die Schärpe verdiente." Er hielt plötzlich inne, als er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen. "Alter Freund! ein frisch Glas auf den jungen Kö¬ nig, aber jetzt stoß an mit dem Restchen: daß Preußen noch ein Mal ein Roßbach erlebt!"
Es war die Versöhnung. Der Kriegsrath ver¬ stand es, er fuhr aber so heftig gegen das Glas des Major, daß es einen Sprung bekam: "Thut nichts! Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe."
Um nicht aus einem zersprungenen Glase des Königs Gesundheit zu trinken, mußte ein neues her¬ beigeschafft werden. Dazu kamen andere Unter¬ brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte Schüssel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als die Kirschkuchen sichtbar wurden, war die Ordnung am Tische nicht mehr zu erhalten. "Gieb ihnen die Kuchen und laß sie laufen, sagte der Vater, sie haben doch keine Geduld mehr, und stören uns nur." Dazu erschallte Trompeten- und Paukenmusik vom einen Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬ pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬ tairische Musik.
"Mein alter Dessauer! sagte der Major. Ver¬ zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten Cameraden muß."
"Aber vorerst das Glas auf den König, Alter."
Der Major erhob sich. Er sammelte sich zu einem Spruch, indem er in die Wipfel sah. Sie strahlten nicht mehr, das Gold der Mittagssonne im
I. 10
die Schärpe verdiente.“ Er hielt plötzlich inne, als er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen. „Alter Freund! ein friſch Glas auf den jungen Kö¬ nig, aber jetzt ſtoß an mit dem Reſtchen: daß Preußen noch ein Mal ein Roßbach erlebt!“
Es war die Verſöhnung. Der Kriegsrath ver¬ ſtand es, er fuhr aber ſo heftig gegen das Glas des Major, daß es einen Sprung bekam: „Thut nichts! Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.“
Um nicht aus einem zerſprungenen Glaſe des Königs Geſundheit zu trinken, mußte ein neues her¬ beigeſchafft werden. Dazu kamen andere Unter¬ brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte Schüſſel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als die Kirſchkuchen ſichtbar wurden, war die Ordnung am Tiſche nicht mehr zu erhalten. „Gieb ihnen die Kuchen und laß ſie laufen, ſagte der Vater, ſie haben doch keine Geduld mehr, und ſtören uns nur.“ Dazu erſchallte Trompeten- und Paukenmuſik vom einen Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬ pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬ tairiſche Muſik.
„Mein alter Deſſauer! ſagte der Major. Ver¬ zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten Cameraden muß.“
„Aber vorerſt das Glas auf den König, Alter.“
Der Major erhob ſich. Er ſammelte ſich zu einem Spruch, indem er in die Wipfel ſah. Sie ſtrahlten nicht mehr, das Gold der Mittagsſonne im
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die Schärpe verdiente.“ Er hielt plötzlich inne, als
er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen.
„Alter Freund! ein friſch Glas auf den jungen Kö¬
nig, aber jetzt ſtoß an mit dem Reſtchen: daß Preußen
noch ein Mal ein Roßbach erlebt!“
Es war die Verſöhnung. Der Kriegsrath ver¬
ſtand es, er fuhr aber ſo heftig gegen das Glas des
Major, daß es einen Sprung bekam: „Thut nichts!
Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.“
Um nicht aus einem zerſprungenen Glaſe des
Königs Geſundheit zu trinken, mußte ein neues her¬
beigeſchafft werden. Dazu kamen andere Unter¬
brechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte
Schüſſel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als
die Kirſchkuchen ſichtbar wurden, war die Ordnung
am Tiſche nicht mehr zu erhalten. „Gieb ihnen die
Kuchen und laß ſie laufen, ſagte der Vater, ſie haben
doch keine Geduld mehr, und ſtören uns nur.“ Dazu
erſchallte Trompeten- und Paukenmuſik vom einen
Dorfende. Es war lebhafter im Dorf geworden, Equi¬
pagen fuhren vor, aus der Schenke tönte mili¬
tairiſche Muſik.
„Mein alter Deſſauer! ſagte der Major. Ver¬
zeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten
Cameraden muß.“
„Aber vorerſt das Glas auf den König, Alter.“
Der Major erhob ſich. Er ſammelte ſich zu
einem Spruch, indem er in die Wipfel ſah. Sie
ſtrahlten nicht mehr, das Gold der Mittagsſonne im
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/159>, abgerufen am 28.04.2024.
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