Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.

Bild:
<< vorherige Seite
Und zwar Du weinst mit Recht, Mein Böttner, Werthes Haupt,
Das seiner Pfänder Tod fast seiner selbst beraubt.
Sollst Du, o welch ein Fall! Dein letztes Kind verliehreu,
Die Sorge desto mehr vor fremde fort zuführen?
So Kirch, als Republik, Catheder und Altar,
Hoff, Krieg, und Stadt und Land macht Deine Treue klar,
Die hundert Söhne schon von Deiner Hand erheben;
Und dennoch läßt Dir GOtt nicht eine Tochter schen.
Auch nicht die eintzige, die letzte nicht einmahl
Ersetzt der übrigen schon abgestorbne Zahl:
Auch Sie, der beste Lohn vor alle Deine Treue,
Auch Theodore stirbt! So sterben Dir aufs neue,
Die Kinder insgesammt, die sonst Dein Wunsch verlohr:
Was dorten eintzeln war, kam hier vereint empor.
Verliehrst Du also nicht mit innigstem Betrüben
Jn dieser übrigen noch einmahl alle Sieben?
Und o wie girrst doch Du nach gleichem Trost im Schmertz,
Du noch der letzte Trost vor Deines Mannes Hertz!
Wie tieff schreibt Dich der Tod in der Betrübten Orden!
O sollt es also gehn, was bist Du Mutter worden?
Hier siehst Du, edles Weib, was Wunsch und Hoffnung sind;
Dein Kind, Dein eintziges, Dein wohlgerathnes Kind
Eilt in dem schönsten Lauff der Tugend und der Jahre,
Dem Bräutgam zwar in Arm; doch auch zugleich zur Baare,
Verläßt uns insgesammt, und unsern Wunsch zugleich,
Und macht insonderheit auch Die bestürtzt und bleich,
Die Deine Redlichkeit als fromme Mutter ehret,
Und Der der Wittben-Stand schon alle Ruh gestöhret. (h)
Ach fehlte dieses noch zu Deinem Hertzeleid,
Du, an der Gottesfurcht so, wie an Einsamkeit
Vollkommnes Ebenbild der redlich-stillen Hannen?
Wie viel, wie gar zu viel weicht Dir mit Der von dannen,
Die
(h) Nehmlich die noch lebende Frau Groß-Mutter der Wohlseeligen,
Frau Anna Martha, geb. Hermannin, Herr M. Christian Jun-
gens,
weyland treu-verdienten Seel-Sorgers in Eybau, hinterlassene
Frau Wittib.
C 2
Und zwar Du weinſt mit Recht, Mein Boͤttner, Werthes Haupt,
Das ſeiner Pfaͤnder Tod faſt ſeiner ſelbſt beraubt.
Sollſt Du, o welch ein Fall! Dein letztes Kind verliehreu,
Die Sorge deſto mehr vor fremde fort zufuͤhren?
So Kirch, als Republik, Catheder und Altar,
Hoff, Krieg, und Stadt und Land macht Deine Treue klar,
Die hundert Soͤhne ſchon von Deiner Hand erheben;
Und dennoch laͤßt Dir GOtt nicht eine Tochter ſchen.
Auch nicht die eintzige, die letzte nicht einmahl
Erſetzt der uͤbrigen ſchon abgeſtorbne Zahl:
Auch Sie, der beſte Lohn vor alle Deine Treue,
Auch Theodore ſtirbt! So ſterben Dir aufs neue,
Die Kinder insgeſammt, die ſonſt Dein Wunſch verlohr:
Was dorten eintzeln war, kam hier vereint empor.
Verliehrſt Du alſo nicht mit innigſtem Betruͤben
Jn dieſer uͤbrigen noch einmahl alle Sieben?
Und o wie girrſt doch Du nach gleichem Troſt im Schmertz,
Du noch der letzte Troſt vor Deines Mannes Hertz!
Wie tieff ſchreibt Dich der Tod in der Betruͤbten Orden!
O ſollt es alſo gehn, was biſt Du Mutter worden?
Hier ſiehſt Du, edles Weib, was Wunſch und Hoffnung ſind;
Dein Kind, Dein eintziges, Dein wohlgerathnes Kind
Eilt in dem ſchoͤnſten Lauff der Tugend und der Jahre,
Dem Braͤutgam zwar in Arm; doch auch zugleich zur Baare,
Verlaͤßt uns insgeſammt, und unſern Wunſch zugleich,
Und macht inſonderheit auch Die beſtuͤrtzt und bleich,
Die Deine Redlichkeit als fromme Mutter ehret,
Und Der der Wittben-Stand ſchon alle Ruh geſtoͤhret. (h)
Ach fehlte dieſes noch zu Deinem Hertzeleid,
Du, an der Gottesfurcht ſo, wie an Einſamkeit
Vollkommnes Ebenbild der redlich-ſtillen Hannen?
Wie viel, wie gar zu viel weicht Dir mit Der von dannen,
Die
(h) Nehmlich die noch lebende Frau Groß-Mutter der Wohlſeeligen,
Frau Anna Martha, geb. Hermannin, Herr M. Chriſtian Jun-
gens,
weyland treu-verdienten Seel-Sorgers in Eybau, hinterlaſſene
Frau Wittib.
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsEpicedia" n="1">
        <pb facs="#f0019" n="[19]"/>
        <lg type="poem">
          <l>Und zwar Du wein&#x017F;t mit Recht, <hi rendition="#fr">Mein Bo&#x0364;ttner, Werthes Haupt,</hi></l><lb/>
          <l>Das &#x017F;einer Pfa&#x0364;nder Tod fa&#x017F;t &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t beraubt.</l><lb/>
          <l>Soll&#x017F;t Du, o welch ein Fall! Dein letztes Kind verliehreu,</l><lb/>
          <l>Die Sorge de&#x017F;to mehr vor fremde fort zufu&#x0364;hren?</l><lb/>
          <l>So Kirch, als Republik, Catheder und Altar,</l><lb/>
          <l>Hoff, Krieg, und Stadt und Land macht Deine Treue klar,</l><lb/>
          <l>Die hundert So&#x0364;hne &#x017F;chon von Deiner Hand erheben;</l><lb/>
          <l>Und dennoch la&#x0364;ßt Dir GOtt nicht eine Tochter &#x017F;chen.</l><lb/>
          <l>Auch nicht die eintzige, die letzte nicht einmahl</l><lb/>
          <l>Er&#x017F;etzt der u&#x0364;brigen &#x017F;chon abge&#x017F;torbne Zahl:</l><lb/>
          <l>Auch Sie, der be&#x017F;te Lohn vor alle Deine Treue,</l><lb/>
          <l>Auch <hi rendition="#fr">Theodore</hi> &#x017F;tirbt! So &#x017F;terben Dir aufs neue,</l><lb/>
          <l>Die Kinder insge&#x017F;ammt, die &#x017F;on&#x017F;t Dein Wun&#x017F;ch verlohr:</l><lb/>
          <l>Was dorten eintzeln war, kam hier vereint empor.</l><lb/>
          <l>Verliehr&#x017F;t Du al&#x017F;o nicht mit innig&#x017F;tem Betru&#x0364;ben</l><lb/>
          <l>Jn die&#x017F;er u&#x0364;brigen noch einmahl alle Sieben?</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Und o wie girr&#x017F;t doch Du nach gleichem Tro&#x017F;t im Schmertz,</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Du noch der letzte Tro&#x017F;t vor Deines Mannes Hertz!</hi> </l><lb/>
          <l>Wie tieff &#x017F;chreibt Dich der Tod in der Betru&#x0364;bten Orden!</l><lb/>
          <l>O &#x017F;ollt es al&#x017F;o gehn, was bi&#x017F;t Du Mutter worden?</l><lb/>
          <l>Hier &#x017F;ieh&#x017F;t Du, <hi rendition="#fr">edles Weib,</hi> was Wun&#x017F;ch und Hoffnung &#x017F;ind;</l><lb/>
          <l>Dein Kind, Dein eintziges, Dein wohlgerathnes Kind</l><lb/>
          <l>Eilt in dem &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Lauff der Tugend und der Jahre,</l><lb/>
          <l>Dem Bra&#x0364;utgam zwar in Arm; doch auch zugleich zur Baare,</l><lb/>
          <l>Verla&#x0364;ßt uns insge&#x017F;ammt, und un&#x017F;ern Wun&#x017F;ch zugleich,</l><lb/>
          <l>Und macht in&#x017F;onderheit auch <hi rendition="#fr">Die</hi> be&#x017F;tu&#x0364;rtzt und bleich,</l><lb/>
          <l>Die Deine Redlichkeit als fromme Mutter ehret,</l><lb/>
          <l>Und Der der Wittben-Stand &#x017F;chon alle Ruh ge&#x017F;to&#x0364;hret. <note place="foot" n="(h)">Nehmlich die noch lebende Frau Groß-Mutter der <hi rendition="#fr">Wohl&#x017F;eeligen,</hi><lb/>
Frau <hi rendition="#fr">Anna Martha,</hi> geb. <hi rendition="#fr">Hermannin,</hi> Herr <hi rendition="#aq">M.</hi> <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tian Jun-<lb/>
gens,</hi> weyland treu-verdienten Seel-Sorgers in Eybau, hinterla&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Frau Wittib.</note></l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Ach fehlte die&#x017F;es noch zu Deinem Hertzeleid,</l><lb/>
          <l>Du, an der Gottesfurcht &#x017F;o, wie an Ein&#x017F;amkeit</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Vollkommnes Ebenbild der redlich-&#x017F;tillen Hannen?</hi> </l><lb/>
          <l>Wie viel, wie gar zu viel weicht Dir mit Der von dannen,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[19]/0019] Und zwar Du weinſt mit Recht, Mein Boͤttner, Werthes Haupt, Das ſeiner Pfaͤnder Tod faſt ſeiner ſelbſt beraubt. Sollſt Du, o welch ein Fall! Dein letztes Kind verliehreu, Die Sorge deſto mehr vor fremde fort zufuͤhren? So Kirch, als Republik, Catheder und Altar, Hoff, Krieg, und Stadt und Land macht Deine Treue klar, Die hundert Soͤhne ſchon von Deiner Hand erheben; Und dennoch laͤßt Dir GOtt nicht eine Tochter ſchen. Auch nicht die eintzige, die letzte nicht einmahl Erſetzt der uͤbrigen ſchon abgeſtorbne Zahl: Auch Sie, der beſte Lohn vor alle Deine Treue, Auch Theodore ſtirbt! So ſterben Dir aufs neue, Die Kinder insgeſammt, die ſonſt Dein Wunſch verlohr: Was dorten eintzeln war, kam hier vereint empor. Verliehrſt Du alſo nicht mit innigſtem Betruͤben Jn dieſer uͤbrigen noch einmahl alle Sieben? Und o wie girrſt doch Du nach gleichem Troſt im Schmertz, Du noch der letzte Troſt vor Deines Mannes Hertz! Wie tieff ſchreibt Dich der Tod in der Betruͤbten Orden! O ſollt es alſo gehn, was biſt Du Mutter worden? Hier ſiehſt Du, edles Weib, was Wunſch und Hoffnung ſind; Dein Kind, Dein eintziges, Dein wohlgerathnes Kind Eilt in dem ſchoͤnſten Lauff der Tugend und der Jahre, Dem Braͤutgam zwar in Arm; doch auch zugleich zur Baare, Verlaͤßt uns insgeſammt, und unſern Wunſch zugleich, Und macht inſonderheit auch Die beſtuͤrtzt und bleich, Die Deine Redlichkeit als fromme Mutter ehret, Und Der der Wittben-Stand ſchon alle Ruh geſtoͤhret. (h) Ach fehlte dieſes noch zu Deinem Hertzeleid, Du, an der Gottesfurcht ſo, wie an Einſamkeit Vollkommnes Ebenbild der redlich-ſtillen Hannen? Wie viel, wie gar zu viel weicht Dir mit Der von dannen, Die (h) Nehmlich die noch lebende Frau Groß-Mutter der Wohlſeeligen, Frau Anna Martha, geb. Hermannin, Herr M. Chriſtian Jun- gens, weyland treu-verdienten Seel-Sorgers in Eybau, hinterlaſſene Frau Wittib. C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542452
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542452/19
Zitationshilfe: Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733, S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542452/19>, abgerufen am 29.04.2024.