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Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649.

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Sey still/ mein Seel/ es macht dein GOtt
nenden Kinde/ dehme Sie nach tröstlichem Zusprechen
die Thränen von seinen Augen und Wänglein mit wei-
chen Tüchlin abwischet/ wie in der Offenbahrung Jo-
Cap. vii, 17.hannis stehet: Gott wird abwischen alle Thränen
von derer Augen/ die auß grossem Trübsall kom-
Dionys.men sind. Felix lachryma quam tam clemens ma-
nus absterget/
saget Dionysius. O der seligen Thrä-
nen/ die eine so gnädige Mutter-Hand wird abwischen!

Umb solcher hohen grossen Wolthaten willen wird
die Seele Jhren GOtt vor seinem Throne rühmen/
und sagen: O HErr mein GOtt/ du hast mein Auge
von Thränen gerissen/ die Jch in der Welt so vielfältig
habe vergiessen müssen! Denn wird jhr Mund voll
Lachens/ und jhre Zunge voll Rühmens seyn/ und spre-
chen: Er hat grosse Dinge an mir gethan/ der da mäch-
tig ist/ und des Nahmen heilig ist. Magnificat anima
[L]uc. I, 46. 49mea Dominum, O meine Seele erhebe den HErren!

Noch mehr werden die Gläubigen Seelen Jh-
ren Gott für seinem Throne rühmen und loben propter

3. Pedis a lapsu praeservationem, Daß Er jhren
Fuß von gleiten errettet und befreyet hat. O wie leicht
kan in der Walfart dieses Lebens unser Fuß gleiten/ und
wir einen grossen Sündenfall in der Lehre oder Leben
thun/ dadurch der Mensch endlich in Gottes Zorn/ zeit-
lich und ewig Verderben fält. Wir wandeln in der Welt/
als Auff dem gefrornen Spiegelglaten Eyß. Denn wie
das Eyß bestehet auß vielem Wasser/ welches durch jetzi-
ge grimmige Winters-Kälte sich gleichsam zusammen lie-

fert:

Sey ſtill/ mein Seel/ es macht dein GOtt
nenden Kinde/ dehme Sie nach troͤſtlichem Zuſprechen
die Thraͤnen von ſeinen Augen und Waͤnglein mit wei-
chen Tuͤchlin abwiſchet/ wie in der Offenbahrung Jo-
Cap. vii, 17.hannis ſtehet: Gott wird abwiſchen alle Thraͤnen
von derer Augen/ die auß groſſem Truͤbſall kom-
Dionyſ.men ſind. Felix lachryma quam tam clemens ma-
nus abſterget/
ſaget Dionyſius. O der ſeligen Thraͤ-
nen/ die eine ſo gnaͤdige Mutter-Hand wird abwiſchen!

Umb ſolcher hohen groſſen Wolthaten willen wird
die Seele Jhren GOtt vor ſeinem Throne ruͤhmen/
und ſagen: O HErr mein GOtt/ du haſt mein Auge
von Thraͤnen geriſſen/ die Jch in der Welt ſo vielfaͤltig
habe vergieſſen muͤſſen! Denn wird jhr Mund voll
Lachens/ und jhre Zunge voll Ruͤhmens ſeyn/ und ſpre-
chen: Er hat groſſe Dinge an mir gethan/ der da maͤch-
tig iſt/ und des Nahmen heilig iſt. Magnificat anima
[L]uc. I, 46. 49mea Dominum, O meine Seele erhebe den HErren!

Noch mehr werden die Glaͤubigen Seelen Jh-
ren Gott fuͤr ſeinem Throne ruͤhmen und loben propter

3. Pedis à lapſu præſervationem, Daß Er jhren
Fuß võ gleiten errettet uñ befreyet hat. O wie leicht
kan in der Walfart dieſes Lebens unſer Fuß gleiten/ und
wir einen groſſen Suͤndenfall in der Lehre oder Leben
thun/ dadurch der Menſch endlich in Gottes Zorn/ zeit-
lich und ewig Verderben faͤlt. Wir wandeln in der Welt/
als Auff dem gefrornen Spiegelglaten Eyß. Denn wie
das Eyß beſtehet auß vielem Waſſer/ welches durch jetzi-
ge grimmige Winters-Kaͤlte ſich gleichſam zuſammen lie-

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[0026] Sey ſtill/ mein Seel/ es macht dein GOtt nenden Kinde/ dehme Sie nach troͤſtlichem Zuſprechen die Thraͤnen von ſeinen Augen und Waͤnglein mit wei- chen Tuͤchlin abwiſchet/ wie in der Offenbahrung Jo- hannis ſtehet: Gott wird abwiſchen alle Thraͤnen von derer Augen/ die auß groſſem Truͤbſall kom- men ſind. Felix lachryma quam tam clemens ma- nus abſterget/ ſaget Dionyſius. O der ſeligen Thraͤ- nen/ die eine ſo gnaͤdige Mutter-Hand wird abwiſchen! Cap. vii, 17. Dionyſ. Umb ſolcher hohen groſſen Wolthaten willen wird die Seele Jhren GOtt vor ſeinem Throne ruͤhmen/ und ſagen: O HErr mein GOtt/ du haſt mein Auge von Thraͤnen geriſſen/ die Jch in der Welt ſo vielfaͤltig habe vergieſſen muͤſſen! Denn wird jhr Mund voll Lachens/ und jhre Zunge voll Ruͤhmens ſeyn/ und ſpre- chen: Er hat groſſe Dinge an mir gethan/ der da maͤch- tig iſt/ und des Nahmen heilig iſt. Magnificat anima mea Dominum, O meine Seele erhebe den HErren! Luc. I, 46. 49 Noch mehr werden die Glaͤubigen Seelen Jh- ren Gott fuͤr ſeinem Throne ruͤhmen und loben propter 3. Pedis à lapſu præſervationem, Daß Er jhren Fuß võ gleiten errettet uñ befreyet hat. O wie leicht kan in der Walfart dieſes Lebens unſer Fuß gleiten/ und wir einen groſſen Suͤndenfall in der Lehre oder Leben thun/ dadurch der Menſch endlich in Gottes Zorn/ zeit- lich und ewig Verderben faͤlt. Wir wandeln in der Welt/ als Auff dem gefrornen Spiegelglaten Eyß. Denn wie das Eyß beſtehet auß vielem Waſſer/ welches durch jetzi- ge grimmige Winters-Kaͤlte ſich gleichſam zuſammen lie- fert:

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Zitationshilfe: Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/360994/26>, abgerufen am 29.04.2024.