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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Scheune haben, beschmieren sie's, und färben's, und
ziehn ihm Lumpen an, und in einer Viertelstunde
kennt's die eigne Mutter nicht wieder. Ja, was ich
Ihnen sagen wollte, im Dorfe beim Herrn Prediger,
da hatte der Oberste von der gottvergessenen Bande
einer Wittwe Sohn, ein hübsches Kind, gefragt, ob
er nicht mit ihnen wollte, er sollte eine bunte Jacke
kriegen und auch immer auf dem Pferde sitzen, und
der Junge hatte Lust, aber sie haben ihn gottsjäm¬
merlich geprügelt, der Schulz und die Bauern, da
ist ihm die Lust vergangen. Solche Bande sind ja
gar keine Christenmenschen nicht, das sind Zigeuner
und Juden und Spanier, und wo kriegten sie denn
ihre Leute her, wenn sie nicht Christenkinder stählen!
Eltern können gar nicht vorsichtig genug sein, denn
Sie glauben nicht, wie sie die Kinder maltrai¬
tiren. Hungern lassen sie die Kleinen und dursten,
und Schläge kriegen sie, daß Gott im Himmel sich
erbarmen müßte, und ihre Glieder werden gereckt,
daß sie die Purzelbäume schießen lernen. Und Nachts,
mit Respect zu melden, sperren sie sie in den Stall
zu den Affen und Kameelen, wo eine Unreinlichkeit
ist, die erschrecklich ist. Nein, für Reinlichkeit bin
ich, das ist die erste Tugend, und erhält den Körper
gesund. Wer reinlich ist und seine Mitmenschen liebt
und den Armen Almosen giebt, der ist ein guter
Mensch und Gott wohlgefällig, das sage ich oft mei¬
nen Nichten. Aber wie die Bären werden sie abge¬
richtet, und lernen Vater und Mutter vergessen. Wenn

Scheune haben, beſchmieren ſie's, und färben's, und
ziehn ihm Lumpen an, und in einer Viertelſtunde
kennt's die eigne Mutter nicht wieder. Ja, was ich
Ihnen ſagen wollte, im Dorfe beim Herrn Prediger,
da hatte der Oberſte von der gottvergeſſenen Bande
einer Wittwe Sohn, ein hübſches Kind, gefragt, ob
er nicht mit ihnen wollte, er ſollte eine bunte Jacke
kriegen und auch immer auf dem Pferde ſitzen, und
der Junge hatte Luſt, aber ſie haben ihn gottsjäm¬
merlich geprügelt, der Schulz und die Bauern, da
iſt ihm die Luſt vergangen. Solche Bande ſind ja
gar keine Chriſtenmenſchen nicht, das ſind Zigeuner
und Juden und Spanier, und wo kriegten ſie denn
ihre Leute her, wenn ſie nicht Chriſtenkinder ſtählen!
Eltern können gar nicht vorſichtig genug ſein, denn
Sie glauben nicht, wie ſie die Kinder maltrai¬
tiren. Hungern laſſen ſie die Kleinen und durſten,
und Schläge kriegen ſie, daß Gott im Himmel ſich
erbarmen müßte, und ihre Glieder werden gereckt,
daß ſie die Purzelbäume ſchießen lernen. Und Nachts,
mit Reſpect zu melden, ſperren ſie ſie in den Stall
zu den Affen und Kameelen, wo eine Unreinlichkeit
iſt, die erſchrecklich iſt. Nein, für Reinlichkeit bin
ich, das iſt die erſte Tugend, und erhält den Körper
geſund. Wer reinlich iſt und ſeine Mitmenſchen liebt
und den Armen Almoſen giebt, der iſt ein guter
Menſch und Gott wohlgefällig, das ſage ich oft mei¬
nen Nichten. Aber wie die Bären werden ſie abge¬
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[155/0169] Scheune haben, beſchmieren ſie's, und färben's, und ziehn ihm Lumpen an, und in einer Viertelſtunde kennt's die eigne Mutter nicht wieder. Ja, was ich Ihnen ſagen wollte, im Dorfe beim Herrn Prediger, da hatte der Oberſte von der gottvergeſſenen Bande einer Wittwe Sohn, ein hübſches Kind, gefragt, ob er nicht mit ihnen wollte, er ſollte eine bunte Jacke kriegen und auch immer auf dem Pferde ſitzen, und der Junge hatte Luſt, aber ſie haben ihn gottsjäm¬ merlich geprügelt, der Schulz und die Bauern, da iſt ihm die Luſt vergangen. Solche Bande ſind ja gar keine Chriſtenmenſchen nicht, das ſind Zigeuner und Juden und Spanier, und wo kriegten ſie denn ihre Leute her, wenn ſie nicht Chriſtenkinder ſtählen! Eltern können gar nicht vorſichtig genug ſein, denn Sie glauben nicht, wie ſie die Kinder maltrai¬ tiren. Hungern laſſen ſie die Kleinen und durſten, und Schläge kriegen ſie, daß Gott im Himmel ſich erbarmen müßte, und ihre Glieder werden gereckt, daß ſie die Purzelbäume ſchießen lernen. Und Nachts, mit Reſpect zu melden, ſperren ſie ſie in den Stall zu den Affen und Kameelen, wo eine Unreinlichkeit iſt, die erſchrecklich iſt. Nein, für Reinlichkeit bin ich, das iſt die erſte Tugend, und erhält den Körper geſund. Wer reinlich iſt und ſeine Mitmenſchen liebt und den Armen Almoſen giebt, der iſt ein guter Menſch und Gott wohlgefällig, das ſage ich oft mei¬ nen Nichten. Aber wie die Bären werden ſie abge¬ richtet, und lernen Vater und Mutter vergeſſen. Wenn

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/169>, abgerufen am 28.04.2024.