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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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Brustbeins aufstemmen, und sich selbst auf den
dünnsten Aestgen im Gleichgewicht zu erhalten
wissen. Die kleinen Vögel stecken meist im
Schlaf den Kopf unter den einen Flügel. Das
Gedächtnis der Vögel ist stark, wie man an
den abgerichteten Sangvögeln sieht; und die
Lebhaftigkeit ihrer Phantasie wird durch die
Heftigkeit ihrer Begattungstriebe, und durch
ihre hitzigen Gefechte erweislich: doch sind sie
im Ganzen genommen, bey weitem nicht so ge-
lehrig als die Thiere der vorigen Classe, und
sehr schwer zu nur irgend künstlichen Handlun-
gen abzurichten.

§. 74.

Die Stimme der Vögel ist überaus verschie-
den; aber so wie die Schönheit der Federn beym
männlichen Geschlecht weit vorzüglicher als beym
Weiblichen. Die Raubvögel, die Wasservö-
gel, und die mehresten Hünerarten, geben zwar
meist nur einen ziemlich monotonen, nicht sehr
angenehmen Laut von sich: desto mannichfalti-
ger und anmuthiger sind hingegen die Töne der
kleinen Sangvögel, welche außer dem Men-
scheu, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind,
die fingen können. Gesang ist die Stimme
der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie
kräftiger und anhaltender, als wenn sie im Früh-
jahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder
ihren Verlust beweinen, oder wenn sie in einsa-

Brustbeins aufstemmen, und sich selbst auf den
dünnsten Aestgen im Gleichgewicht zu erhalten
wissen. Die kleinen Vögel stecken meist im
Schlaf den Kopf unter den einen Flügel. Das
Gedächtnis der Vögel ist stark, wie man an
den abgerichteten Sangvögeln sieht; und die
Lebhaftigkeit ihrer Phantasie wird durch die
Heftigkeit ihrer Begattungstriebe, und durch
ihre hitzigen Gefechte erweislich: doch sind sie
im Ganzen genommen, bey weitem nicht so ge-
lehrig als die Thiere der vorigen Classe, und
sehr schwer zu nur irgend künstlichen Handlun-
gen abzurichten.

§. 74.

Die Stimme der Vögel ist überaus verschie-
den; aber so wie die Schönheit der Federn beym
männlichen Geschlecht weit vorzüglicher als beym
Weiblichen. Die Raubvögel, die Wasservö-
gel, und die mehresten Hünerarten, geben zwar
meist nur einen ziemlich monotonen, nicht sehr
angenehmen Laut von sich: desto mannichfalti-
ger und anmuthiger sind hingegen die Töne der
kleinen Sangvögel, welche außer dem Men-
scheu, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind,
die fingen können. Gesang ist die Stimme
der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie
kräftiger und anhaltender, als wenn sie im Früh-
jahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder
ihren Verlust beweinen, oder wenn sie in einsa-

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[162/0185] Brustbeins aufstemmen, und sich selbst auf den dünnsten Aestgen im Gleichgewicht zu erhalten wissen. Die kleinen Vögel stecken meist im Schlaf den Kopf unter den einen Flügel. Das Gedächtnis der Vögel ist stark, wie man an den abgerichteten Sangvögeln sieht; und die Lebhaftigkeit ihrer Phantasie wird durch die Heftigkeit ihrer Begattungstriebe, und durch ihre hitzigen Gefechte erweislich: doch sind sie im Ganzen genommen, bey weitem nicht so ge- lehrig als die Thiere der vorigen Classe, und sehr schwer zu nur irgend künstlichen Handlun- gen abzurichten. §. 74. Die Stimme der Vögel ist überaus verschie- den; aber so wie die Schönheit der Federn beym männlichen Geschlecht weit vorzüglicher als beym Weiblichen. Die Raubvögel, die Wasservö- gel, und die mehresten Hünerarten, geben zwar meist nur einen ziemlich monotonen, nicht sehr angenehmen Laut von sich: desto mannichfalti- ger und anmuthiger sind hingegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche außer dem Men- scheu, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind, die fingen können. Gesang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie kräftiger und anhaltender, als wenn sie im Früh- jahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust beweinen, oder wenn sie in einsa-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/184>, abgerufen am 26.04.2024.