wenn sie nicht aus dem Uebel selbst etwas Gutes herauszubringen wüsste. Es ist in der That so, als wenn ein jeder für sich zu arbeiten beschlossen hätte und als wenn ihn die äusserste Nothdurft allein nur bestimm- te, sich zuweilen auch für einen andern zu verwenden. Alle glaubt man für sich, und sich für Keinen geschaffen. Daher das in der Theorie nicht bezeugte, ungeschriebe- ne; in der Ausübung aber nur allzudeut- lich befolgte Gesetz: Gebrauche deinen Bruder, so viel du kannst; oder mit andern Worten: Nöthige ihn mit und wider seinen Willen, wie es die Umstände nur immer verstatten mögen, so viel zu deinem Besten zu thun, oder geschehen zu lassen, als dir dazu zu verlangen oder geschehen zu lassen beliebt. Die Fürsten und ihre Diener wird man wohl am wenigsten beschuldigen, dass sie dieser Regel nicht in ihrem ganzen Um-
wenn ſie nicht aus dem Uebel ſelbſt etwas Gutes herauszubringen wüſste. Es iſt in der That ſo, als wenn ein jeder für ſich zu arbeiten beſchloſsen hätte und als wenn ihn die äuſserſte Nothdurft allein nur beſtimm- te, ſich zuweilen auch für einen andern zu verwenden. Alle glaubt man für ſich, und ſich für Keinen geſchaffen. Daher das in der Theorie nicht bezeugte, ungeſchriebe- ne; in der Ausübung aber nur allzudeut- lich befolgte Geſetz: Gebrauche deinen Bruder, ſo viel du kannſt; oder mit andern Worten: Nöthige ihn mit und wider ſeinen Willen, wie es die Umſtände nur immer verſtatten mögen, ſo viel zu deinem Beſten zu thun, oder geſchehen zu laſsen, als dir dazu zu verlangen oder geſchehen zu laſsen beliebt. Die Fürſten und ihre Diener wird man wohl am wenigſten beſchuldigen, daſs ſie dieſer Regel nicht in ihrem ganzen Um-
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wenn ſie nicht aus dem Uebel ſelbſt etwas
Gutes herauszubringen wüſste. Es iſt in
der That ſo, als wenn ein jeder für ſich zu
arbeiten beſchloſsen hätte und als wenn ihn
die äuſserſte Nothdurft allein nur beſtimm-
te, ſich zuweilen auch für einen andern zu
verwenden. Alle glaubt man für ſich, und
ſich für Keinen geſchaffen. Daher das in
der Theorie nicht bezeugte, ungeſchriebe-
ne; in der Ausübung aber nur allzudeut-
lich befolgte Geſetz: Gebrauche deinen
Bruder, ſo viel du kannſt; oder mit andern
Worten: Nöthige ihn mit und wider ſeinen
Willen, wie es die Umſtände nur immer
verſtatten mögen, ſo viel zu deinem Beſten
zu thun, oder geſchehen zu laſsen, als dir
dazu zu verlangen oder geſchehen zu laſsen
beliebt. Die Fürſten und ihre Diener wird
man wohl am wenigſten beſchuldigen, daſs
ſie dieſer Regel nicht in ihrem ganzen Um-
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/197>, abgerufen am 04.05.2024.
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