Was hülfen Flügel dem in eisernen Ketten fest Angeschmiedeten? Er müßte dennoch, und schrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner bei seinem Hort, fern von jedem menschlichen Zuspruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte nicht das Herz nach ihm, sondern ich fluchte ihm, um dessentwillen ich mich von allem Leben ab- geschnitten sah. Bei mir allein mein düst'res Ge- heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz- ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte sich sehen lassen in der Sonne. Ich vertrauerte einsam in meinen Zimmern die Tag' und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen.
Noch Einer härmte sich unter meinen Augen ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, sich mit stillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu- trauen seines gütigen Herrn betrogen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeschickt war, und
III.
Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten feſt Angeſchmiedeten? Er müßte dennoch, und ſchrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner bei ſeinem Hort, fern von jedem menſchlichen Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte ihm, um deſſentwillen ich mich von allem Leben ab- geſchnitten ſah. Bei mir allein mein düſt’res Ge- heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz- ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte ſich ſehen laſſen in der Sonne. Ich vertrauerte einſam in meinen Zimmern die Tag’ und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen.
Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit ſtillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu- trauen ſeines gütigen Herrn betrogen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und
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III.
Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten
feſt Angeſchmiedeten? Er müßte dennoch, und
ſchrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner
bei ſeinem Hort, fern von jedem menſchlichen
Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich
hatte nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte
ihm, um deſſentwillen ich mich von allem Leben ab-
geſchnitten ſah. Bei mir allein mein düſt’res Ge-
heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz-
ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden
mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte
ſich ſehen laſſen in der Sonne. Ich vertrauerte
einſam in meinen Zimmern die Tag’ und Nächte,
und Gram zehrte an meinem Herzen.
Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen
ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit
ſtillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu-
trauen ſeines gütigen Herrn betrogen, und Jenen
nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. [44]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/52>, abgerufen am 25.03.2023.
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