Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_067.001 p3b_067.004 p3b_067.013 p3b_067.018 p3b_067.021 p3b_067.022 A. Mündliche Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte. p3b_067.023 Gefährdetes Geleite. p3b_067.026[Beginn Spaltensatz] Original. (Ausg. v. Frz. Pfeiffer.) p3b_067.027
Lösung. Von K. Simrock. p3b_067.102Jch saß auf einem Steine: p3b_067.103 [Ende Spaltensatz]
Da deckt' ich Bein mit Beine, p3b_067.104 Darauf der Ellenbogen stand; p3b_067.105 Es schmiegte sich in meine Hand p3b_067.106 Das Kinn und eine Wange. p3b_067.107 Da dacht' ich sorglich lange p3b_067.108 Dem Weltlauf nach und ird'schem Heil; p3b_067.109 Doch wurde mir kein Rat zu Teil, p3b_067.110 Wie man drei Ding' erwürbe, p3b_067.111 Daß ihrer keins verdürbe. p3b_067.112 Die zwei sind Ehr' und weltlich Gut, p3b_067.113 Das oft einander Schaden thut, p3b_067.114 Das dritte Gottes Segen, p3b_067.115 An dem ist mehr gelegen: p3b_067.001 p3b_067.004 p3b_067.013 p3b_067.018 p3b_067.021 p3b_067.022 A. Mündliche Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte. p3b_067.023 Gefährdetes Geleite. p3b_067.026[Beginn Spaltensatz] Original. (Ausg. v. Frz. Pfeiffer.) p3b_067.027
Lösung. Von K. Simrock. p3b_067.102Jch saß auf einem Steine: p3b_067.103 [Ende Spaltensatz]
Da deckt' ich Bein mit Beine, p3b_067.104 Darauf der Ellenbogen stand; p3b_067.105 Es schmiegte sich in meine Hand p3b_067.106 Das Kinn und eine Wange. p3b_067.107 Da dacht' ich sorglich lange p3b_067.108 Dem Weltlauf nach und ird'schem Heil; p3b_067.109 Doch wurde mir kein Rat zu Teil, p3b_067.110 Wie man drei Ding' erwürbe, p3b_067.111 Daß ihrer keins verdürbe. p3b_067.112 Die zwei sind Ehr' und weltlich Gut, p3b_067.113 Das oft einander Schaden thut, p3b_067.114 Das dritte Gottes Segen, p3b_067.115 An dem ist mehr gelegen: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0093" n="67"/><lb n="p3b_067.001"/> Gehäng mit einer Münze, den König David als Harfenspieler darstellend), <lb n="p3b_067.002"/> sowie der 2. Preis (seidene Blumen) gaben Anrecht auf die <lb n="p3b_067.003"/> Stelle eines Merkers.</p> <p><lb n="p3b_067.004"/> 3. Ein solcher Apparat war damals nötig, um Eifer zu wecken <lb n="p3b_067.005"/> und Aufmerksamkeit zu erzielen, damit Wesen wie Form gewahrt wurde. <lb n="p3b_067.006"/> Das genießende Beschauen der dichterischen Gaben erbte sich eben so <lb n="p3b_067.007"/> traditionell von Generation zu Generation weiter wie die Kunst, regelrecht <lb n="p3b_067.008"/> zu schaffen. Es dürfte verdienstlich erscheinen, neuerdings eine Tradition <lb n="p3b_067.009"/> zu begründen, die fortwirkt, ohne wie bei jenen zu verknöchern. Wir <lb n="p3b_067.010"/> sind daher mit Vereinigungen zufrieden, welche das genießende Beschauen <lb n="p3b_067.011"/> unserer dichterischen Gaben bezwecken, daneben aber auch Minderbegabte <lb n="p3b_067.012"/> in die Technik der Poesie einzuführen vermögen.</p> <p><lb n="p3b_067.013"/> 4. Da die Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte ins Hochdeutsche <lb n="p3b_067.014"/> ebenso leicht auszuführen sein dürfte als die Übertragung in andere <lb n="p3b_067.015"/> Versformen und Rhythmen, und da es in pädagogischer Beziehung für <lb n="p3b_067.016"/> den Lernenden ermutigend ist, den Erfolg seiner Thätigkeit zu sehen, <lb n="p3b_067.017"/> so widmen wir der Übertragung einzelner Dichtungen gebührende Rücksicht.</p> <p><lb n="p3b_067.018"/> 5. Wir bemerken, daß in allen jenen Fällen die Veränderung <lb n="p3b_067.019"/> des Ausdrucks, ja, selbst die Einfügung eines neuen Gedankens gestattet <lb n="p3b_067.020"/> ist, in welchen das hochdeutsche Reimwort dies nötig macht.</p> <p><lb n="p3b_067.021"/> 6. Das Reimgeschlecht darf je nach Bedürfnis geändert werden.</p> <div n="4"> <lb n="p3b_067.022"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. Mündliche Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte.</hi> </head> <p> <lb n="p3b_067.023"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Nachstehendes Gedicht von Walther von der Vogelweide <lb n="p3b_067.024"/> soll ins Hochdeutsche übertragen werden.</hi> </p> <lb n="p3b_067.025"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Gefährdetes Geleite.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_067.026"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Original.</hi> (Ausg. v. <hi rendition="#g">Frz. 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Gehäng mit einer Münze, den König David als Harfenspieler darstellend), p3b_067.002
sowie der 2. Preis (seidene Blumen) gaben Anrecht auf die p3b_067.003
Stelle eines Merkers.
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3. Ein solcher Apparat war damals nötig, um Eifer zu wecken p3b_067.005
und Aufmerksamkeit zu erzielen, damit Wesen wie Form gewahrt wurde. p3b_067.006
Das genießende Beschauen der dichterischen Gaben erbte sich eben so p3b_067.007
traditionell von Generation zu Generation weiter wie die Kunst, regelrecht p3b_067.008
zu schaffen. Es dürfte verdienstlich erscheinen, neuerdings eine Tradition p3b_067.009
zu begründen, die fortwirkt, ohne wie bei jenen zu verknöchern. Wir p3b_067.010
sind daher mit Vereinigungen zufrieden, welche das genießende Beschauen p3b_067.011
unserer dichterischen Gaben bezwecken, daneben aber auch Minderbegabte p3b_067.012
in die Technik der Poesie einzuführen vermögen.
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4. Da die Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte ins Hochdeutsche p3b_067.014
ebenso leicht auszuführen sein dürfte als die Übertragung in andere p3b_067.015
Versformen und Rhythmen, und da es in pädagogischer Beziehung für p3b_067.016
den Lernenden ermutigend ist, den Erfolg seiner Thätigkeit zu sehen, p3b_067.017
so widmen wir der Übertragung einzelner Dichtungen gebührende Rücksicht.
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5. Wir bemerken, daß in allen jenen Fällen die Veränderung p3b_067.019
des Ausdrucks, ja, selbst die Einfügung eines neuen Gedankens gestattet p3b_067.020
ist, in welchen das hochdeutsche Reimwort dies nötig macht.
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6. Das Reimgeschlecht darf je nach Bedürfnis geändert werden.
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A. Mündliche Umbildung mittelhochdeutscher Gedichte. p3b_067.023
Aufgabe. Nachstehendes Gedicht von Walther von der Vogelweide p3b_067.024
soll ins Hochdeutsche übertragen werden.
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Gefährdetes Geleite.
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Original. (Ausg. v. Frz. Pfeiffer.)
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Ich saz ûf eime steine: p3b_067.028
und dahte bein mit beine, p3b_067.029
dar ûf sast' ich den ellenbogen; p3b_067.030
ich hete in mîne hant gesmogen p3b_067.031
daz kinne und ein mîn wange. p3b_067.032
dô dâhte ich mir vil ange, p3b_067.033
wes man zer werlte solte leben. p3b_067.034
dekeinen rât kond' ich gegeben, p3b_067.035
wie man driu dinc erwurbe, p3b_067.036
der keines niht verdurbe. p3b_067.037
diu zwei sint êre und varnde guot, p3b_067.038
der dwederz dem andern schaden p3b_067.039
tuot, p3b_067.040
daz dritte ist gotes hulde, p3b_067.041
der zweier übergulde:
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Lösung. Von K. Simrock.
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Jch saß auf einem Steine: p3b_067.103
Da deckt' ich Bein mit Beine, p3b_067.104
Darauf der Ellenbogen stand; p3b_067.105
Es schmiegte sich in meine Hand p3b_067.106
Das Kinn und eine Wange. p3b_067.107
Da dacht' ich sorglich lange p3b_067.108
Dem Weltlauf nach und ird'schem Heil; p3b_067.109
Doch wurde mir kein Rat zu Teil, p3b_067.110
Wie man drei Ding' erwürbe, p3b_067.111
Daß ihrer keins verdürbe. p3b_067.112
Die zwei sind Ehr' und weltlich Gut, p3b_067.113
Das oft einander Schaden thut, p3b_067.114
Das dritte Gottes Segen, p3b_067.115
An dem ist mehr gelegen:
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/93>, abgerufen am 15.06.2024. |