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Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.

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nen/ so finden wir hier in der welt unter allen menschen nach dem fall/ Chri-
stum allein außgenommen/ keine gerechte/ Dann da heißt es/ Job. 15/ 14.
Was ist ein mensch/ daß er soll rein seyn/ und daß er solt ge-
recht seyn/ der vom weibe gebohren ist :
Es heisset wiederumb Ps.
130/ 3. So du wilt/ HErr/ sünde zurechnen/ HErr/ wer wird
bestehen :
Es heisset auch Ps. 143./ 3.Gehe nicht ins gericht mit
deinem knecht/ denn vor dir ist kein lebendiger gerecht.
Jndessen
lesen wir gleichwol nicht allein hier/ sondern auch an so vielen andern or-
ten/ daß der Heilige Geist von einigen gerechten/ die unter den menschen sich
finden/ redet; also muß das wort auch einen andern verstand in der schrifft
haben/ als daß nur bloß die vollkommene gerechte in eigener gerechtigkeit
dadurch bedeutet würden. Daher heissen gerechte auch die jenige/ in
dem Alten Testament/ die/ weil sie ihre sünden an sich empfanden und
erkanten/ ihre Zuflucht zu der Göttlichen Barmhertzigkeit nahmen/
die ihnen in dem künfftigen Meßia widerfahren solte/ und sich so wol der all-
gemeinen opffer/ sonderlich des jährlichen versühn-opffers/ gegen ihre sün-
de trösteten/ wo sie sonderbare sünden begangen/ ihre opffer davor brach-
ten/ in solchen opffern aber stets auff das künfftige versühn-opfer des
Meßiä sahen/und sich darauff verliessen : dadurch sie dann vergebung
der sünden empfingen/ und also gerecht wurden. Wie wir auch itzt im Neuen
Testament durch den glauben an Jesum Christum gerecht werden/ nach dem
es heißt/ Rom. 3/ 24. 25. Wir werden ohne verdienst gerecht/
auß seiner gnade/ durch die erlösung/ so durch Christum JE-
sum geschehen ist/ welchen GOtt hat vorgestellet zu einem
gnaden-stuhl/ durch den glauben in seinem blut.
Also heissen mit
wenigem allhier gerechte/ alle die durch den glauben des verdienstes und
also der gerechtigkeit Jesu Christi theilhafftig worden sind/ daher verge-
bung der sünden empfangen haben. Dann durch die vergebung werden
die sünden vor Gott so getilget/ daß es nicht anders ist/ als ob keine sünden
da gewesen wären. Es ist aber ohne diese gerechtigkeit/ die uns von JE-
su Christo zugerechnet wird/noch eine andere gerechtigkeit/ nemlich die
gerechtigkeit eines gottseligen und nach den Geboten GOttes führen-
den wandels. Diese/ ob sie wol wegen ihrer unvollkommenheit/ und
auß andern ursachen/ vor GOttes gericht nicht gebracht werden kan/
so ist sie doch allezeit bey jener zugerechneten gerechtigkeit/ und bestehet
in den tugenden/ die der Heilige Geist durch die Widergeburt und er-
neuerung in den glaubigen wircket und vermehret/ so dann in den gu-
ten wercken/ die darauß geschehen. Daher wann von den gerechten
geredet wird/ der Heilige Geist auch mit solchem nahmen auff diese ge-


nen/ so finden wir hier in der welt unter allen menschen nach dem fall/ Chri-
stum allein außgenommen/ keine gerechte/ Dann da heißt es/ Job. 15/ 14.
Was ist ein mensch/ daß er soll rein seyn/ und daß er solt ge-
recht seyn/ der vom weibe gebohren ist :
Es heisset wiederumb Ps.
130/ 3. So du wilt/ HErr/ suͤnde zurechnen/ HErr/ wer wird
bestehen :
Es heisset auch Ps. 143./ 3.Gehe nicht ins gericht mit
deinem knecht/ denn vor dir ist kein lebendiger gerecht.
Jndessen
lesen wir gleichwol nicht allein hier/ sondern auch an so vielen andern or-
ten/ daß der Heilige Geist von einigen gerechten/ die unter den menschen sich
finden/ redet; also muß das wort auch einen andern verstand in der schrifft
haben/ als daß nur bloß die vollkommene gerechte in eigener gerechtigkeit
dadurch bedeutet wuͤrden. Daher heissen gerechte auch die jenige/ in
dem Alten Testament/ die/ weil sie ihre suͤnden an sich empfanden und
erkanten/ ihre Zuflucht zu der Goͤttlichen Barmhertzigkeit nahmen/
die ihnen in dem kuͤnfftigen Meßia widerfahren solte/ und sich so wol der all-
gemeinen opffer/ sonderlich des jaͤhrlichen versuͤhn-opffers/ gegen ihre suͤn-
de troͤsteten/ wo sie sonderbare suͤnden begangen/ ihre opffer davor brach-
ten/ in solchen opffern aber stets auff das kuͤnfftige versuͤhn-opfer des
Meßiaͤ sahen/und sich darauff verliessen : dadurch sie dann vergebung
der suͤnden empfingen/ und also gerecht wurden. Wie wir auch itzt im Neuen
Testament durch den glauben an Jesum Christum gerecht werden/ nach dem
es heißt/ Rom. 3/ 24. 25. Wir werden ohne verdienst gerecht/
auß seiner gnade/ durch die erloͤsung/ so durch Christum JE-
sum geschehen ist/ welchen GOtt hat vorgestellet zu einem
gnaden-stuhl/ durch den glauben in seinem blut.
Also heissen mit
wenigem allhier gerechte/ alle die durch den glauben des verdienstes und
also der gerechtigkeit Jesu Christi theilhafftig worden sind/ daher verge-
bung der suͤnden empfangen haben. Dann durch die vergebung werden
die suͤnden vor Gott so getilget/ daß es nicht anders ist/ als ob keine suͤnden
da gewesen waͤren. Es ist aber ohne diese gerechtigkeit/ die uns von JE-
su Christo zugerechnet wird/noch eine andere gerechtigkeit/ nemlich die
gerechtigkeit eines gottseligen und nach den Geboten GOttes fuͤhren-
den wandels. Diese/ ob sie wol wegen ihrer unvollkommenheit/ und
auß andern ursachen/ vor GOttes gericht nicht gebracht werden kan/
so ist sie doch allezeit bey jener zugerechneten gerechtigkeit/ und bestehet
in den tugenden/ die der Heilige Geist durch die Widergeburt und er-
neuerung in den glaubigen wircket und vermehret/ so dann in den gu-
ten wercken/ die darauß geschehen. Daher wann von den gerechten
geredet wird/ der Heilige Geist auch mit solchem nahmen auff diese ge-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/3490624_6/10>, abgerufen am 26.04.2024.