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Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.

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Die Unschuld blieb bey Dir auch schertzend in der Höh,
Blieb wie ein reines Lamm, das durch verjüngten Klee,
Durch Rosen voller Thau, durch frische Matten lecket,
Und doch sein Kleid stets mehr verschönert, als beflecket.
Wie schwatzten wir sodann aus unverstellter Brust!
O welch unnennbahre, welch unbescholtne Lust
Trieb unsre Seelen an, uns stets in dem zu üben,
Was die gemeßne Zucht der Freyheit fürgeschrieben!
Wie ward ich nicht gerührt, so offt Dein Lied erklang,
Wenn Geist und Kunst bey Dir die reinen Seyten zwang,
Die den gelaßnen Sinn offt aus sich selber brachten,
Und Blut und Hertz in mir für Freuden hüpfend machten.
Auch in der Einsamkeit, auch wenn ich Dich nicht sprach,
Zog dennoch Trieb und Hertz nur Dir, mein Leitstern, nach.
Kein Reim entwirfft voritzt, wie wohl mir stets geschahe,
Wenn ich Dich dann und wann auch nur von weitem sahe.
So freudig macht wohl nie der Dioscuren Licht,
Nach Sturm und Ungestüm der Schiffer Angesicht,
Als mich dergleichen Blick fast aus mir selber setzte,
Als mich Dein holdes Bild von ferne schon ergötzte.
Auch wenn ich Dich nicht sah, und hörte nur von Dir,
So stellten doch alsbald so Röth als Mienen für,
Du seyst es, was mein Trieb sich stets ins Hertze präge,
Du seyst es, was mein Hertz in seinem Jnnren hege,
Du seyst es nur allein: Kein Umstand sonst um Dich,
Kein Vortheil, als Du selbst, Mein Engel, reitzte mich.
Du selber wurdest mir zur Nahrung keuscher Triebe,
Zum Lustreitz edler Huld, zum Antrieb frommer Liebe.
Ja! hätte mir das Glück, das mich durch Dich erfreut,
Das Recht zur Liebes-Wahl gleich tausendmahl verneut;
So hätte, nach dem Ziel von meinem Wunsch und Hoffen,
Doch alle tausendmahl das Loos nur Dich getroffen.
Wo sonst die Dürfftigkeit die Hütten traurig macht,
Da hätt ich doch bey Dir den Crösus ausgelacht.
Bey Dir versprach ich mir, auch schon bey Till und Kümmel,
Ein Eden voller Lust, kurtz, auf der Welt den Himmel.
Bey
B 2
Die Unſchuld blieb bey Dir auch ſchertzend in der Hoͤh,
Blieb wie ein reines Lamm, das durch verjuͤngten Klee,
Durch Roſen voller Thau, durch friſche Matten lecket,
Und doch ſein Kleid ſtets mehr verſchoͤnert, als beflecket.
Wie ſchwatzten wir ſodann aus unverſtellter Bruſt!
O welch unnennbahre, welch unbeſcholtne Luſt
Trieb unſre Seelen an, uns ſtets in dem zu uͤben,
Was die gemeßne Zucht der Freyheit fuͤrgeſchrieben!
Wie ward ich nicht geruͤhrt, ſo offt Dein Lied erklang,
Wenn Geiſt und Kunſt bey Dir die reinen Seyten zwang,
Die den gelaßnen Sinn offt aus ſich ſelber brachten,
Und Blut und Hertz in mir fuͤr Freuden huͤpfend machten.
Auch in der Einſamkeit, auch wenn ich Dich nicht ſprach,
Zog dennoch Trieb und Hertz nur Dir, mein Leitſtern, nach.
Kein Reim entwirfft voritzt, wie wohl mir ſtets geſchahe,
Wenn ich Dich dann und wann auch nur von weitem ſahe.
So freudig macht wohl nie der Dioſcuren Licht,
Nach Sturm und Ungeſtuͤm der Schiffer Angeſicht,
Als mich dergleichen Blick faſt aus mir ſelber ſetzte,
Als mich Dein holdes Bild von ferne ſchon ergoͤtzte.
Auch wenn ich Dich nicht ſah, und hoͤrte nur von Dir,
So ſtellten doch alsbald ſo Roͤth als Mienen fuͤr,
Du ſeyſt es, was mein Trieb ſich ſtets ins Hertze praͤge,
Du ſeyſt es, was mein Hertz in ſeinem Jnnren hege,
Du ſeyſt es nur allein: Kein Umſtand ſonſt um Dich,
Kein Vortheil, als Du ſelbſt, Mein Engel, reitzte mich.
Du ſelber wurdeſt mir zur Nahrung keuſcher Triebe,
Zum Luſtreitz edler Huld, zum Antrieb frommer Liebe.
Ja! haͤtte mir das Gluͤck, das mich durch Dich erfreut,
Das Recht zur Liebes-Wahl gleich tauſendmahl verneut;
So haͤtte, nach dem Ziel von meinem Wunſch und Hoffen,
Doch alle tauſendmahl das Loos nur Dich getroffen.
Wo ſonſt die Duͤrfftigkeit die Huͤtten traurig macht,
Da haͤtt ich doch bey Dir den Croͤſus ausgelacht.
Bey Dir verſprach ich mir, auch ſchon bey Till und Kuͤmmel,
Ein Eden voller Luſt, kurtz, auf der Welt den Himmel.
Bey
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Zitationshilfe: Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542452/11>, abgerufen am 29.04.2024.