Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich finde es nur einem guten Patrioten contrair,
Herr Obristwachtmeister, wenn man immer den Feind
im Munde hat, und ihn lobt."

"Was, Feind! Kriegsrath! er ist unser Alliirter,
bedenke das Landrecht, da steht was von Landes¬
verrath drin, wenn man gegen alliirte Mächte rai¬
sonnirt. Und ein wie großmüthiger Alliirter! For¬
dert nichts von uns, sie sagen, er schickt sogar recht
viel in's Land. Und rings um uns her stäubt er
und fegt, und macht uns los von anderen lästigen
Alliancen, bis wir mutterseelen allein auf der Welt
dastehen. Da wird er uns dann um's Herz fallen
und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich
nichts mehr Dir zu sagen, wie ich Dich so recht
herzinnig und ganz besonders geliebt habe!"

Der Frau Kriegsräthin ward bange bei dem
Gespräch. Sie verstand es nicht, aber der Instinkt
sagte ihr, es sei anders gemeint als gesprochen, und
sie sah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres
Mannes. Da sah sie auch plötzlich die Bienen, die
sie übrigens viel früher hätte sehen können, denn sie
summten unverschämt um Gläser und Teller: "Jemine,
Herr Obristwachtmeister! da ist sie in Ihrem Glase.
Schütten Sie aus, das ganze Glas -- frisch zu --
Sie müssen mit reinem Weine des Königs Gesund¬
heit trinken."

"Der schöne alte Franzwein!" sagte der Major,
als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ.
Der gährte gewiß schon im Faß, als ich bei Roßbach

„Ich finde es nur einem guten Patrioten contrair,
Herr Obriſtwachtmeiſter, wenn man immer den Feind
im Munde hat, und ihn lobt.“

„Was, Feind! Kriegsrath! er iſt unſer Alliirter,
bedenke das Landrecht, da ſteht was von Landes¬
verrath drin, wenn man gegen alliirte Mächte rai¬
ſonnirt. Und ein wie großmüthiger Alliirter! For¬
dert nichts von uns, ſie ſagen, er ſchickt ſogar recht
viel in's Land. Und rings um uns her ſtäubt er
und fegt, und macht uns los von anderen läſtigen
Alliancen, bis wir mutterſeelen allein auf der Welt
daſtehen. Da wird er uns dann um's Herz fallen
und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich
nichts mehr Dir zu ſagen, wie ich Dich ſo recht
herzinnig und ganz beſonders geliebt habe!“

Der Frau Kriegsräthin ward bange bei dem
Geſpräch. Sie verſtand es nicht, aber der Inſtinkt
ſagte ihr, es ſei anders gemeint als geſprochen, und
ſie ſah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres
Mannes. Da ſah ſie auch plötzlich die Bienen, die
ſie übrigens viel früher hätte ſehen können, denn ſie
ſummten unverſchämt um Gläſer und Teller: „Jemine,
Herr Obriſtwachtmeiſter! da iſt ſie in Ihrem Glaſe.
Schütten Sie aus, das ganze Glas — friſch zu —
Sie müſſen mit reinem Weine des Königs Geſund¬
heit trinken.“

„Der ſchöne alte Franzwein!“ ſagte der Major,
als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ.
Der gährte gewiß ſchon im Faß, als ich bei Roßbach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="144"/>
        <p>&#x201E;Ich finde es nur einem guten Patrioten contrair,<lb/>
Herr Obri&#x017F;twachtmei&#x017F;ter, wenn man immer den Feind<lb/>
im Munde hat, und ihn lobt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was, Feind! Kriegsrath! er i&#x017F;t un&#x017F;er Alliirter,<lb/>
bedenke das Landrecht, da &#x017F;teht was von Landes¬<lb/>
verrath drin, wenn man gegen alliirte Mächte rai¬<lb/>
&#x017F;onnirt. Und ein wie großmüthiger Alliirter! For¬<lb/>
dert nichts von uns, &#x017F;ie &#x017F;agen, er &#x017F;chickt &#x017F;ogar recht<lb/>
viel in's Land. Und rings um uns her &#x017F;täubt er<lb/>
und fegt, und macht uns los von anderen lä&#x017F;tigen<lb/>
Alliancen, bis wir mutter&#x017F;eelen allein auf der Welt<lb/>
da&#x017F;tehen. Da wird er uns dann um's Herz fallen<lb/>
und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich<lb/>
nichts mehr Dir zu &#x017F;agen, wie ich Dich &#x017F;o recht<lb/>
herzinnig und ganz be&#x017F;onders geliebt habe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Frau Kriegsräthin ward bange bei dem<lb/>
Ge&#x017F;präch. Sie ver&#x017F;tand es nicht, aber der In&#x017F;tinkt<lb/>
&#x017F;agte ihr, es &#x017F;ei anders gemeint als ge&#x017F;prochen, und<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres<lb/>
Mannes. Da &#x017F;ah &#x017F;ie auch plötzlich die Bienen, die<lb/>
&#x017F;ie übrigens viel früher hätte &#x017F;ehen können, denn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ummten unver&#x017F;chämt um Glä&#x017F;er und Teller: &#x201E;Jemine,<lb/>
Herr Obri&#x017F;twachtmei&#x017F;ter! da i&#x017F;t &#x017F;ie in Ihrem Gla&#x017F;e.<lb/>
Schütten Sie aus, das ganze Glas &#x2014; fri&#x017F;ch zu &#x2014;<lb/>
Sie mü&#x017F;&#x017F;en mit reinem Weine des Königs Ge&#x017F;und¬<lb/>
heit trinken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der &#x017F;chöne alte Franzwein!&#x201C; &#x017F;agte der Major,<lb/>
als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ.<lb/>
Der gährte gewiß &#x017F;chon im Faß, als ich bei Roßbach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0158] „Ich finde es nur einem guten Patrioten contrair, Herr Obriſtwachtmeiſter, wenn man immer den Feind im Munde hat, und ihn lobt.“ „Was, Feind! Kriegsrath! er iſt unſer Alliirter, bedenke das Landrecht, da ſteht was von Landes¬ verrath drin, wenn man gegen alliirte Mächte rai¬ ſonnirt. Und ein wie großmüthiger Alliirter! For¬ dert nichts von uns, ſie ſagen, er ſchickt ſogar recht viel in's Land. Und rings um uns her ſtäubt er und fegt, und macht uns los von anderen läſtigen Alliancen, bis wir mutterſeelen allein auf der Welt daſtehen. Da wird er uns dann um's Herz fallen und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich nichts mehr Dir zu ſagen, wie ich Dich ſo recht herzinnig und ganz beſonders geliebt habe!“ Der Frau Kriegsräthin ward bange bei dem Geſpräch. Sie verſtand es nicht, aber der Inſtinkt ſagte ihr, es ſei anders gemeint als geſprochen, und ſie ſah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres Mannes. Da ſah ſie auch plötzlich die Bienen, die ſie übrigens viel früher hätte ſehen können, denn ſie ſummten unverſchämt um Gläſer und Teller: „Jemine, Herr Obriſtwachtmeiſter! da iſt ſie in Ihrem Glaſe. Schütten Sie aus, das ganze Glas — friſch zu — Sie müſſen mit reinem Weine des Königs Geſund¬ heit trinken.“ „Der ſchöne alte Franzwein!“ ſagte der Major, als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ. Der gährte gewiß ſchon im Faß, als ich bei Roßbach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/158
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/158>, abgerufen am 29.04.2024.