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Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.

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Zudem so seh ich zwar, wie mancher Wittber weint;
Doch daß ein Bräutigam im Trauer-Flohr erscheint,
Das kömmt so offt nicht vor; ie rarer dis zu finden:
Je stärker fühl ich itzt, was Mark und Hertz empfinden.
Jch sehe da und dort ein frohes Braut-Paar gehn,
Und ihre Liebes-Lust voll frischer Myrten stehn;
Doch macht ihr Lächel-Blick, daß ich für Jammer weine,
Weil mich das Schicksal höhnt: Schau her, Du nur alleine
Wirst unter Tausenden empfindlich ausgethan,
Triffst in dem ersten Wunsch ein nasses Nachsehn an,
Mußt Deinen Hochzeit-Vers aus Leichen-Steinen lesen,
Bist zwar ein Bräutigam; ach aber nur gewesen.
Man spricht mir freylich zu, ich weiß auch, was man spricht;
Doch stöhrt der Schmertz den Muth, die Wehmuth hört es nicht,
Aufs mindste scheinen ihr der Großmuth stärksten Gründe,
Noch immerfort zu schwach, zu seichte, zu gelinde.
Gesetzt, ich wollte selbst dem Trost entgegen gehn,
So bleibt die Kümmerniß doch stets vom neuen stehn,
Und hört der gantzen Stadt mit Lob vermischtes Klagen,
Womit sie Dich, Mein Hertz, bestürtzt zur Grufft getragen.
Nachdem sie lange Zeit kein solches Grab erlebt,
Worein man auf einmahl nur gar zu viel begräbt,
Als wie das Deinige, zu dessen düstren Bogen,
Dir ein durchgängiges Betrübniß nachgezogen.
Was Thränen würkte doch Dein frühes Leichen-Tuch!
Doch ieder Wangen-Guß schien mir ein Wolken-Bruch,
Der, was der Trost in mir der Angst entgegen dämmte,
Beym ersten Sturm durchbrach, beym Durchbruch gar verschwe[unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen]
Dis fühl ich itzo noch, dis stöhrt mir Geist und Brust.
Kein Zährgen ist so klein; es zeigt mir den Verlust:
Denn, weyht ein fremdes Hertz Dir noch ein nasses Auge;
O wer verargt wohl dem der Zähren scharffe Lauge,
Dem so ein edles Guth schon eigenthümlich war?
Wer giebt mir also Trost? Vielleicht das Theure Paar,
Von welchem ehedem nächst GOTT Dein Seyn entsprossen?
O GOTT! Sie selbst sind fast für Thränen schon zerflossen.
Und
Zudem ſo ſeh ich zwar, wie mancher Wittber weint;
Doch daß ein Braͤutigam im Trauer-Flohr erſcheint,
Das koͤmmt ſo offt nicht vor; ie rarer dis zu finden:
Je ſtaͤrker fuͤhl ich itzt, was Mark und Hertz empfinden.
Jch ſehe da und dort ein frohes Braut-Paar gehn,
Und ihre Liebes-Luſt voll friſcher Myrten ſtehn;
Doch macht ihr Laͤchel-Blick, daß ich fuͤr Jammer weine,
Weil mich das Schickſal hoͤhnt: Schau her, Du nur alleine
Wirſt unter Tauſenden empfindlich ausgethan,
Triffſt in dem erſten Wunſch ein naſſes Nachſehn an,
Mußt Deinen Hochzeit-Vers aus Leichen-Steinen leſen,
Biſt zwar ein Braͤutigam; ach aber nur geweſen.
Man ſpricht mir freylich zu, ich weiß auch, was man ſpricht;
Doch ſtoͤhrt der Schmertz den Muth, die Wehmuth hoͤrt es nicht,
Aufs mindſte ſcheinen ihr der Großmuth ſtaͤrkſten Gruͤnde,
Noch immerfort zu ſchwach, zu ſeichte, zu gelinde.
Geſetzt, ich wollte ſelbſt dem Troſt entgegen gehn,
So bleibt die Kuͤmmerniß doch ſtets vom neuen ſtehn,
Und hoͤrt der gantzen Stadt mit Lob vermiſchtes Klagen,
Womit ſie Dich, Mein Hertz, beſtuͤrtzt zur Grufft getragen.
Nachdem ſie lange Zeit kein ſolches Grab erlebt,
Worein man auf einmahl nur gar zu viel begraͤbt,
Als wie das Deinige, zu deſſen duͤſtren Bogen,
Dir ein durchgaͤngiges Betruͤbniß nachgezogen.
Was Thraͤnen wuͤrkte doch Dein fruͤhes Leichen-Tuch!
Doch ieder Wangen-Guß ſchien mir ein Wolken-Bruch,
Der, was der Troſt in mir der Angſt entgegen daͤmmte,
Beym erſten Sturm durchbrach, beym Durchbruch gar verſchwe[unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen]
Dis fuͤhl ich itzo noch, dis ſtoͤhrt mir Geiſt und Bruſt.
Kein Zaͤhrgen iſt ſo klein; es zeigt mir den Verluſt:
Denn, weyht ein fremdes Hertz Dir noch ein naſſes Auge;
O wer verargt wohl dem der Zaͤhren ſcharffe Lauge,
Dem ſo ein edles Guth ſchon eigenthuͤmlich war?
Wer giebt mir alſo Troſt? Vielleicht das Theure Paar,
Von welchem ehedem naͤchſt GOTT Dein Seyn entſproſſen?
O GOTT! Sie ſelbſt ſind faſt fuͤr Thraͤnen ſchon zerfloſſen.
Und
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Zitationshilfe: Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733, S. [18]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542452/18>, abgerufen am 29.04.2024.