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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Eisenbereitung im Mittelalter.

Es ist nicht zu verwundern, dass ein solcher Stand, der so viel
auf Ordnung und Standesehre hielt, eine geistige Überlegenheit den
unfreieren Arbeitsklassen, sowie dem Landvolk gegenüber erlangte.
Dazu kam ein tief religiöser Sinn, welchen der ernste Beruf mit sich
brachte, und wenn dieser sich oft bis zum Aberglauben verstieg, so
prägte er doch dem ganzen Stande eine eigene Würde auf. Aus dem
Bergmannsstande sind durch das Zusammenwirken aller dieser Mo-
mente viele hervorragende Persönlichkeiten hervorgegangen, und es
ist charakteristisch, dass aus einer einfachen Bergmannshütte der
grosse Reformator hervorging, der in geistiger Beziehung das Mittel-
alter zum Abschluss brachte und der neuen Zeit voran leuchtete, der
Mönch von Wittenberg, der arme Bergmannssohn aus Eisleben, -- der
gewaltige Doktor Martinus Luther.

Die Eisenbereitung im Mittelalter.

Nachdem wir es versucht haben, ein Bild der Verwendung des
Eisens im Mittelalter, der Gewinnung der Erze, der damit in Verbin-
dung stehenden Rechtsverhältnisse zu geben, wird es jetzt vor allem
unsere Aufgabe sein, die Schmelzmethoden selbst, die metallurgische
Darstellung des Eisens aus seinen Erzen, wie sie im Mittelalter ge-
gräuchlich war, zu schildern.

Die Eisendarstellung in Herdgruben (Luppenfeuer, Renn-
feuer, Windöfen u. s. w.).

Über die Eisenschmelzerei der alten Germanen wissen wir nichts
Bestimmtes. Es lässt sich nur das eine mit Sicherheit feststellen, dass
sie sich des sogenannten direkten Verfahrens bedienten, d. h. dass sie
aus den Erzen unmittelbar schmiedbares Eisen gewannen. Dies ge-
schah in sehr unvollkommener Weise mit schwachen Gebläsen und
einfachen Schmelzvorrichtungen. Letztere waren entweder offene Herd-
feuer oder niedrige Schachtöfen. Von letzteren hat man auf Hügeln
und Bergen Trümmer gefunden. Es scheint, dass sie etwa 1,50 m hoch
und 0,50 m weit waren. Dass in solchen Öfen zuweilen auch ohne
Gebläse durch natürlichen Luftzug geschmolzen wurde, erscheint wahr-
scheinlich, ist indessen noch nicht hinreichend erwiesen. Die Herd-
öfen nannte man später Rennfeuer und Luppenfeuer, die Schachtöfen
dagegen Stucköfen und Wolfsöfen.


Eisenbereitung im Mittelalter.

Es ist nicht zu verwundern, daſs ein solcher Stand, der so viel
auf Ordnung und Standesehre hielt, eine geistige Überlegenheit den
unfreieren Arbeitsklassen, sowie dem Landvolk gegenüber erlangte.
Dazu kam ein tief religiöser Sinn, welchen der ernste Beruf mit sich
brachte, und wenn dieser sich oft bis zum Aberglauben verstieg, so
prägte er doch dem ganzen Stande eine eigene Würde auf. Aus dem
Bergmannsstande sind durch das Zusammenwirken aller dieser Mo-
mente viele hervorragende Persönlichkeiten hervorgegangen, und es
ist charakteristisch, daſs aus einer einfachen Bergmannshütte der
groſse Reformator hervorging, der in geistiger Beziehung das Mittel-
alter zum Abschluſs brachte und der neuen Zeit voran leuchtete, der
Mönch von Wittenberg, der arme Bergmannssohn aus Eisleben, — der
gewaltige Doktor Martinus Luther.

Die Eisenbereitung im Mittelalter.

Nachdem wir es versucht haben, ein Bild der Verwendung des
Eisens im Mittelalter, der Gewinnung der Erze, der damit in Verbin-
dung stehenden Rechtsverhältnisse zu geben, wird es jetzt vor allem
unsere Aufgabe sein, die Schmelzmethoden selbst, die metallurgische
Darstellung des Eisens aus seinen Erzen, wie sie im Mittelalter ge-
gräuchlich war, zu schildern.

Die Eisendarstellung in Herdgruben (Luppenfeuer, Renn-
feuer, Windöfen u. s. w.).

Über die Eisenschmelzerei der alten Germanen wissen wir nichts
Bestimmtes. Es läſst sich nur das eine mit Sicherheit feststellen, daſs
sie sich des sogenannten direkten Verfahrens bedienten, d. h. daſs sie
aus den Erzen unmittelbar schmiedbares Eisen gewannen. Dies ge-
schah in sehr unvollkommener Weise mit schwachen Gebläsen und
einfachen Schmelzvorrichtungen. Letztere waren entweder offene Herd-
feuer oder niedrige Schachtöfen. Von letzteren hat man auf Hügeln
und Bergen Trümmer gefunden. Es scheint, daſs sie etwa 1,50 m hoch
und 0,50 m weit waren. Daſs in solchen Öfen zuweilen auch ohne
Gebläse durch natürlichen Luftzug geschmolzen wurde, erscheint wahr-
scheinlich, ist indessen noch nicht hinreichend erwiesen. Die Herd-
öfen nannte man später Rennfeuer und Luppenfeuer, die Schachtöfen
dagegen Stucköfen und Wolfsöfen.


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[779/0801] Eisenbereitung im Mittelalter. Es ist nicht zu verwundern, daſs ein solcher Stand, der so viel auf Ordnung und Standesehre hielt, eine geistige Überlegenheit den unfreieren Arbeitsklassen, sowie dem Landvolk gegenüber erlangte. Dazu kam ein tief religiöser Sinn, welchen der ernste Beruf mit sich brachte, und wenn dieser sich oft bis zum Aberglauben verstieg, so prägte er doch dem ganzen Stande eine eigene Würde auf. Aus dem Bergmannsstande sind durch das Zusammenwirken aller dieser Mo- mente viele hervorragende Persönlichkeiten hervorgegangen, und es ist charakteristisch, daſs aus einer einfachen Bergmannshütte der groſse Reformator hervorging, der in geistiger Beziehung das Mittel- alter zum Abschluſs brachte und der neuen Zeit voran leuchtete, der Mönch von Wittenberg, der arme Bergmannssohn aus Eisleben, — der gewaltige Doktor Martinus Luther. Die Eisenbereitung im Mittelalter. Nachdem wir es versucht haben, ein Bild der Verwendung des Eisens im Mittelalter, der Gewinnung der Erze, der damit in Verbin- dung stehenden Rechtsverhältnisse zu geben, wird es jetzt vor allem unsere Aufgabe sein, die Schmelzmethoden selbst, die metallurgische Darstellung des Eisens aus seinen Erzen, wie sie im Mittelalter ge- gräuchlich war, zu schildern. Die Eisendarstellung in Herdgruben (Luppenfeuer, Renn- feuer, Windöfen u. s. w.). Über die Eisenschmelzerei der alten Germanen wissen wir nichts Bestimmtes. Es läſst sich nur das eine mit Sicherheit feststellen, daſs sie sich des sogenannten direkten Verfahrens bedienten, d. h. daſs sie aus den Erzen unmittelbar schmiedbares Eisen gewannen. Dies ge- schah in sehr unvollkommener Weise mit schwachen Gebläsen und einfachen Schmelzvorrichtungen. Letztere waren entweder offene Herd- feuer oder niedrige Schachtöfen. Von letzteren hat man auf Hügeln und Bergen Trümmer gefunden. Es scheint, daſs sie etwa 1,50 m hoch und 0,50 m weit waren. Daſs in solchen Öfen zuweilen auch ohne Gebläse durch natürlichen Luftzug geschmolzen wurde, erscheint wahr- scheinlich, ist indessen noch nicht hinreichend erwiesen. Die Herd- öfen nannte man später Rennfeuer und Luppenfeuer, die Schachtöfen dagegen Stucköfen und Wolfsöfen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/801>, abgerufen am 30.04.2024.