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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Reden sind in meinen Apartements! Wenn's Ihr
nicht mehr gefällt, werd' ich Ihr 'nen Stuhl vor die
Thür setzen. Dann mag sie sehen, wo's Ihr besser
gefällt. Denn überhaupt soll's anders werden bei
mir. Ja, ja, meine Damen, das merken Sie sich,
ich will keine Pension, wo das pöbelhafte Wesen
nicht rausgeht. Ein Wort kostet mich's, und Sie
wird nach Spandow zurückgeschafft, Mamsell Kar¬
line, da wo ich Sie herholte, auf den Kietz. Wird's
Ihr besser gefallen, barfuß im Kahn und die Pletzen
schuppen, oder Winters beim Kienspahn Netze flicken?
Ihre Finger sahen ja aus, mit Respect zu sagen,
wie Pfoten, roth und geborsten, und hab' ich das
für meine Mühe, daß ich sie mit Mandelöl und
Kleie weich kriegte, und in Handschuhen schlafen ließ!
Sag' ich doch, wer Dank säet, der wird Undank
erndten."

Es klingelte, der Chocoladengast stand im Zimmer.
Ein Livreebedienter, der die verfeinerte Haushaltung
der Frau Obristin seit einigen Tagen repräsentirte,
hatte Adelheid abgeholt.

"Nein, sage ich doch, nicht wie ein Fräulein,
wie eine Prinzessinn! Und mit jedem Tag, möchte
ich sagen, gewachsen!"

"Das kommt nur vom langen Kleide," lächelte
Adelheid, und war mit raschem, sichern Schritt, nach
einer flüchtigen Begrüßung der Tante, zu den Nich¬
ten geeilt, die sie mit der natürlichsten und zuvor¬
kommendsten Herzlichkeit küßte. Sie schalt und be¬

Reden ſind in meinen Apartements! Wenn's Ihr
nicht mehr gefällt, werd' ich Ihr 'nen Stuhl vor die
Thür ſetzen. Dann mag ſie ſehen, wo's Ihr beſſer
gefällt. Denn überhaupt ſoll's anders werden bei
mir. Ja, ja, meine Damen, das merken Sie ſich,
ich will keine Penſion, wo das pöbelhafte Weſen
nicht rausgeht. Ein Wort koſtet mich's, und Sie
wird nach Spandow zurückgeſchafft, Mamſell Kar¬
line, da wo ich Sie herholte, auf den Kietz. Wird's
Ihr beſſer gefallen, barfuß im Kahn und die Pletzen
ſchuppen, oder Winters beim Kienſpahn Netze flicken?
Ihre Finger ſahen ja aus, mit Reſpect zu ſagen,
wie Pfoten, roth und geborſten, und hab' ich das
für meine Mühe, daß ich ſie mit Mandelöl und
Kleie weich kriegte, und in Handſchuhen ſchlafen ließ!
Sag' ich doch, wer Dank ſäet, der wird Undank
erndten.“

Es klingelte, der Chocoladengaſt ſtand im Zimmer.
Ein Livreebedienter, der die verfeinerte Haushaltung
der Frau Obriſtin ſeit einigen Tagen repräſentirte,
hatte Adelheid abgeholt.

„Nein, ſage ich doch, nicht wie ein Fräulein,
wie eine Prinzeſſinn! Und mit jedem Tag, möchte
ich ſagen, gewachſen!“

„Das kommt nur vom langen Kleide,“ lächelte
Adelheid, und war mit raſchem, ſichern Schritt, nach
einer flüchtigen Begrüßung der Tante, zu den Nich¬
ten geeilt, die ſie mit der natürlichſten und zuvor¬
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[280/0294] Reden ſind in meinen Apartements! Wenn's Ihr nicht mehr gefällt, werd' ich Ihr 'nen Stuhl vor die Thür ſetzen. Dann mag ſie ſehen, wo's Ihr beſſer gefällt. Denn überhaupt ſoll's anders werden bei mir. Ja, ja, meine Damen, das merken Sie ſich, ich will keine Penſion, wo das pöbelhafte Weſen nicht rausgeht. Ein Wort koſtet mich's, und Sie wird nach Spandow zurückgeſchafft, Mamſell Kar¬ line, da wo ich Sie herholte, auf den Kietz. Wird's Ihr beſſer gefallen, barfuß im Kahn und die Pletzen ſchuppen, oder Winters beim Kienſpahn Netze flicken? Ihre Finger ſahen ja aus, mit Reſpect zu ſagen, wie Pfoten, roth und geborſten, und hab' ich das für meine Mühe, daß ich ſie mit Mandelöl und Kleie weich kriegte, und in Handſchuhen ſchlafen ließ! Sag' ich doch, wer Dank ſäet, der wird Undank erndten.“ Es klingelte, der Chocoladengaſt ſtand im Zimmer. Ein Livreebedienter, der die verfeinerte Haushaltung der Frau Obriſtin ſeit einigen Tagen repräſentirte, hatte Adelheid abgeholt. „Nein, ſage ich doch, nicht wie ein Fräulein, wie eine Prinzeſſinn! Und mit jedem Tag, möchte ich ſagen, gewachſen!“ „Das kommt nur vom langen Kleide,“ lächelte Adelheid, und war mit raſchem, ſichern Schritt, nach einer flüchtigen Begrüßung der Tante, zu den Nich¬ ten geeilt, die ſie mit der natürlichſten und zuvor¬ kommendſten Herzlichkeit küßte. Sie ſchalt und be¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/294>, abgerufen am 06.05.2024.