrische Angriff wird inzwischen mit einer sehr bedeutenden Macht ausgeführt werden. Man behauptet, daß über 40,000 Mann im Ganzen dazu verwendet werden sollen. Die Mündung des Tuabs ist vorläufig als der Landungspunkt für die See-Expedition bestimmt, wo man auf einen verzweifelten Widerstand von Seite der Tscherkessen gefaßt ist. – Nachrichten aus Konstantinopel melden, daß die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft wieder Demarchen bei der Pforte gemacht, um die Bewilligung zur Herstellung eines Canals von Rassowa nach Kustendsche zu erwirken. Unsere Stadt würde durch die veränderte Richtung der Schifffahrt und des Handels unendlich viel verlieren, noch mehr aber die russische Niederlassung von Sulina, die einen großen Flor bereits versprach, durch die Herstellung der projectirten neuen Wasserstraße bald wieder verkommen müßte. Hier hegt man daher die Hoffnung, daß Rußland den Plan nicht zur Ausführung kommen lassen werde.

Nachrichten aus Odessa zufolge wird das ganze Corps des Generals Lüders 20,000 Mann stark nach den Ostküsten des schwarzen Meeres übergeschifft. Die Expedition soll sich in zwei Hälften theilen, von denen die eine an der tscherkessischen, die andere an der abchasischen Küste gelandet werden wird. Dieß wäre nun, wenn man die andern zu dem heurigen Feldzug gegen die Kaukasier bestimmten Truppen hinzurechnet, eine fast zu imposante Macht, deren Verpflegung auf unübersteigliche Hindernisse stoßen müßte. Man ist daher geneigt zu glauben, daß die Hälfte des Lüders'schen Corps nicht in Abchasien, sondern bei Poti landen, und dann nach den südlichen transkaukasischen Provinzen seine Richtung nehmen werde. In diesem Falle würde eine solche Maaßregel auf die Stellung der Russen in Mittel- und Kleinasien berechnet seyn, und sich wahrscheinlich auf die persischen oder türkisch-ägyptischen Wirren beziehen. Ich lasse die Stichhaltigkeit dieser Muthmaßung dahin gestellt, und verbürge Ihnen bloß den Umstand, daß auf jeden Fall für die Expeditionstruppen zwei verschiedene Landungspunkte bestimmt sind.

Oesterreich.

Außer dem Tode eines Gliedes der eigenen Herrscherfamilie konnte nichts einen tieferen, allgemeinern,

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[1350/0006] von Charlottenburg. Die Einbalsamirung seines Körpers hatte er sich verbeten; die Beisetzung erfolgte daher auch rascher nach dem Tode, als sonst bei so hohen Personen zu geschehen pflegt. Majestätisch war Morgens der Zug nach der Kirche, bei dem ein Kaiser, zwei Könige und viele andere Fürsten sich befanden, aber noch majestätischer Nachts der vom Mond beleuchtete Trauerzug nach Charlottenburg, dem wenigstens an dreißigtausend Menschen sich angeschlossen hatten, so daß die Straße, die eine halbe Meile lang durch den Thiergarten nach dem Schlosse dieser Nachbarstadt sich zieht, in der sonst so stillen Mitternachtsstunde voll Leben und Bewegung war. Der regierende König hatte sich bereits Nachmittags zur Ruhestätte seiner verewigten Mutter begeben, wo er und die Seinigen die irdischen Ueberreste des geliebten Vaters empfingen, und wie es bereits in der Kirche geschehen war, abermals in stillen Gebeten und thränenvollen Umarmungen ihren Schmerz aussprachen. Der einzige Trost, den der König in seinem Leide sich bisher gegönnt hat, besteht darin, daß er die treuesten Diener seines verewigten Vaters mit Belohnungen überhäuft. So hat er dem Oberhofmeister der Königin Luise, Freiherrn v. Schilden, der ein persönlicher Freund Friedrich Wilhelms III war und den Monarchen täglich schon des Morgens früh besuchte, während er sich von aller andern Gesellschaft, um dem König allein zu leben, ganz fern hielt, den großen schwarzen Adlerorden verliehen. Der Oberst v. Lindheim, vortragender Adjutant des Dahingeschiedenen, ist zum Generalmajor ernannt. Gegen andere persönliche Freunde seines Vaters, namentlich gegen den Minister Fürsten v. Witgenstein, den Minister Grafen v. Wylich und Lottum, und den Freiherrn Alex. v. Humboldt, hat sich Se. Maj. bereits, wie allgemein erzählt wird, in dankbarster Weise ausgesprochen. Humboldt ist, wie es heißt, zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften designirt, einer Stelle, die seit vielen Jahren unbesetzt ist. Der königlichen Gnadenbeweise gegen die allgemein verehrte Frau Fürstin v. Liegnitz ist bereits früher gedacht worden. Man vernimmt, daß die bedeutende Appanage, die ihr ausgesetzt worden, auf das vom König hinterlassene Privatvermögen dotirt sey. Gegenwärtig hält sich die Fürstin auf dem nahen Lustschloß Schönhausen auf, um sich von ihren großen Anstrengungen zu erholen. Die russische Kaiserfamilie ist über Weimar nach Ems abgereist. Der hier zum königlichen Leichenbegängniß eingetroffene König von Hannover ist in seinem Privathotel unter den Linden abgestiegen, wo auch die Königin von Hannover erwartet wird. Unser König und die Königin verweilen wiederum in Sanssouci. Rußland. _ St. Petersburg, 6 Jun. Se. Maj. der Kaiser haben befohlen, daß der Erzbischof von Litthauen, Josephus, und dessen Nachfolger ihren Sitz in Wilna haben und hinfür den Titel „Erzbischof von Litthauen und Archimandrit des Klosters der heiligen Dreieinigkeit in Wilna“ führen sollen. Der Bischof von Polotsk wird hinfür „Bischof von Polotsk und Witepsk“ heißen. – Der bisherige Redacteur des „Litthauischen Boten“ Marzzinowskij, ist dieser Redaction enthoben und die genannte Zeitung unter die Leitung des Chefs des weißrussischen Lehrbezirks gestellt worden. (Petersb. Bl.) _ Galacz, 31 Mai. Der heurige Feldzug der kaukasischen Bergvölker hat die Früchte langjähriger Anstrengungen der Russen vernichtet. Ihre ersten Angriffe waren, obschon mit Ungestüm ausgeführt, doch nicht auf so große Resultate berechnet, wie sie sich in der Folge wirklich herausgestellt haben. Die Nothwendigkeit, eine größere Macht, als die bis jetzt verwendete, an der tscherkessischen Küste zu entwickeln, hat Rußland zu nicht unbedeutenden Modificationen der frühern Anordnungen vermocht. Ich hatte Ihnen bereits unterm 2 Mai gemeldet, daß die in Kertsch und Sebastopol eingeschifften Truppen zurückgehalten wurden, weil sie zur Expedition als unzulänglich erschienen, andere Truppen aber nicht disponibel waren, da theils eine hinlängliche Macht in Odessa und Sebastopol wegen möglicher Ereignisse in Kleinasien concentrirt bleiben mußte, andererseits aber die Zusammenziehung eines Lagers von 50,000 Mann zwischen dem Pruth und dem Dniester von St. Petersburg angeordnet war. Ich schrieb Ihnen zugleich, daß man in dieser Hinsicht nähere Befehle abwarten wollte. Diese sind nun erfolgt. Die Zusammenziehung des erwähnten Lagers ist contremandirt worden und der größte Theil des fünften Corps, zu dessen Hauptquartier bereits Odessa bestimmt gewesen, ward nun nebst den früher bezeichneten Truppen nach der kaukasischen Küste beordert. Dagegen sollen andere Truppen, die zur Errichtung des Lagers bestimmt waren, sich in Odessa zusammenziehen. Von dem fünften Corps sind schon über 10,000 Mann eingeschifft, und wahrscheinlich in diesem Augenblick bereits nach Tscherkessien unter Segel. Nach dem von dem berufenen Kriegsconseil gefaßten Plane sollen die Operationen gegen die Kaukasier eben so wie im vorigen Jahre von drei verschiedenen Angriffspunkten begonnen werden, nämlich vom Kuban, von der Küste des schwarzen Meeres und von Mingrelien und Kachetien aus. Dieser concentrische Angriff wird inzwischen mit einer sehr bedeutenden Macht ausgeführt werden. Man behauptet, daß über 40,000 Mann im Ganzen dazu verwendet werden sollen. Die Mündung des Tuabs ist vorläufig als der Landungspunkt für die See-Expedition bestimmt, wo man auf einen verzweifelten Widerstand von Seite der Tscherkessen gefaßt ist. – Nachrichten aus Konstantinopel melden, daß die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft wieder Demarchen bei der Pforte gemacht, um die Bewilligung zur Herstellung eines Canals von Rassowa nach Kustendsche zu erwirken. Unsere Stadt würde durch die veränderte Richtung der Schifffahrt und des Handels unendlich viel verlieren, noch mehr aber die russische Niederlassung von Sulina, die einen großen Flor bereits versprach, durch die Herstellung der projectirten neuen Wasserstraße bald wieder verkommen müßte. Hier hegt man daher die Hoffnung, daß Rußland den Plan nicht zur Ausführung kommen lassen werde. _ Jassy, 1 Jun. Nachrichten aus Odessa zufolge wird das ganze Corps des Generals Lüders 20,000 Mann stark nach den Ostküsten des schwarzen Meeres übergeschifft. Die Expedition soll sich in zwei Hälften theilen, von denen die eine an der tscherkessischen, die andere an der abchasischen Küste gelandet werden wird. Dieß wäre nun, wenn man die andern zu dem heurigen Feldzug gegen die Kaukasier bestimmten Truppen hinzurechnet, eine fast zu imposante Macht, deren Verpflegung auf unübersteigliche Hindernisse stoßen müßte. Man ist daher geneigt zu glauben, daß die Hälfte des Lüders'schen Corps nicht in Abchasien, sondern bei Poti landen, und dann nach den südlichen transkaukasischen Provinzen seine Richtung nehmen werde. In diesem Falle würde eine solche Maaßregel auf die Stellung der Russen in Mittel- und Kleinasien berechnet seyn, und sich wahrscheinlich auf die persischen oder türkisch-ägyptischen Wirren beziehen. Ich lasse die Stichhaltigkeit dieser Muthmaßung dahin gestellt, und verbürge Ihnen bloß den Umstand, daß auf jeden Fall für die Expeditionstruppen zwei verschiedene Landungspunkte bestimmt sind. Oesterreich. _ Wien, 12 Jun. Außer dem Tode eines Gliedes der eigenen Herrscherfamilie konnte nichts einen tieferen, allgemeinern,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840, S. 1350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_169_18400617/6>, abgerufen am 30.04.2024.