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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Leichen-Gedichte.

Ein gegen den Himmel fliegender Paradieß-Vogel:

Nur Himmel an
Geht meine Bahn.

Eine einbrechende Mauer den daran gewundenen Epheu
umreissend:

Was Treu und Liebe hält
Zugleich verfällt.


Hier liegt ein edler Zweig/ in Knospen ausgeblüht/
Verwelcket/ eh er noch die Mittags-Sonne sieht/
Doch hat ihn kein Aprill der falschen Welt verlezt/
Indem ihn GOttes Hand in Zions Land versezt:
Da wird er auff den Mäy des jüngsten Tages blühn/
Wie reine Lilien und zarter Gelsamin.


Ante Diem. In Dies. Cum DEO & Die.
Was für der Zeit verwelckt/ grünt wieder mit der Zeit/
Und blühet wenn die Zeit vergeht in Ewigkeit.


Die Sonne weiset mir den Weg zur finstern Grufft/
Ich scheide/ da ich kaum geschöpffet frische Lufft/
Die Erd umwindelt mich/ der Sarg ist meine Wiege/
Doch wohl mir/ daß ich hier von Stürmen sicher liege!
Ich schlaff in GOttes Hutt/ von Angst und Sorge frey/
Denckt/ ob ich wachend nicht/ eur Leben schlaffend sey.


Mein junges Leben schien kaum in der Blütte seyn/
GOtt aber ließ mich reiff zur Lebens-Erndte schneiden.
Ihr Eltern sät mich hier mit bittren Thränen ein/
Dort aber erndtet ihr mich wieder ein mit Freuden.


Prima quae vitam dedit hora
carpsit.

Die
Leichen-Gedichte.

Ein gegen den Himmel fliegender Paradieß-Vogel:

Nur Himmel an
Geht meine Bahn.

Eine einbrechende Mauer den daran gewundenen Epheu
umreiſſend:

Was Treu und Liebe haͤlt
Zugleich verfaͤllt.


Hier liegt ein edler Zweig/ in Knoſpen ausgebluͤht/
Verwelcket/ eh er noch die Mittags-Sonne ſieht/
Doch hat ihn kein Aprill der falſchen Welt verlezt/
Indem ihn GOttes Hand in Zions Land verſezt:
Da wird er auff den Maͤy des juͤngſten Tages bluͤhn/
Wie reine Lilien und zarter Gelſamin.


Ante Diem. In Dies. Cum DEO & Die.
Was fuͤr der Zeit verwelckt/ gruͤnt wieder mit der Zeit/
Und bluͤhet wenn die Zeit vergeht in Ewigkeit.


Die Sonne weiſet mir den Weg zur finſtern Grufft/
Ich ſcheide/ da ich kaum geſchoͤpffet friſche Lufft/
Die Erd umwindelt mich/ der Sarg iſt meine Wiege/
Doch wohl mir/ daß ich hier von Stuͤrmen ſicher liege!
Ich ſchlaff in GOttes Hutt/ von Angſt und Sorge frey/
Denckt/ ob ich wachend nicht/ eur Leben ſchlaffend ſey.


Mein junges Leben ſchien kaum in der Bluͤtte ſeyn/
GOtt aber ließ mich reiff zur Lebens-Erndte ſchneiden.
Ihr Eltern ſaͤt mich hier mit bittren Thraͤnen ein/
Dort aber erndtet ihr mich wieder ein mit Freuden.


Prima quæ vitam dedit hora
carpſit.

Die
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[42/0622] Leichen-Gedichte. Ein gegen den Himmel fliegender Paradieß-Vogel: Nur Himmel an Geht meine Bahn. Eine einbrechende Mauer den daran gewundenen Epheu umreiſſend: Was Treu und Liebe haͤlt Zugleich verfaͤllt. Hier liegt ein edler Zweig/ in Knoſpen ausgebluͤht/ Verwelcket/ eh er noch die Mittags-Sonne ſieht/ Doch hat ihn kein Aprill der falſchen Welt verlezt/ Indem ihn GOttes Hand in Zions Land verſezt: Da wird er auff den Maͤy des juͤngſten Tages bluͤhn/ Wie reine Lilien und zarter Gelſamin. Ante Diem. In Dies. Cum DEO & Die. Was fuͤr der Zeit verwelckt/ gruͤnt wieder mit der Zeit/ Und bluͤhet wenn die Zeit vergeht in Ewigkeit. Die Sonne weiſet mir den Weg zur finſtern Grufft/ Ich ſcheide/ da ich kaum geſchoͤpffet friſche Lufft/ Die Erd umwindelt mich/ der Sarg iſt meine Wiege/ Doch wohl mir/ daß ich hier von Stuͤrmen ſicher liege! Ich ſchlaff in GOttes Hutt/ von Angſt und Sorge frey/ Denckt/ ob ich wachend nicht/ eur Leben ſchlaffend ſey. Mein junges Leben ſchien kaum in der Bluͤtte ſeyn/ GOtt aber ließ mich reiff zur Lebens-Erndte ſchneiden. Ihr Eltern ſaͤt mich hier mit bittren Thraͤnen ein/ Dort aber erndtet ihr mich wieder ein mit Freuden. Prima quæ vitam dedit hora carpſit. Die

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/622>, abgerufen am 01.05.2024.