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Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649.

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Parentatio
fangen/ mit Angst/ Mühe und Unruhe eine kleine Zeit
geniessen/ endlich auch offt plötzlichen und unverhofft mit
Schmertzen wider quittiren und schliessen müsse. Ge-
wißlich dieses hat viel/ ob wol von dem waren Gott nicht
vielwissende/ doch gleich wol hoch weise tugendhaffte Leute
so confundiret, perplex und zweyffelhafftig gemacht/
daß Sie fast keine weise finden können/ sich darein zu
schicken Herachtus fänget drüber an alles menschliche
Leben zu beweinen, Democritus zu verlachen; Theo-
genes Cynicus
zuverachten; Trophon in seiner Hö-
le zu schmähen; Timon Athen[i]ensis anzufeinden/
und Bäume zu pfropffen/ daran sich die Menschen je ehe
je besser erhiengen; Pheinoe, ob Er wol von den Göttern
der Unsterbligkeit versichert gewesen/ dennoch den Todt
nur umb einer Blattern willen zu wüntschen. Zur ZeitMortis sua-
da.

des Königs Ptolomaei funden sich/ die dem Tode das
Wort so lieblich unnd sösse redeten/ daß Jhrer viel da-
durch/ und auß verdruß des Lebens beweget/ daß Sie
sich selbst umbgebracht/ so häuffig/ so begierig/ daß auch
König Ptolomaeus Jhnen das Handwerck legen/ und
das peroriren gantz abschaffen müssen. Plinius
macht gar eine Stieff-Mutter auß der Natur/ und zeyhet
sie/ daß sie den unvernünfftigen Thieren mehr gebe/
und geneigter wäre/ dann den Menschen. Und was sage
Jch von den Heyden? Wer ist der gewesen/ der sagte:
Meine Seele wünschet erhangen zu sein. Vnd mit
Jeremia einem Verzweiffeiten gleich/ da Er spricht c 31.
Verflucht sey der Tag/ darinnen Jch geboh-

ren/
K iij

Parentatio
fangen/ mit Angſt/ Muͤhe und Unruhe eine kleine Zeit
genieſſen/ endlich auch offt ploͤtzlichen und unverhofft mit
Schmertzen wider quittiren und ſchlieſſen muͤſſe. Ge-
wißlich dieſes hat viel/ ob wol von dem waren Gott nicht
vielwiſſende/ doch gleich wol hoch weiſe tugendhaffte Leute
ſo confundiret, perplex und zweyffelhafftig gemacht/
daß Sie faſt keine weiſe finden koͤnnen/ ſich darein zu
ſchicken Herachtus faͤnget druͤber an alles menſchliche
Leben zu beweinen, Democritus zu verlachen; Theo-
genes Cynicus
zuverachten; Trophon in ſeiner Hoͤ-
le zu ſchmaͤhen; Timon Athen[i]enſis anzufeinden/
und Baͤume zu pfropffen/ daran ſich die Menſchen je ehe
je beſſer erhiengen; Φείνοη, ob Er wol von den Goͤttern
der Unſterbligkeit verſichert geweſen/ dennoch den Todt
nur umb einer Blattern willen zu wuͤntſchen. Zur ZeitMortis ſua-
da.

des Koͤnigs Ptolomæi funden ſich/ die dem Tode das
Wort ſo lieblich unnd ſoͤſſe redeten/ daß Jhrer viel da-
durch/ und auß verdruß des Lebens beweget/ daß Sie
ſich ſelbſt umbgebracht/ ſo haͤuffig/ ſo begierig/ daß auch
Koͤnig Ptolomæus Jhnen das Handwerck legen/ und
das peroriren gantz abſchaffen muͤſſen. Plinius
macht gar eine Stieff-Mutter auß der Natur/ und zeyhet
ſie/ daß ſie den unvernuͤnfftigen Thieren mehr gebe/
und geneigter waͤre/ dann den Menſchen. Und was ſage
Jch von den Heyden? Wer iſt der geweſen/ der ſagte:
Meine Seele wuͤnſchet erhangen zu ſein. Vñ mit
Jeremia einem Verzweiffeiten gleich/ da Er ſpricht c 31.
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ren/
K iij
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[0077] Parentatio fangen/ mit Angſt/ Muͤhe und Unruhe eine kleine Zeit genieſſen/ endlich auch offt ploͤtzlichen und unverhofft mit Schmertzen wider quittiren und ſchlieſſen muͤſſe. Ge- wißlich dieſes hat viel/ ob wol von dem waren Gott nicht vielwiſſende/ doch gleich wol hoch weiſe tugendhaffte Leute ſo confundiret, perplex und zweyffelhafftig gemacht/ daß Sie faſt keine weiſe finden koͤnnen/ ſich darein zu ſchicken Herachtus faͤnget druͤber an alles menſchliche Leben zu beweinen, Democritus zu verlachen; Theo- genes Cynicus zuverachten; Trophon in ſeiner Hoͤ- le zu ſchmaͤhen; Timon Athenienſis anzufeinden/ und Baͤume zu pfropffen/ daran ſich die Menſchen je ehe je beſſer erhiengen; Φείνοη, ob Er wol von den Goͤttern der Unſterbligkeit verſichert geweſen/ dennoch den Todt nur umb einer Blattern willen zu wuͤntſchen. Zur Zeit des Koͤnigs Ptolomæi funden ſich/ die dem Tode das Wort ſo lieblich unnd ſoͤſſe redeten/ daß Jhrer viel da- durch/ und auß verdruß des Lebens beweget/ daß Sie ſich ſelbſt umbgebracht/ ſo haͤuffig/ ſo begierig/ daß auch Koͤnig Ptolomæus Jhnen das Handwerck legen/ und das peroriren gantz abſchaffen muͤſſen. Plinius macht gar eine Stieff-Mutter auß der Natur/ und zeyhet ſie/ daß ſie den unvernuͤnfftigen Thieren mehr gebe/ und geneigter waͤre/ dann den Menſchen. Und was ſage Jch von den Heyden? Wer iſt der geweſen/ der ſagte: Meine Seele wuͤnſchet erhangen zu ſein. Vñ mit Jeremia einem Verzweiffeiten gleich/ da Er ſpricht c 31. Verflucht ſey der Tag/ darinnen Jch geboh- ren/ Mortis ſua- da. K iij

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Zitationshilfe: Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/360994/77>, abgerufen am 14.05.2024.