Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

malte. Er kam auf mich zu, als ich hereintrat, und
verlangte mit oft unterbrochenen Worten, mich allein zu
sprechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen,
einlud, führte nach einem freien, besonnten Theile des
Gartens -- ich ließ mich stumm auf einen Sitz nieder,
und es erfolgte ein langes Schweigen, das selbst die gute
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.

Der Forstmeister stürmte immer noch ungleichen Schrit-
tes die Laube auf und ab, er stand mit einem Mal vor
mir still, blickte in's Papier, das er hielt, und fragte
mich mit prüfendem Blick: "Sollte Ihnen, Herr Graf,
ein gewisser Peter Schlemihl wirklich nicht unbekannt
sein?" Ich schwieg -- "ein Mann von vorzüglichem
Charakter und von besonderen Gaben --" Er erwar-
tete eine Antwort. -- "Und wenn ich selber der Mann
wäre?" -- "dem," fügte er heftig hinzu, "sein Schatten
abhanden gekommen ist!!" -- "O meine Ahnung, meine
Ahnung!" rief Mina aus, "ja, ich weiß es längst, er
hat keinen Schatten!" und sie warf sich in die Arme der
Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schließend,
ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Ge-
heimniß in sich verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa,
in einen Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner
Stimme häufiger floß, und bei meinem Nahen stürmisch
aufbrauste.

"Und Sie haben," hub der Forstmeister grimmig wieder
an, "und Sie haben mit unerhörter Frechheit diese und
mich zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie

malte. Er kam auf mich zu, als ich hereintrat, und
verlangte mit oft unterbrochenen Worten, mich allein zu
ſprechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen,
einlud, fuͤhrte nach einem freien, beſonnten Theile des
Gartens — ich ließ mich ſtumm auf einen Sitz nieder,
und es erfolgte ein langes Schweigen, das ſelbſt die gute
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.

Der Forſtmeiſter ſtuͤrmte immer noch ungleichen Schrit-
tes die Laube auf und ab, er ſtand mit einem Mal vor
mir ſtill, blickte in’s Papier, das er hielt, und fragte
mich mit pruͤfendem Blick: 〟Sollte Ihnen, Herr Graf,
ein gewiſſer Peter Schlemihl wirklich nicht unbekannt
ſein?〞 Ich ſchwieg — 〟ein Mann von vorzuͤglichem
Charakter und von beſonderen Gaben —〞 Er erwar-
tete eine Antwort. — 〟Und wenn ich ſelber der Mann
waͤre?〞 — 〟dem,〞 fuͤgte er heftig hinzu, 〟ſein Schatten
abhanden gekommen iſt!!〞 — 〟O meine Ahnung, meine
Ahnung!〞 rief Mina aus, 〟ja, ich weiß es laͤngſt, er
hat keinen Schatten!〞 und ſie warf ſich in die Arme der
Mutter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchließend,
ihr Vorwuͤrfe machte, daß ſie zum Unheil ſolch ein Ge-
heimniß in ſich verſchloſſen. Sie aber war, wie Arethuſa,
in einen Thraͤnenquell gewandelt, der beim Klang meiner
Stimme haͤufiger floß, und bei meinem Nahen ſtuͤrmiſch
aufbrauſte.

〟Und Sie haben,〞 hub der Forſtmeiſter grimmig wieder
an, 〟und Sie haben mit unerhoͤrter Frechheit dieſe und
mich zu betruͤgen keinen Anſtand genommen; und Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0064" n="278"/>
malte. Er kam auf mich zu, als ich hereintrat, und<lb/>
verlangte mit oft unterbrochenen Worten, mich allein zu<lb/>
&#x017F;prechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen,<lb/>
einlud, fu&#x0364;hrte nach einem freien, be&#x017F;onnten Theile des<lb/>
Gartens &#x2014; ich ließ mich &#x017F;tumm auf einen Sitz nieder,<lb/>
und es erfolgte ein langes Schweigen, das &#x017F;elb&#x017F;t die gute<lb/>
Mutter nicht zu unterbrechen wagte.</p><lb/>
          <p>Der For&#x017F;tmei&#x017F;ter &#x017F;tu&#x0364;rmte immer noch ungleichen Schrit-<lb/>
tes die Laube auf und ab, er &#x017F;tand mit einem Mal vor<lb/>
mir &#x017F;till, blickte in&#x2019;s Papier, das er hielt, und fragte<lb/>
mich mit pru&#x0364;fendem Blick: &#x301F;Sollte Ihnen, Herr Graf,<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#g">Peter Schlemihl</hi> wirklich nicht unbekannt<lb/>
&#x017F;ein?&#x301E; Ich &#x017F;chwieg &#x2014; &#x301F;ein Mann von vorzu&#x0364;glichem<lb/>
Charakter und von be&#x017F;onderen Gaben &#x2014;&#x301E; Er erwar-<lb/>
tete eine Antwort. &#x2014; &#x301F;Und wenn ich &#x017F;elber der Mann<lb/>
wa&#x0364;re?&#x301E; &#x2014; &#x301F;dem,&#x301E; fu&#x0364;gte er heftig hinzu, &#x301F;&#x017F;ein Schatten<lb/>
abhanden gekommen i&#x017F;t!!&#x301E; &#x2014; &#x301F;O meine Ahnung, meine<lb/>
Ahnung!&#x301E; rief <hi rendition="#g">Mina</hi> aus, &#x301F;ja, ich weiß es la&#x0364;ng&#x017F;t, er<lb/>
hat keinen Schatten!&#x301E; und &#x017F;ie warf &#x017F;ich in die Arme der<lb/>
Mutter, welche er&#x017F;chreckt, &#x017F;ie krampfhaft an &#x017F;ich &#x017F;chließend,<lb/>
ihr Vorwu&#x0364;rfe machte, daß &#x017F;ie zum Unheil &#x017F;olch ein Ge-<lb/>
heimniß in &#x017F;ich ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Sie aber war, wie Arethu&#x017F;a,<lb/>
in einen Thra&#x0364;nenquell gewandelt, der beim Klang meiner<lb/>
Stimme ha&#x0364;ufiger floß, und bei meinem Nahen &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch<lb/>
aufbrau&#x017F;te.</p><lb/>
          <p>&#x301F;Und Sie haben,&#x301E; hub der For&#x017F;tmei&#x017F;ter grimmig wieder<lb/>
an, &#x301F;und Sie haben mit unerho&#x0364;rter Frechheit die&#x017F;e und<lb/>
mich zu betru&#x0364;gen keinen An&#x017F;tand genommen; und Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0064] malte. Er kam auf mich zu, als ich hereintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Worten, mich allein zu ſprechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen, einlud, fuͤhrte nach einem freien, beſonnten Theile des Gartens — ich ließ mich ſtumm auf einen Sitz nieder, und es erfolgte ein langes Schweigen, das ſelbſt die gute Mutter nicht zu unterbrechen wagte. Der Forſtmeiſter ſtuͤrmte immer noch ungleichen Schrit- tes die Laube auf und ab, er ſtand mit einem Mal vor mir ſtill, blickte in’s Papier, das er hielt, und fragte mich mit pruͤfendem Blick: 〟Sollte Ihnen, Herr Graf, ein gewiſſer Peter Schlemihl wirklich nicht unbekannt ſein?〞 Ich ſchwieg — 〟ein Mann von vorzuͤglichem Charakter und von beſonderen Gaben —〞 Er erwar- tete eine Antwort. — 〟Und wenn ich ſelber der Mann waͤre?〞 — 〟dem,〞 fuͤgte er heftig hinzu, 〟ſein Schatten abhanden gekommen iſt!!〞 — 〟O meine Ahnung, meine Ahnung!〞 rief Mina aus, 〟ja, ich weiß es laͤngſt, er hat keinen Schatten!〞 und ſie warf ſich in die Arme der Mutter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchließend, ihr Vorwuͤrfe machte, daß ſie zum Unheil ſolch ein Ge- heimniß in ſich verſchloſſen. Sie aber war, wie Arethuſa, in einen Thraͤnenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme haͤufiger floß, und bei meinem Nahen ſtuͤrmiſch aufbrauſte. 〟Und Sie haben,〞 hub der Forſtmeiſter grimmig wieder an, 〟und Sie haben mit unerhoͤrter Frechheit dieſe und mich zu betruͤgen keinen Anſtand genommen; und Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/64
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/64>, abgerufen am 05.05.2024.